Jörg Münchenberg: Es war für die AfD in Ostdeutschland der dritte große Erfolg bei Landtagswahlen. Nach Sachsen und Brandenburg erreichte sie auch in Thüringen den zweiten Platz - 23,4 Prozent, eine Verdoppelung der Stimmen im Vergleich zu 2014.
Und das, obwohl oder weil an der Spitze der AfD in Thüringen mit Björn Höcke ein Vertreter der extremen Rechten steht, der laut Gericht sogar als Faschist bezeichnet werden darf und der zugleich Gründer des rechtsradikalen Flügels der Partei ist. Der Richtungskampf innerhalb der AfD, er könnte sich verschärfen.
Am Telefon ist jetzt der stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Kay Gottschalk. Herr Gottschalk, einen schönen guten Morgen.
Kay Gottschalk: Herr Münchenberg, ich grüße Sie.
Münchenberg: Herr Gottschalk, steht Björn Höcke für die Mitte der AfD, so wie es der Parteivorsitzende Alexander Gauland gestern formuliert hat?
Gottschalk: Zunächst einmal haben wir ein Parteiprogramm, das definiert, wo wer wie stehen kann und darf. Alles andere will ich an der Stelle gerade nicht kommentieren, weil ich mich noch sehr über das Wahlergebnis freue.
Münchenberg: Aber trotzdem noch mal die Nachfrage. Es steht jetzt die Behauptung im Raum, dass Björn Höcke auch für die Mitte der AfD steht. Da könnten Sie ja schon Position beziehen.
Gottschalk: Ich sage mal so: Björn Höcke steht für Teile unserer Partei, wie ich für andere Teile dieser Partei stehe. Wo die Mitte ist, das bestimmt immer die Partei und nicht einzelne Meinungen.
Es gibt viele Meinungen zu vielen Dingen und ich glaube letztlich, das sollen unsere Parteimitglieder festlegen, wo wer steht. Da steht ja auch, wie Sie gesagt haben, der Bundesparteitag an und ich glaube, der wird dann Aufschluss darüber geben, wo unsere Delegierten, 600 an der Zahl, die Partei im Schwerpunkt definieren.
"Unsere Partei ist stark genug, viele Meinungen auszuhalten"
Münchenberg: Aber noch mal: Höcke ist ja das Gesicht des Flügels, der laut Verfassungsschutz immer extremistischer wird. Er hat ein Buch geschrieben, daraus zitiere ich mal: "Man werde nicht um eine Politik wohltemperierter Grausamkeiten herumkommen." Also noch mal: Macht Ihnen das nicht Sorge, wenn jetzt Herr Höcke plötzlich in der Mitte der AfD verortet wird?
Gottschalk: Mir macht gar nichts Sorgen, weil ich glaube, unsere Partei ist stark genug, viele Meinungen auszuhalten, und wir stehen am Ende des Tages gut da. Das zeigen die Wahlergebnisse und da mache ich Einzelmeinungen nicht dran fest. Wir haben jetzt eine Debatte anstehen, da gibt es auch ein weites Feld von Meinungen, beispielsweise zur Rente. Da haben wir einmal das Modell kapitalgedeckt und es gibt die Systemfrage, wollen wir weiter eine staatsfinanzierte Rente.
Da stehe ich zum Beispiel für, für dieses Ziel. An der Stelle Einzelmeinungen und wer literarisch tätig ist – ich glaube, fast jedes Führungsmitglied der AfD hat inzwischen ein Buch geschrieben. Ich lese die gar nicht, weil da komme ich nicht zu, wenn ich arbeite, am Ende des Tages. Insoweit soll jeder schreiben, solange es sich auf dem Boden der Verfassung befindet. Und ansonsten: Alles weitere klärt, glaube ich, in einem Monat ein Bundesparteitag.
Münchenberg: Darauf kommen wir gleich zu sprechen. Trotzdem noch mal die Frage: Die Meinung, das ist ja keine Einzelmeinung jetzt von irgendjemandem, sondern Björn Höcke ist der Spitzenkandidat in Thüringen gewesen. Er hat ja doch politisches Gewicht.
Gottschalk: Jeder hat politisches Gewicht in dieser Partei, der Verantwortung trägt. Wir haben ja diese Fragen, und ich sage mal, er kriegt immer auch oder jeder so viel Gewicht, wie Sie darüber berichten. Ich wünschte mir, über meinen Bezirksverband in Düsseldorf würde so viel berichtet werden. Der hat 1600 Mitglieder. Ich glaube, in Thüringen gibt 1200 Mitglieder. Berichten Sie doch mal in der Häufigkeit über den Bezirksverband Düsseldorf oder Bezirksverband Köln hier in Nordrhein-Westfalen.
Münchenberg: Wir reden ja jetzt über Thüringen, wo die AfD ja immerhin über 23 Prozent erreicht hat und zur zweitstärksten Kraft geworden ist im Land.
Gottschalk: Das ist auch gut so für unser Land. Das ist aber nicht nur ein Ausdruck einzelner Persönlichkeiten, sondern das ist ein Ausdruck, wie erfolgreich und sagenhaft gut die Bundestagsfraktion gearbeitet hat. Man kann ja nicht auf der einen Seite bei CDU und SPD die Bundestagsfraktion und die Bundespartei für einen schlechten Trend verantwortlich machen und das bei anderen Parteien loskoppeln, gerade bei dieser Thüringen-Wahl.
Genauso ist es auch ein Produkt einer exzellenten Arbeit der Bundestagsfraktion und einer, wie ich finde, hervorragenden Arbeit des besten Bundesvorstandes, den diese AfD bisher hatte, und ich hoffe, dass in dieser Zusammensetzung dieser Bundesvorstand dann auch weiterarbeiten kann und darf, weil das darf man nicht isoliert sehen. Sonst wäre jede Diskussion am Ende, die wir hier auch im politischen Raum gerade führen, ad absurdum gestellt.
Genauso wie bei SPD - ich glaube, das wissen wir beide - ein sehr ungeordnetes Erscheinungsbild für den Niedergang dieser ehemaligen Volkspartei verantwortlich ist, so ist bei uns sicherlich auch ein hervorragendes Außenbild der Bundestagsfraktion und des Bundesvorstandes für die Ergebnisse verantwortlich. Es ist immer eine Teamleistung!
"Die AfD ist nicht nur Björn Höcke"
Münchenberg: Herr Gottschalk, bleiben wir trotzdem mal bei Herrn Höcke und der AfD. Wir reden ja jetzt nicht über die SPD. Sie haben vorhin gesagt, Sie freuen sich über den Wahlsieg - verständlich - und Sie wollen jetzt Herrn Höcke nicht weiter kommentieren. Das könnte man ja auch so auslegen, dass man sagt, es zählt allein der Erfolg, egal wer ihn gewinnt, auch wenn es so ein Rechtsaußen wie Herr Höcke ist.
Gottschalk: Nochmals: Das ist ja immer das Problem. Und ich glaube, es ist auch wieder die beste Wahlwerbesendung, die wir beide hier für die AfD machen. Weil die AfD ist nicht nur Björn Höcke und ich kenne ihn nun persönlich auch sehr gut. Auch wenn uns sicherlich in politischen Ansichten das eine oder andere trennt, so kenne ich ihn, und so wie Björn Höcke in der Öffentlichkeit dargestellt wird, ist er auch nicht. Das ist einfach das Problem.
Lassen Sie uns sachlich auch mal über andere Themen, die diese Thüringen-Wahl erforderlich oder auch interpretierenswert machen, reden. Björn Höcke ist ein wichtiges Gesicht unserer Partei, ein Gesicht, was in der Öffentlichkeit hoch kritisiert wird, und ich würde mich freuen, wenn Sie auch über andere Gesichter, die 90 Prozent unserer Partei vertreten, genauso wie im Westen, wie ich es eben gesagt habe, auch diskutieren würden. Ich glaube, …
Münchenberg: Herr Gottschalk, lassen Sie uns noch mal über die Wahlerfolge der AfD im Osten reden. Das waren ja trotzdem drei doch deutliche Wahlgewinne. Jetzt ist schon die Frage, werden diese Landesverbände nicht auch mehr Einfluss innerhalb der AfD einfordern. Sie haben ja schon die Wahlen zum Bundesvorstand angesprochen. Wird da nicht automatisch deutlich mehr der Anspruch erhoben werden, dass diese Landesverbände auch mehr Einfluss haben wollen?
Gottschalk: Jeder Landesverband will Einfluss haben. Ich nehme es mal so: Bremen hat, glaube ich, bei der SPD in früheren Tagen über 50 Prozent teilweise der Stimmen geholt, den Bürgermeister gestellt. Aber ich glaube, ein Bremer ist da nie Bundeskanzlerkandidat der SPD geworden. Lassen wir die Kirche im Dorf.
Ich habe es eben schon angedeutet. NRW hat 5600 Mitglieder und es geht nach Mitgliederstärke, und insoweit sind Wahlerfolge schön. Das würde ja im Umkehrschluss heißen: Würde mal ein Bundesland nicht so erfolgreich sein, dann darf es nicht mehr vertreten sein. Vielleicht muss es gerade erst dann im Bundesvorstand oder einem ähnlichen Organ vertreten sein.
Erfolge machen immer selbstbewusst, das ist auch gut so. Selbstbewusstsein brauchen wir in den schweren Tagen. Aber ich bin nicht der Meinung, dass sich da jetzt Proporz oder andere Dinge ändern.
Münchenberg: Trotzdem haben die drei Landtagswahlen im Osten gezeigt, dass da die Landesverbände Wahlergebnisse erzielt haben, von denen können die Westverbände ja nur träumen.
Gottschalk: Ja! Das ist aber das Problem, dass wir sicherlich im Westen eine ganz andere 40-jährige Geschichte gehabt haben, dass wir im Westen sicherlich auch eine Arroganz der Stadteliten haben, die rot-grün geprägt sind - übrigens ein Konflikt, der auch in den Vereinigten Staaten gerade hochkocht oder schon länger hochkocht und in Deutschland, glaube ich, auch.
Ich denke aber auch, im Zuge einer Wirtschaftskrise und der Rezession, die ansteht, werden wir die Luxusprobleme, die gerade hier von der Öffentlichkeit und den Medien transportiert werden, Umweltschutz etc., die werden sich ganz schnell drehen mit den wachsenden Problemen, und ich glaube, da wird die AfD ähnlich gute, wenn nicht sogar bessere Ergebnisse auch im Westen einfahren, und dann stellt sich für die CDU die Gretchenfrage, wann sie denn endlich mit uns koaliert und wie tatsächlich lebensvital diese Demokratie noch ist.
Wenn nämlich auf Dauer ein Viertel der Wähler ausgeschlossen werden, dann darf ja mal die Frage gestellt werden, inwieweit sich diese Menschen noch repräsentiert fühlen dürfen und wenn auf der anderen Seite die Grünen mit ihren neun bis zwölf Prozent irgendwo wesentlich gerade die Richtlinien der aktuellen Politik prägen.
Münchenberg: Herr Gottschalk, lassen Sie uns trotzdem mal bei den anstehenden Wahlen zum Bundesvorstand bleiben. Ein Björn Höcke im AfD-Bundesvorstand, ist das für Sie vorstellbar?
Gottschalk: Ich habe ihn aufgefordert - das wissen Sie ja, glaube ich - im Sommer zu kandidieren. Es steht jedem frei zu kandidieren. Ich glaube, Jörg Meuthen hat das gestern auch getan. Wie gesagt, das müssen dann unsere Wähler entscheiden. Ich freue mich wie gesagt auf jeden, der in den Bundesvorstand kommt. Ich hoffe, ich schaffe das auch wieder.
Und dann hoffe ich vor allen Dingen, dass der nächste Bundesvorstand genauso erfolgreich sein wird wie dieser. Der nächste Bundesvorstand wird sich an der hervorragenden Arbeit dieses Bundesvorstandes messen lassen müssen. Insoweit bin ich gespannt, wie weise der Bundesparteitag da entscheiden wird im November/Dezember.
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