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Ästhetik und Windräder

Der Wind weht, wo er will, der Freund grandioser Naturpanoramen kann sich seinen Standpunkt allerdings nicht aussuchen. Ein Konflikt, den in Rheinland-Pfalz unter anderem Politik und UNESCO austragen.

Von Ludger Fittkau |
    Atomkraft hat das Potential eines Weltenvernichters. Wenn sie aus den Fugen gerät, redet niemand mehr von Landschaftsbildern. Die radioaktive Kontamination ist das schlichte Ende einer Landschaft als Kulturlandschaft. Dies vorausgesetzt, muss aber auch festgehalten werden: Die deutsche Energiewende gibt es nicht zum Nulltarif. Sie verschlingt nicht nur das Geld der Stromkunden. Sie hat auch einen ästhetischen Preis. Vor allem Windkraft verändert die Landschaft. Blicke bleiben an Rotoren hängen, die früher ungehindert umher schweiften. Sanfte Hügelketten bekommen Artefakte aufgesetzt, Baumkronen bilden nicht mehr alleine den Übergang von der Erde zum Himmel.

    Mehr als tausend Windräder sind alleine im kleinen Rheinland-Pfalz im Bau. Nun schieben sie sich mehr und mehr an die sechzehn bedeutenden historische Kulturlandschaften im Land heran. Besonders bedeutsam sind etwa das Moseltal mit den uralten, steilen Weinhängen und römischen Baudenkmälern in Trier. Der zum Rheintal offene Rand des Pfälzer Waldes mit dem Hambacher Schloss – der Wiege der deutschen Demokratie - und vielen anderen Kulturdenkmälern. Nicht zuletzt das UNESCO-Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal – der Inbegriff der Rheinromantik mit den zahllosen Burgen und Schlössern rund um den sagenumwobenen Loreleyfelsen.

    Im "Kerngebiet" des UNESCO-Welterbes "Oberes Mittelrheintal" ist der Bau von Windkraftanlagen bereits seit längerem ausgeschlossen. Noch offen ist allerdings die Frage, ob Windräder und andere neue Anlagen zur Energiegewinnung in den Randbereichen des Welterbes und auch anderer bedeutender Kulturlandschaften des Südwestens gebaut werden sollen oder nicht.

    Es geht um sogenannte "Sichtbeziehungen". Also um einen störungsfreien ästhetischen Genuss von Landschaftsbildern. Das fordert die UNESCO für das Mittelrhein-Welterbegebiet, das fordern aber auch Touristiker für die Vulkaneifel oder das Ahrtal. Etwa 100 sogenannte "Sichtpunkte" sind in das aktuelle Gutachten des Landes Rheinland-Pfalz zu "Windenergie und Kulturlandschaften" eingeflossen. Ein eigenes Gutachten zu den Randbereichen des UNESCO-Welterbes Oberes Mittelrheintal steht noch aus.

    Keine Windräder will die rot-grüne Landesregierung im Pfälzer Wald etwa unmittelbar oberhalb des Hambacher Schlosses zulassen. Weiter westlich, wenn man den Rand des Rheintales verlässt und mitten im dicht bewaldeten Biosphärenreservat an der französischen Grenze angekommen ist, wird man aber künftig wohl auf Windräder im Wald stoßen.

    Das wurde heute bei der Vorstellung des Gutachtens in Mainz klar. Ähnlich wird es im grandiosen Moseltal sein. Bestimmte Teile des Tales etwa beim Touristenmagneten Cochem oder das untere Moseltal mit seinen atemberaubend steilen Weinbergen sollen frei bleiben von Windrädern. In anderen Abschnitten der historischen Kulturlandschaft wird es wohl künftig Windkraft geben.

    Aus Sicht der UNESCO ist nicht nur die Windkraft für das Welterbe problematisch. Auch ein schon im Bau befindliches Pumpspeicher-Kraftwerk im Mittelrheintal bereitet der Pariser UN-Kulturorganisation Sorge. Die Anlage ist ein Eingriff in das Landschaftsbild, das bestritt heute auch Eveline Lemke nicht. Die Grüne ist stellvertretende Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz.

    "Wir haben die UNESCO auch schon an vielen Stellen von bestimmten Dingen überzeugen können, zuletzt von der Seilbahn in Koblenz. Ich bin sicher, dass auch an der einen oder anderen Stelle Überzeugungsarbeit ein gutes Mittel ist, um weiterzukommen. Aber das es ein raum- eingreifendes Element ist, mit dem vorsichtig umgegangen werden muss, das ist uns selbstverständlich klar. Und deswegen erfährt es auch mit dem neuen Gutachten noch mal eine besondere Würdigung."

    Nochmals: Angesichts eines Supergaus in einem Atomkraftwerk spricht niemand mehr von intakter Kulturlandschaft. In der Sperrzone spricht man zu Recht vom Inferno, vom Ende jedweder Humanität und Kultur. Die Energiewende macht auch kulturpolitisch Sinn. Sie schafft die Chance für eine Zukunft ohne die permanente Katastrophendrohung, die mit dieser Technologie einhergeht. Doch der Landschaftsverbrauch durch den Bau regenerativer Energien ist enorm. Das hat man in Rheinland-Pfalz erkannt. Auch die UNESCO ist wachsam.

    Im Detail ist der Konflikt zwischen Ästhetik und Energiepolitik vorprogrammiert. In den historischen Kultur-Landschaften wird in den nächsten Jahren um jede konkrete Blickbeziehung gekämpft. So schön es auch wäre: Technik und Kultur sind nicht immer zu versöhnen. Der Wind weht, wo er will. Der Standpunkt des Betrachters ist an konkrete Orte gebunden. Dieser Widerspruch ist nicht aufzulösen.