Es war schon fast alles vorbei auf dem Altessener Markt beim Wahlkampfauftakt der NRW-AfD – als es doch noch einmal aussagekräftig wurde:
"Ich würde jetzt alle Beteiligten noch einmal auf die Bühne bitten, dass wir noch einmal ein Gruppenfoto machen können, um unseren Spitzenkandidaten Marcus Pretzell herum."
Obwohl Frauke Petry gegen Ende der vergangene Woche einen offenen Machtkampf um die Ausrichtung der Partei begonnen hatte, in dem sie – zwei Wochen vor dem Bundesparteitag in Köln – sich statt der "fundamentaloppositionellen" für eine "realpolitische Strategie" ausgesprochen und einen entsprechenden Sachantrag gestellt hatte, der als Anspruch auf die alleinige Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl gewertet und postwendend von fast allen Landesverbänden abgelehnt wurde, war das AfD-Führungsduo komplett erschienen.
Déjà-Vu: Nach Bernd Lucke 2005 der zweite parteiinterne Machtkampf
Petry natürlich, die ihren Mann Marcus Pretzell, Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in NRW unterstützte, aber auch der zweite Vorsitzende der Bundespartei, Jörg Meuthen, der Petrys Führungsqualitäten angezweifelt hatte, war gekommen. Doch während die drei vor der Kundgebung demonstrativ vor den Kameras scherzten, reichte es für ein gemeinsames Gruppenfoto dann doch nicht mehr:
"Ist der Jörg noch hier?"
War er nicht, dringende Anschlusstermine, hieß es. Doch das änderte nix an den drängenden Fragen – denen in Essen auch Petry auswich:
"Volkspartei oder fundamental Opposition, Frau Petry?"
"Genau, sie kennen meine Meinung dazu. Und die AfD hat die Kraft, Volkspartei zu werden. Und das will auch die große Mehrheit der Mitglieder. Dankeschön."
Viele Beobachter haben bei der AfD ein Déjà-Vu: Einen ähnlichen Machtkampf strebte einst Parteimitbegründer Bernd Lucke an, bevor er auf dem Bundesparteitag 2015 Petry unterlag – und austrat. Doch ein Kompromiss könnte nun ausgerechnet aus NRW kommen: Er halte nicht den Antrag für ein Problem, sondern die Begründung dafür, sagte Martin Renner, neben Petrys Ehemann Pretzell, Landesvorsitzender in NRW, AfD-Gründungsmitglied und auf Platz eins der NRW-Landesliste für die Bundestagswahl.
"Für diese strategische Entscheidung, wie sich die AfD zukünftig ausrichten soll, diese Begründungen werden von uns, von mir, korrigiert und mit einem Änderungsvorschlag bedacht werden."
Der Vorstoß von Martin Renner kommt überraschend
Dass dieser Vorstoß ausgerechnet von Renner kommt, ist eine neue Wendung: Der 62-Jährige steht inhaltlich auf einer Linie mit Rechtsaußen Björn Höcke, distanziert sich einzig von dessen Tonfall. Renner hatte sich bei den Listenaufstellung in NRW zudem einen erbarmungslosen Machtkampf mit Petrys Ehemann Pretzell geliefert. Doch gerade deswegen sei ein Spitzenduo Petry/Renner erfolgsversprechend, meint er:
"Also, grundsätzlich wäre das insofern eine gute Idee, weil es das Zeichen setzen würde, die verschiedenen Gruppierungen innerhalb der AfD, werden in diesem Wahlkampf sozusagen ein einigendes Zeichen nach Außen senden."
Nachdem bereits gestern AfD-Vize Alexander Gauland in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" persönlich eine Spitzkandidatur ausgeschlossen hatte, meldet somit Renner seine Ambitionen an. Er war es auch, der Petrys Kontrahent Meuthen nach Essen gelotst hatte. Und: Er habe sich über seine Ambitionen auch bereits mit Petry und ihrem Ehemann Pretzell ausgetauscht:
"Wir haben darüber debattiert und sie ist damit einverstanden, dass hier ein Änderungsantrag formuliert wird und wir werden mal schauen, wie das dann letztlich im Bundesparteitag ankommt."
Doch bis dahin sind es noch knapp zwei Wochen. Erfahrungsgemäß viel Zeit für Diskussionen.