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Äthiopien
Ein bisschen Pressefreiheit

Noch steht Äthiopien auf Platz 150 der Rangliste der Pressefreiheit. Doch seit Abiy Ahmed Premierminister ist, ändert sich die Lage. Der Politiker hat die restriktive Mediensteuerung der Regierung gestoppt. Auch wenn das noch nicht alle Probleme löst.

Von Marc Engelhardt |
    Die Stadtansicht mit Skyline von Addis Abeba in Äthiopien aufgenommen 24.03.2014.
    Von der Hauptstadt Addis Abeba aus werden wieder kritische Medien zur Rückkehr nach Äthiopien bewegt. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Früher Morgen in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba. Zeitungsjungen schlängeln sich zwischen den hupenden Autos hindurch. Und die Menschen greifen wieder zu, beobachtet Joachim Hempel. Der Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde kennt das Land seit 45 Jahren.
    "Das Erste ist, dass es wieder Lust macht, in Äthiopien Zeitung zu lesen. Das war eigentlich nie eine Lust, das war ein Verlautbarungsorgan der jeweiligen Regierung. In der Zwischenzeit erlebe ich mit, wie Journalisten versuchen, Pressefreiheit zu lernen und auszuüben. Und interessanterweise, wenn man sich unterhält mit Leuten, die sagen alle: Hast du schon Zeitung gelesen heute? Das gab es früher nicht."
    Seit April vergangenen Jahres ist Äthiopien im Aufbruch. Seither ist Abiy Ahmed Premierminister, 42 und selbsternannter Reformer. Er hat Dutzende inhaftierte Journalisten freigelassen, die Blockade von 250 Webseiten und Blogs aufgehoben und kritische Medien zur Rückkehr nach Äthiopien bewegt. Der Äthiopier Muluneh Tolesa war lange Journalist und bestätigt den Wandel. "Seither ist es so, dass selbst die Regierungsmedien Kritik üben. Wenn irgendetwas falsch läuft, dann ist niemand davon ausgenommen, auch nicht der Premierminister selbst. Man kann also von relativer Pressefreiheit sprechen."
    Als das Kommunikationsministerium die Richtung vorgab
    Die gab es in Äthiopien seit mindestens zehn Jahren nicht mehr. Tolesa weiß das: Er war stellvertretender Chefredakteur von Addis Zemen, einer Zeitung der Regierung, in der das Kommunikationsministerium die Richtung vorgab. Wer für Staatsmedien wie Addis Zemen schrieb, wurde gedrillt. Auch Tolesa, der mit Kollegen zu einem Training nach China reiste. "Wir waren dort, um zu lernen, wie wir über Chinas Entwicklungspolitik in Äthiopien zu berichten hatten: Die Projekte betonen, die fehlende politische Freiheit herunterspielen. Die Leser sollten für Entwicklung begeistert werden, so war die Agenda."
    Abiy Ahmed Ali wird als neuer Ministerpräsident von Äthiopien
    Schon vor seiner Vereidigung als neuer äthiopischer Ministerpräsident hatte Abiy Ahmed zahlreiche Reformen versprochen. (dpa/app/Mulugeta Ayene)
    Tolesa hielt Indoktrination und Selbstzensur irgendwann nicht mehr aus. Er wurde Sprecher einer Hilfsorganisation. Mit Staunen verfolgt er heute den Wandel, den der Premier angestoßen hat, der früher Mitgründer des Internetgeheimdienstes war. Doch seit er nach Massenprotesten an die Macht gekommen ist, fördert er die Pressefreiheit. Etwa beim Staatssender EBC: Wenn Oppositionelle dort früher überhaupt zu Wort kamen, dann wurden sie im Sinne der Regierung zurechtgeschnitten. Das soll jetzt einer der prominentesten Oppositionsführer des Landes verhindern: Merera Gudina wurde in den Vorstand berufen, der das Programm überwacht. Auch in der staatlichen Nachrichtenagentur ENA sitzen neue, unabhängige Aufseher. Das alles lässt sich nicht zurückdrehen, glaubt Tolesa.
    Die Grenzen der neuen Pressefreiheit
    Und doch ist Äthiopien von echter Pressefreiheit noch weit entfernt. Abiys Regierung verkündet am liebsten frohe Botschaften. Spin-Doctor auf Twitter ist sein Stabschef Fitsum Arega. Fragen stellt sich Abiy dagegen ungern. Seit Amtsantritt hat er nur eine einzige Pressekonferenz gegeben. Und schließlich sind da noch Hassprediger wie Dschawar Mohammed, der im Namen der neuen Pressefreiheit Propaganda verbreitet - über die früher verbotenen Sender seines Oromo Media Networks. Constantin Grund, der Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Äthiopien, sieht das mit Sorge. "Das ist natürlich schon sehr gefährlich. Man kann sagen, Dschawar und seine Netzwerke arbeiten proaktiv daran, dass alles, was mit dem äthiopischen Staat insgesamt zu tun hat, geschwächt wird, und alles, was mit Oromia als Region oder als Ethnie zu tun hat, gestärkt wird."
    Damit schürt Dschawar, von Vielen Äthiopiens Steve Bannon genannt, den schwelenden Separatismus - und zeigt die Grenzen der neuen Pressefreiheit auf. Organe wie einen Presserat hat Äthiopien noch nicht. Das wird sich ändern müssen.