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Kommentar zur Europawahlversammlung der AfD
Der Wunsch, wieder Herr im Haus zu sein

Mit der Europaliste der AfD sei eine weitere Radikalisierung der Partei absehbar, kommentiert Volker Finthammer. Die Partei wolle die Zeit zurückdrehen - damit die weißen Männer wieder das Sagen haben und sich als Herr im Haus fühlen können.

Von Volker Finthammer |
Maximilian Krah, Mitglied im AfD-Bundesvorstand der Alternative für Deutschland und Mitglied des Europäischen Parlaments, am Rand der Europawahlversammlung in der Messe Magdeburg. Der sächsische Europaabgeordnete Krah wurde zum Spitzenkandidaten für die Europawahl gewählt.
Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl: Sei rechts, dann klappt's auch mit der Freundin. (picture alliance / dpa / Carsten Koall)
Das war ein recht moderater Maximilian Krah, den man jetzt im Deutschlandfunk hören konnte. Die AfD wolle 80 Prozent weniger Europa und mehr Selbstverwaltung der Nationalstaaten. Der Anwalt aus Dresden und frisch gekürte Spitzenkandidat der AfD wusste wohl nur zu genau, zu welchem Publikum er da sprach - und dass rechtsradikale Sprüche da nicht unbedingt so gut ankommen.
In seinen Schriften und auf TikTok hört sich das ganz anders an. „Echte Männer sind rechts. Echte Männer haben Ideale und echte Männe sind Patrioten, dann klappt es auch mit der Freundin“, sagt er da mit Elan gegen woke und linksgrüne Haltungen.
Diese Doppelzüngigkeit gilt auch für die künftige EU-Strategie der AfD und den Versuch, im Verbund mit den anderen rechtsextremen Parteien in der EU bei der kommenden Europawahl so an Gewicht zu gewinnen, dass man von den anderen Parteien nicht mehr so einfach überstimmt werden kann.

Gegen mehr Demokratie und Toleranz

Auch deshalb hat sich die AfD auf dem zurückliegenden Parteitag trotz einiger Gegenstimmen der rechtsextremen Partei Identität und Demokratie angeschlossen, der neben den französischen Nationalisten von Marine Le Pen auch die italienische Lega Nord und die FPÖ aus Österreich angehören.
Man kann darin durchaus einen Strategiewechsel sehen. Stand vor fünf Jahren noch der Dexit - also der unmittelbare Austritt Deutschlands aus der EU - im Programm der AfD zur Europawahl, geht es jetzt darum, die europäischen Institutionen durch die eigene politische Stärke zu erobern und im nationalen Interesse umzubauen oder gar aufzulösen.
Dahinter verbirgt sich auch die gesellschaftspolitische Forderung, die zurückliegenden Jahrzehnte, die den westlichen Gesellschaften mehr Demokratie und Toleranz gebracht haben, wieder zurückzudrehen. Der TikTok-Spruch bringt es doch auf den Punkt. Die nicht nur alten, aber weißen Männer wollen wieder das Sagen haben, wollen klare Kante zeigen.

Weitgehend von Männern bestimmt

Das konnte man auch in Magdeburg gut sehen. Unter den fünfzehn bislang gewählten Kandidaten sind nur vier Frauen, die aber vor allem mit radikaleren Forderungen zu glänzen wussten - auf einer Versammlung, die weitgehend von Männern im Saal bestimmt war. Auch das gehört zur Wahrheit über die AfD dazu. Der Wunsch, wieder Herr im Hause zu sein, ist ein ganz starkes Motiv für das Engagement in dieser Partei.
Das ist auch der seidene Faden für Alice Weidel. Sie weiß sich an der Spitze der Partei nur zu behaupten, weil sie eloquent und schlagfertig stets radikale Positionen bedient und sich mit dem real existierenden Flügel gemein gemacht hat.
Einer weiteren inhaltlichen Radikalisierung der Partei, die mit dieser Europaliste absehbar ist, wird sie sich wohl auch nicht mehr entgegenstellen. Der letzte, der das versucht hat, hieß Jörg Meuthen - und der ist inzwischen, wie fast alle eher bürgerlichen Kräfte in der AfD, Geschichte.
Volker Finthammer
Volker Finthammer, Jahrgang 1963, studierte Politik in Marburg und in Berlin. Nach der Wende erste Radioerfahrungen beim Deutschlandsender Kultur in Ostberlin. Seit 1994 beim Deutschlandradio. Redakteur im Ressort Politik und Hintergrund. Korrespondent im Hauptstadtstudio in Berlin und in Brüssel. CvD in der Chefredaktion von Deutschlandradio Kultur. Seit September 2016 wieder im Hauptstadtstudio in Berlin mit dem Schwerpunkt Wirtschafts- und Sozialpolitik.