AfD und die EU-Wahl
Wie stark schaden die Spionagevorwürfe der Partei?

Schwere Vorwürfe stören die Vorbereitungen der AfD auf die Europawahl. Ein entlassener Mitarbeiter des Spitzenkandidaten Krah soll für China spioniert haben. Auch gegen den AfD-Abgeordneten Bystron wird ermittelt. Welche Folgen haben die Skandale?

17.05.2024
    Der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, im Porträt.
    Der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah: Fertig produzierte Wahlvideos mit ihm sollen nicht ausgestrahlt werden. (picture alliance / SvenSimon / Frank Hoermann)
    Für die AfD könnte der Zeitpunkt kaum schlechter sein. Einige Wochen vor der Europawahl wird ein Mitarbeiter des Spitzenkandidaten Maximilian Krah vom Landeskriminalamt Sachsen festgenommen. Jian G. soll für China spioniert haben. Er sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Krah selbst, der als chinafreundlich gilt, bestreitet jedes Fehlverhalten, seine Partei hält an ihm fest. Auch gegen ihn wird vorermittelt, weil der Verdacht besteht, Geld von Jian G. angenommen zu haben.
    Außerdem wurden Ermittlungen gegen den AfD-Abgeordneten Petr Bystron wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit und Geldwäsche aufgenommen. Seine Immunität wurde aufgehoben.

    Inhalt

    Wie lauten die Vorwürfe?

    Spionage für China: Ein inzwischen ehemaliger Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, sitzt in Untersuchungshaft. Ihm wird Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall vorgeworfen.
    Die Bundesanwaltschaft bezeichnet Jian G. als "Mitarbeiter eines chinesischen Geheimdienstes". Er soll wiederholt "Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europäischen Parlament" weitergegeben haben. Zudem soll er chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht haben.
    Mittlerweile gehen die Sicherheitsbehörden auch dem Verdacht nach, ob Krah über einen längeren Zeitraum Geld von Jian G. erhalten hat. Laut Recherchen von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" sollen Krah persönlich sowie dessen Kanzlei und Abgeordnetenbüro fünfstellige Beträge über mutmaßliche Scheinrechnungen erhalten haben. Dabei soll es sich um Geld aus geheimdienstlichen Quellen in China handeln. Jian G. soll behauptet haben, insgesamt mehr als 50.000 Euro an Krah veranlasst zu haben.
    Geld aus prorussischen Quellen: Dem Bundestagsabgeordneten Petr Bystron, der Nummer zwei der AfD bei der Europawahl, wird vorgeworfen, in den russischen Propaganda-Kanal "Voice of Europe" verwickelt zu sein und von diesem auch Geld angenommen zu haben.
    Der Bundestag hat am 16. Mai 2024 - gegen die Stimmen der AfD - die Immunität des Abgeordneten aufgehoben, worauf die Generalstaatsanwaltschaft München Ermittlungen gegen Bystron eingeleitet hat, wie mehrere Medien berichten. Der Anfangsverdacht lautet auf Bestechlichkeit und Geldwäsche. Laut Generalstaatsanwaltschaft und Landeskriminalamt waren im Rahmen der Ermittlungen Durchsuchungen von Objekten in Berlin und Bayern sowie auf Mallorca geplant.

    Vorermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Dresden

    Auch gegen Krah hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden bereits am 18. April ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet, weil der Verdacht besteht, dass Krah russische Zahlungen aus dem russischen Propaganda-Netzwerk "Voice of Europe" erhalten haben soll. Krah bestreitet, Geld für Interviews bekommen zu haben.
    Die Europäische Union hat "Voice of Europe" sowie drei weiteren russischen Medien am 17. Mai ein Sendeverbot erteilt. Von der Sanktion betroffen sind auch die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti sowie die Zeitungen Iswestija und Rossiskaja Gaseta.

    Wie hat die Partei darauf reagiert?

    Bisher steht die Parteiführung hinter Maximilian Krah. Sie entschied, dass er trotz der Spionagevorwürfe gegen einen seiner Mitarbeiter Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl bleibt. Allerdings mit Einschränkungen: Bei einem Krisengespräch vereinbarten Alice Weidel und Tino Chrupalla mit Krah, dass er auf einen ersten Wahlkampfauftritt verzichtet.
    Außerdem sollen fertig produzierte Wahlvideos mit Krah nicht ausgestrahlt werden. Auch Plakate mit ihm soll es nicht geben. Krah selbst sagt, er habe sich kein persönliches Fehlverhalten vorzuwerfen. Auch Petr Bystron hat alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen.
    Der AfD-Bundestagsabgeordnete Kay Gottschalk sagte im Dlf: "Ich stehe hinter den beiden Kandidaten." Nun sei der Rechtsstaat gefragt, bei dem er allerdings ein Defizit sieht. Man könne die Kandidaten kurz vor einer Wahl nicht einfach so mit Vermutungen überziehen, sagte Gottschalk, das sei ein Eingriff in die Fairness eines Wahlkampfs. 
    Vereinzelt kommen aus der AfD kritische Stimmen zur Strategie der Parteiführung: Die Europaabgeordnete Sylvia Limmer wirft Weidel und Chrupalla vor, nicht die politische Verantwortung zu übernehmen und sich wegzuducken. Krahs Haltung zu China und Russland sei bekannt gewesen, es sei „verstörend“, dass er überhaupt Spitzenkandidat wurde.

    Kann Krah als Spitzenkandidat einfach ausgetauscht werden?

    Wie es für Krah weitergeht, wird davon abhängen, was bei den Ermittlungen gegen seinen Mitarbeiter herauskommt und ob er dabei auch selbst belastet wird. Einfach austauschen kann die AfD ihren Spitzenkandidaten nicht.
    Die Kandidatenliste der AfD wurde fristgerecht eingereicht und kann nicht mehr geändert werden. Das geht nur, wenn ein Kandidat stirbt oder sein passives Wahlrecht verliert. Ein einmal zugelassener Bewerber könne vor der Wahl auch nicht einfach von seiner Kandidatur zurücktreten, heißt es aus dem Büro der Bundeswahlleiterin.

    Kann die Partei die Affäre unbeschadet überstehen?

    Das sicherlich nicht, doch unklar ist, wie groß der Schaden sein wird. Der Autor und Politologe Johannes Hillje sieht die AfD derzeit unter Druck. Die Partei sei nervös, denn es gehe um viel. Durch die Vorwürfe gegen Krah und Bystron komme die Erzählung ins Wanken, die AfD sei die vermeintlich einzige patriotische Kraft im Parteienspektrum, so Hillje.
    Der Dresdner Politologe Steffen Kailitz verweist darauf, dass ähnliche Probleme und Vorwürfe der AfD in der Vergangenheit nicht geschadet haben – so beispielsweise die Einstufung der Partei als gesichert rechtsextremistisch durch Landesverfassungsschutzämter. Sicher sei die derzeitige Situation nicht zum Nutzen der Partei, sagt Kailitz. Doch große Effekte auf das Ergebnis bei der Europawahl erwartet der Forscher nicht.
    Kailitz zufolge reagiert die AfD auf Vorwürfe immer nach dem gleichen Muster - mit der Behauptung, das Ganze werde aufgebauscht und solle der AfD schaden. Auch Krahs persönliche Verteidigungslinie steht. Demnach hat er sich nichts zu Schulden kommen lassen.

    Eine wackelnde Verteidigungsstrategie

    Doch diese Strategie wackelt bereits, analysiert Dlf-Journalistin Nadine Lindner. Sie verweist auf die Vorermittlungen gegen Krah durch die Generalstaatsanwaltschaft Dresden. Erhärte sich der Verdacht gegen Krah, Geld aus russischen und chinesischen Quellen bekommen zu haben, wäre der Rest seiner Glaubwürdigkeit und die der ganzen Parteispitze dahin.

    Welches Verhältnis hat die AfD zu Russland und China?

    Die AfD ist schon öfter wegen ihrer Haltung zu Russland unter Druck geraten. Die Begeisterung einiger AfD-Mandatsträger für den autoritären Führungsstil des russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie Besuche, die teils nicht mit der Parteispitze oder der jeweiligen Fraktion abgesprochen worden waren, sorgten auch intern für Auseinandersetzungen.

    Als Wahlbeobachter nach Russland

    So waren zuletzt in diesem März drei bayerische AfD-Landtagsabgeordnete als Wahlbeobachter nach Russland gereist. Nach scharfer Kritik hatten 2022 drei AfD-Landtagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen eine Reise nach Russland abgebrochen und auf einen ursprünglich geplanten Besuch des besetzten Donbass im Osten der Ukraine verzichtet.
    Für den Publizisten Wolfram Weimer hat die AfD „eine Schwäche für Despoten“. Die Partei „kuschelt mit Putin, mag die chinesische Führung und betreibt deren politische Agenda“, sagt Weimer.
    Die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar war mit einer ähnlichen Begründung 2022 aus der AfD ausgetreten. Die „Anbiederung“ an die „diktatorischen und menschenverachtenden Regime“ in Russland, China und Iran sei einer „aufrechten demokratischen und patriotischen Partei unwürdig“, so Cotar.

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