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Kommentar zum Europawahlprogramm der AfD
Blanker deutscher Chauvinismus

,,Bund der Nationalstaaten“ statt Europäischer Union: Die AfD hat ihre europapolitischen Vorstellungen in einem Wahlprogramm festgehalten. Das rieche nicht nach Zukunft, sondern stinke nach Kaiserreich, kommentiert Peter Kapern.

Ein Kommentar von Peter Kapern |
Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender und Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion und Alice Weidel, AfD-Bundesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, stehen auf der Bühne der AfD-Europawahlversammlung nebeneinander.
AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla und Alice Weidel: EU-Binnenmarkt ja, Förderpolitik nein. (picture alliance / dpa / Klaus-Dietmar Gabbert)
Bisschen mehr Schwarz-Rot-Gold und etwas häufiger die Deutschland- statt der Europahymne. Bisschen weniger Ausländer, und wenn dann auch noch den Eurokraten in Brüssel mal jemand richtig in den Hintern tritt: Was soll dagegen schon einzuwenden sein?
Die AfD hofft, dass sich möglichst viele Wähler ihr Projekt ,,Bund der Nationalstaaten“ schönreden – und bei der Europawahl im nächsten Juni ihr Kreuz bei den Rechtsextremen machen. Und damit das auch gelingt, hat die Partei in ihrem Europawahlprogramm viel weiße Salbe verschmiert, die dessen wahre Absichten verbergen soll.
Also, was steckt hinter dem „Bund der Nationalstaaten“?
Vor allem blanker deutscher Chauvinismus. Denn nach den Fantasien der AfD soll der Binnenmarkt beibehalten, aber alle Instrumente der Kohäsionspolitik abgeschafft werden. Dabei sind diese beiden Komponenten der EU-Politik zwingend miteinander verbunden.
Vom Binnenmarkt profitieren vor allem die wirtschaftlich starken Staaten, oder um es klar zu sagen: vor allem Deutschland. Damit die schwächeren Volkswirtschaften nicht fürchten müssen, abgehängt zu werden, verspricht ihnen die EU die schrittweise Angleichung der Lebensverhältnisse. Aus Brüsseler Töpfen werden Regionen und Projekte gefördert, um dieses Versprechen in die Tat umzusetzen.

Wiederbelebung des Kolonialismus mit neuen Mitteln

Würde man nun das eine - den Binnenmarkt - beibehalten, und das andere - die Förderpolitik - abschaffen, wie es die AfD fordert, käme dies der Unterwerfung ärmerer EU-Staaten unter die ökonomische Übermacht Deutschlands gleich. Eine Wiederbelebung des Kolonialismus mit neuen Mitteln. So – Pardon – dämlich können die anderen EU-Staaten gar nicht sein, um sich dieser Allmachtsfantasie der AfD zu unterwerfen.
Zweites Beispiel: die Währungsunion, die Freizügigkeit, der Schengen-Raum. Nach Ansicht der AfD: alles gescheitert. Alles Instrumente, die vermeintliche Versagerstaaten Europas sich ausgedacht haben, um an deutsche Steuergelder, deutsche Sozialhilfe, deutsche Sparvermögen zu gelangen. Da tritt neben den Chauvinismus die Aggression des zu kurz Gekommenen. Und das verheißt nichts Gutes für das Friedensprojekt EU.
Drittes Beispiel: die Verteidigungspolitik. Da fordert die AfD die strategische Autonomie Europas. Klingt eigentlich nicht schlimm. Ähnliches hört man ja zuweilen auch aus Frankreich. Aber im Detail sieht die Sache dann ganz anders aus.

Für Russland und China, gegen die USA

US-Truppen sollen der AfD zufolge aus Europa verschwinden, die Sanktionen gegen Russland gestoppt und Nordstream repariert werden - und schließlich soll sich Deutschland auch noch der Seidenstraßeninitiative Pekings anschließen, mit der China seine globale wirtschaftliche Dominanz betoniert. Wer dann noch das Gerede vom Vasallenstaat Deutschland auf dem Parteitag zu Kenntnis genommen hat, der weiß: Aus dem Europawahlprogramm der AfD schaut uns ein ganz alter Bekannter an - blanker Antiamerikanismus.
Was die AfD will, ist keine europapolitische Zeitenwende, sondern eine Zeitreise. Allerdings rückwärts. Das Wahlprogramm der AfD riecht nicht nach Zukunft, es stinkt nach Kaiserreich.
Porträt: Peter Kapern
Peter Kapern, geboren 1962 in Hamm, Westfalen. Studium der Politikwissenschaften, der Philosophie und der Soziologie in Münster. Volontariat beim Deutschlandfunk. Moderator der Informationssendungen des Dlf, 2007 bis 2010 Leiter der Redaktion Innenpolitik, Korrespondent in Düsseldorf, Tel Aviv und Brüssel.