Dirk Müller: Das fing gar nicht so schlecht an mit der Bundeswehr und dem neuen Chef, Thomas de Maizière, vor knapp zwei Jahren nach dem Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg. Der CDU-Politiker trat aus Sicht der Soldaten bescheiden und bodenständig auf, konnte zuhören. Seit ein paar Tagen hat das solide Image des Verteidigungsministers tiefe Schrammen bekommen, weil nicht nur viele Soldaten jetzt meinen, dass Thomas de Maizière abschätzig demütigend über die Truppe hergefallen ist, rhetorisch zumindest. Zum Beispiel: Etliche Soldaten sind laut des Ministers süchtig nach Wertschätzung, oder: "Hört einfach auf, dauernd nach Anerkennung zu gieren." Die Empörung ist groß bei den Streitkräften.
– Am Telefon bei uns ist nun der frühere NATO-General und Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat. Guten Morgen!
Harald Kujat: Guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Herr Kujat, sind Sie auch so ein Süchtiger?
Kujat: Wenn überhaupt, dann bin ich es jetzt ja nicht mehr. Dann bin ich es aber in meinen 46 Jahren Dienstzeit gewesen offensichtlich.
Müller: Waren Sie es denn?
Kujat: Nein, ich war es überhaupt nicht. Ich habe auch niemanden kennengelernt, der süchtig nach Anerkennung und Wertschätzung war. Jeder Mensch strebt natürlich danach, dass seine Leistung und dass seine Persönlichkeit anerkannt wird, im Übrigen auch Politiker, soviel ich weiß. Aber dass die Soldaten nun in irgendeiner Form öffentlich das kundgetan haben, das habe ich nicht erlebt.
Müller: Aber irgendetwas muss dem Minister doch mächtig auf den Keks gegangen sein. Haben Sie eine Erklärung?
Kujat: Nein, ich habe dafür keine Erklärung. Ich denke, der ganze Duktus dieses Interviews ist sehr unglücklich. Und ich glaube, dass der Minister das inzwischen auch weiß, dass er darüber nachgedacht hat, vielleicht sogar dieses Interview noch mal analysiert hat. Und deshalb sollte man das Ganze auch nicht überbewerten.
Müller: Wie groß ist denn der Schaden?
Kujat: Nun, das ist natürlich für die einzelnen Soldaten, ist das natürlich ein Schlag. Das muss man einfach so sehen. Das hängt auch damit zusammen, dass viele ja von dieser Reform, von dieser tiefgreifenden Reform auch persönlich betroffen sind, dass ihre Familie betroffen ist davon, dass sie nicht über ihre Zukunft im Detail unterrichtet sind. Das alles erschwert natürlich das Ganze. Aber ich denke, der Minister wird die Gelegenheit suchen, auch mit seinen Soldaten, mit allen Dienstgradgruppen, einmal zu sprechen, sich mit ihnen auszutauschen. Und er wird dann sicherlich auch versuchen, das wieder geradezuziehen.
Müller: An diesem Wochenende ist das Interview erschienen, wir haben jetzt Mittwoch, bislang hält der Verteidigungsminister sich zurück.
Kujat: Na ja, nun, was soll er dazu sagen? Das ist natürlich schwierig. Ich glaube, man muss verstehen, vielleicht auch unsere Politiker müssen verstehen, dass sich die öffentliche Wertschätzung für unsere Soldaten nicht in Meinungsumfragen ausdrückt, sich jedenfalls nicht nur in Meinungsumfragen ausdrückt, auch nicht in Zeitungsartikeln - das deckt ja nur einen ganz kleinen Bereich ab. Sondern vor allen Dingen auch darin, dass sie merken, die Soldaten merken, bei einer Reform, die so tiefgreifend ist wie die derzeitige, dass sie selbst, dass der Mensch, der Soldat im Mittelpunkt steht und dass es nicht nur darum geht, Geld zu sparen bei der Bundeswehr und die Streitkräfte immer weiter zu reduzieren, um sie als finanziellen Faktor so klein wie möglich zu halten.
Und das Zweite ist – vielleicht darf ich das noch sagen: Es ist eben auch eine Form der Anerkennung, wenn man den Soldaten das bestmögliche Material in die Hand gibt für die Erfüllung ihrer schwierigen Aufgabe.
Müller: ... und was man nicht tut?
Kujat: ..., was man über viele Jahre sehr stark vernachlässigt hat. Das ist in den letzten Jahren etwas besser geworden. Aber für eine so hoch industrielle Nation, wie Deutschland das ist, eine der größten Handelsnationen der Welt, mit 85 Millionen Einwohnern, haben wir noch nicht den Standard erreicht, wie ihn andere Staaten haben.
Müller: Sie haben gefragt, Harald Kujat, direkt oder indirekt, was soll er auch sagen, der Minister. Normalerweise sagen Minister und andere Politiker, die Zitate sind aus dem Zusammenhang gerissen. Das geht jetzt hier nicht so einfach.
Kujat: Na, das kann er hier nicht sagen, denn das Interview ist ja an vielen Stellen etwas schräg formuliert, lassen Sie es mich mal so vorsichtig sagen.
Müller: Sagen wir das noch mal: "Süchtig nach Wertschätzung" oder "hört einfach auf, dauernd nach Anerkennung zu gieren". Mit Blick auf die Truppe, mit Blick auf die deutschen Soldaten, wie mag sich ein deutscher Soldat in Afghanistan vorkommen, der sein Leben aufs Spiel setzt?
Kujat: Nun, das ist natürlich eine große Enttäuschung. Das muss man einfach so sehen. Wie gesagt, ich will diese Aussagen nicht überbewerten. Das sollte man auch wirklich nicht tun. Ich denke, der Minister wird Gelegenheit nehmen, das auch zumindest in einer Form zurechtzurücken, dass es von den Soldaten verstanden wird. Aber es ist natürlich eine Enttäuschung, gerade für die, die durch diese Einsätze persönlich und ihre Familien auch sehr stark betroffen sind und die auch von dieser Reform eben sehr stark betroffen sind. Das ist nicht zu leugnen. Ich denke auch, man sollte einmal über den Zaun schauen. Man sollte einmal nach Frankreich und nach England oder nach Dänemark schauen und sehen, wie die Öffentlichkeit, wie die Bevölkerung dort mit den Soldaten umgeht. Und das ist schon ein ganz, ganz großer Unterschied gegenüber dem, was unsere Soldaten heute hören und sehen in Deutschland.
Müller: Lassen Sie mich, Herr Kujat, noch einen Satz zitieren: "Wenn ein Partner den anderen fünf Mal am Tag fragt, ob er ihn noch liebt, erhöht das nicht die Liebe." Ist de Maizière noch bei den Soldaten?
Kujat: Na ja, so scharf würde ich das nicht formulieren. Ich sagte ja: Der gesamte Duktus dieses Interviews ist sehr, sehr unglücklich und auch diese Formulierung finde ich nun wirklich nicht gelungen. Also ich habe in meiner langen Dienstzeit nicht ein einziges Mal, geschweige denn fünf Mal am Tag irgendjemanden gefragt, ob ich anerkannt bin, ob ich geschätzt werde. Das kenne ich auch aus meiner Dienstzeit nicht.
Müller: Als General ist das aber ja relativ komfortabel.
Kujat: Natürlich! Ich war aber nicht immer General. Das muss man, darf man nicht vergessen.
Müller: Sie sagten, Herr Kujat, ein Stichwort, die gesellschaftliche Anerkennung. Das heißt, da sind deutsche Soldaten im Auslandseinsatz, das ist gefährlich, das kann auch töten. Hat sich das gesellschaftliche Bewusstsein zugunsten dieser Arbeit, zugunsten dieser Einsätze positiv entwickelt?
Kujat: Nein. Was wir sehen ist, dass dieser Einsatz selbst ja sehr umstritten ist, auch sehr kritisiert wird. Und das wird häufig auch auf den einzelnen Soldaten übertragen, indem man sagt, warum gehst du da überhaupt hin, was hast du da verloren. Und wenn Sie einmal die Kommentare lesen in den Zeitschriften und vor allen Dingen auch im Internet zu diesem Einsatz, dann sehen Sie doch, dass es eine sehr, sehr große Distanz gibt – nicht nur zu diesem Einsatz, sondern auch zu denen, die diesen Einsatz durchführen müssen. Und dabei wird eben vergessen, dass die Soldaten dort im Auftrag des deutschen Parlaments sind. Es ist ja nicht nur die Bundesregierung, sondern es ist das Parlament, das unsere Soldaten dort hinschickt, also die Vertreter des deutschen Volkes. Das ist wichtig und das ist richtig, aber dieser Zusammenhang wird eben sehr häufig unterschlagen oder wird nicht gesehen. Und auch das ist ein Aspekt, der die Soldaten natürlich persönlich berührt.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der frühere NATO-General Harald Kujat. Danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Kujat: Ich danke Ihnen, Herr Müller.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
– Am Telefon bei uns ist nun der frühere NATO-General und Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat. Guten Morgen!
Harald Kujat: Guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Herr Kujat, sind Sie auch so ein Süchtiger?
Kujat: Wenn überhaupt, dann bin ich es jetzt ja nicht mehr. Dann bin ich es aber in meinen 46 Jahren Dienstzeit gewesen offensichtlich.
Müller: Waren Sie es denn?
Kujat: Nein, ich war es überhaupt nicht. Ich habe auch niemanden kennengelernt, der süchtig nach Anerkennung und Wertschätzung war. Jeder Mensch strebt natürlich danach, dass seine Leistung und dass seine Persönlichkeit anerkannt wird, im Übrigen auch Politiker, soviel ich weiß. Aber dass die Soldaten nun in irgendeiner Form öffentlich das kundgetan haben, das habe ich nicht erlebt.
Müller: Aber irgendetwas muss dem Minister doch mächtig auf den Keks gegangen sein. Haben Sie eine Erklärung?
Kujat: Nein, ich habe dafür keine Erklärung. Ich denke, der ganze Duktus dieses Interviews ist sehr unglücklich. Und ich glaube, dass der Minister das inzwischen auch weiß, dass er darüber nachgedacht hat, vielleicht sogar dieses Interview noch mal analysiert hat. Und deshalb sollte man das Ganze auch nicht überbewerten.
Müller: Wie groß ist denn der Schaden?
Kujat: Nun, das ist natürlich für die einzelnen Soldaten, ist das natürlich ein Schlag. Das muss man einfach so sehen. Das hängt auch damit zusammen, dass viele ja von dieser Reform, von dieser tiefgreifenden Reform auch persönlich betroffen sind, dass ihre Familie betroffen ist davon, dass sie nicht über ihre Zukunft im Detail unterrichtet sind. Das alles erschwert natürlich das Ganze. Aber ich denke, der Minister wird die Gelegenheit suchen, auch mit seinen Soldaten, mit allen Dienstgradgruppen, einmal zu sprechen, sich mit ihnen auszutauschen. Und er wird dann sicherlich auch versuchen, das wieder geradezuziehen.
Müller: An diesem Wochenende ist das Interview erschienen, wir haben jetzt Mittwoch, bislang hält der Verteidigungsminister sich zurück.
Kujat: Na ja, nun, was soll er dazu sagen? Das ist natürlich schwierig. Ich glaube, man muss verstehen, vielleicht auch unsere Politiker müssen verstehen, dass sich die öffentliche Wertschätzung für unsere Soldaten nicht in Meinungsumfragen ausdrückt, sich jedenfalls nicht nur in Meinungsumfragen ausdrückt, auch nicht in Zeitungsartikeln - das deckt ja nur einen ganz kleinen Bereich ab. Sondern vor allen Dingen auch darin, dass sie merken, die Soldaten merken, bei einer Reform, die so tiefgreifend ist wie die derzeitige, dass sie selbst, dass der Mensch, der Soldat im Mittelpunkt steht und dass es nicht nur darum geht, Geld zu sparen bei der Bundeswehr und die Streitkräfte immer weiter zu reduzieren, um sie als finanziellen Faktor so klein wie möglich zu halten.
Und das Zweite ist – vielleicht darf ich das noch sagen: Es ist eben auch eine Form der Anerkennung, wenn man den Soldaten das bestmögliche Material in die Hand gibt für die Erfüllung ihrer schwierigen Aufgabe.
Müller: ... und was man nicht tut?
Kujat: ..., was man über viele Jahre sehr stark vernachlässigt hat. Das ist in den letzten Jahren etwas besser geworden. Aber für eine so hoch industrielle Nation, wie Deutschland das ist, eine der größten Handelsnationen der Welt, mit 85 Millionen Einwohnern, haben wir noch nicht den Standard erreicht, wie ihn andere Staaten haben.
Müller: Sie haben gefragt, Harald Kujat, direkt oder indirekt, was soll er auch sagen, der Minister. Normalerweise sagen Minister und andere Politiker, die Zitate sind aus dem Zusammenhang gerissen. Das geht jetzt hier nicht so einfach.
Kujat: Na, das kann er hier nicht sagen, denn das Interview ist ja an vielen Stellen etwas schräg formuliert, lassen Sie es mich mal so vorsichtig sagen.
Müller: Sagen wir das noch mal: "Süchtig nach Wertschätzung" oder "hört einfach auf, dauernd nach Anerkennung zu gieren". Mit Blick auf die Truppe, mit Blick auf die deutschen Soldaten, wie mag sich ein deutscher Soldat in Afghanistan vorkommen, der sein Leben aufs Spiel setzt?
Kujat: Nun, das ist natürlich eine große Enttäuschung. Das muss man einfach so sehen. Wie gesagt, ich will diese Aussagen nicht überbewerten. Das sollte man auch wirklich nicht tun. Ich denke, der Minister wird Gelegenheit nehmen, das auch zumindest in einer Form zurechtzurücken, dass es von den Soldaten verstanden wird. Aber es ist natürlich eine Enttäuschung, gerade für die, die durch diese Einsätze persönlich und ihre Familien auch sehr stark betroffen sind und die auch von dieser Reform eben sehr stark betroffen sind. Das ist nicht zu leugnen. Ich denke auch, man sollte einmal über den Zaun schauen. Man sollte einmal nach Frankreich und nach England oder nach Dänemark schauen und sehen, wie die Öffentlichkeit, wie die Bevölkerung dort mit den Soldaten umgeht. Und das ist schon ein ganz, ganz großer Unterschied gegenüber dem, was unsere Soldaten heute hören und sehen in Deutschland.
Müller: Lassen Sie mich, Herr Kujat, noch einen Satz zitieren: "Wenn ein Partner den anderen fünf Mal am Tag fragt, ob er ihn noch liebt, erhöht das nicht die Liebe." Ist de Maizière noch bei den Soldaten?
Kujat: Na ja, so scharf würde ich das nicht formulieren. Ich sagte ja: Der gesamte Duktus dieses Interviews ist sehr, sehr unglücklich und auch diese Formulierung finde ich nun wirklich nicht gelungen. Also ich habe in meiner langen Dienstzeit nicht ein einziges Mal, geschweige denn fünf Mal am Tag irgendjemanden gefragt, ob ich anerkannt bin, ob ich geschätzt werde. Das kenne ich auch aus meiner Dienstzeit nicht.
Müller: Als General ist das aber ja relativ komfortabel.
Kujat: Natürlich! Ich war aber nicht immer General. Das muss man, darf man nicht vergessen.
Müller: Sie sagten, Herr Kujat, ein Stichwort, die gesellschaftliche Anerkennung. Das heißt, da sind deutsche Soldaten im Auslandseinsatz, das ist gefährlich, das kann auch töten. Hat sich das gesellschaftliche Bewusstsein zugunsten dieser Arbeit, zugunsten dieser Einsätze positiv entwickelt?
Kujat: Nein. Was wir sehen ist, dass dieser Einsatz selbst ja sehr umstritten ist, auch sehr kritisiert wird. Und das wird häufig auch auf den einzelnen Soldaten übertragen, indem man sagt, warum gehst du da überhaupt hin, was hast du da verloren. Und wenn Sie einmal die Kommentare lesen in den Zeitschriften und vor allen Dingen auch im Internet zu diesem Einsatz, dann sehen Sie doch, dass es eine sehr, sehr große Distanz gibt – nicht nur zu diesem Einsatz, sondern auch zu denen, die diesen Einsatz durchführen müssen. Und dabei wird eben vergessen, dass die Soldaten dort im Auftrag des deutschen Parlaments sind. Es ist ja nicht nur die Bundesregierung, sondern es ist das Parlament, das unsere Soldaten dort hinschickt, also die Vertreter des deutschen Volkes. Das ist wichtig und das ist richtig, aber dieser Zusammenhang wird eben sehr häufig unterschlagen oder wird nicht gesehen. Und auch das ist ein Aspekt, der die Soldaten natürlich persönlich berührt.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der frühere NATO-General Harald Kujat. Danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Kujat: Ich danke Ihnen, Herr Müller.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.