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AfD-Landesvorsitzender Poggenburg
"Wir haben noch nicht die eine Galionsfigur"

Der überraschende Verzicht auf die Spitzenkandidatur von Frauke Petry für die AfD beim Bundeswahlkampf sei eine klare Aussage, die längst überfällig gewesen sei, sagte André Poggenburg, Landesvorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt im DLF. Grundsätzlich hätte seine Partei keine Galionsfigur und befinde sich noch in einer Findungsphase.

André Poggenburg im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Der ehemalige AfD-Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt, André Poggenburg
    "Es gab hier keinen Machtkampf Björn Höcke gegen Frauke Petry", sagte der AfD-Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt André Poggenburg im DLF. (pa/dpa/arifoto)
    Christiane Kaess: Und am Telefon ist jetzt André Poggenburg, Landesvorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt. Guten Morgen, Herr Poggenburg!
    André Poggenburg: Guten Morgen!
    Kaess: Sie waren ja gegen eine alleinige Spitzenkandidatur von Petry. Das Problem ist jetzt gelöst. Freuen Sie sich?
    Poggenburg: Ich freue mich darüber, dass es jetzt eine klare Aussage gibt. Die war längst überfällig. Worüber ich mich aber nicht freue, ist jetzt, dass Frauke Petry auch gesagt hat, als Bundesvorsitzende steht sie auch nicht in einem Spitzenteam zur Verfügung.
    Kaess: Warum?
    Poggenburg: Weil ich persönlich sie dort als eine wichtige Figur gesehen habe in einem Spitzenteam, egal wie groß oder wie das aufgestellt werden würde. Ich habe sie dort gesehen neben einem Alexander Gauland. Sie steht nicht zur Verfügung, müssen wir respektieren, das ist ganz klar. Aber sie wird ja trotzdem als Bundesvorsitzende neben Jörg Meuthen die AfD maßgeblich mit leiten und führen in einen Bundestagswahlkampf.
    "Wir haben noch nicht die eine Galionsfigur"
    Kaess: Wenn Sie sie für so wichtig halten, warum hatten Sie denn dann so viel Angst vor einer alleinigen Spitzenkandidatin Petry?
    Poggenburg: Keine Angst, sondern es ging darum, einfach die Frage zu klären, soll denn überhaupt eine Person, egal wer das jetzt ist, die AfD allein anführen in einem Bundestagswahlkampf. Und wir sind immer noch eine Partei, die in der Findungsphase ist. Ich denke, das wird auch fünf bis zehn Jahre alles dauern, bis die Findungsphase abgeschlossen ist, und bis dahin steht es uns einfach gut zu Gesicht, uns an der Spitze vertreten zu lassen, gerade in diesem Bundestagswahlkampf in diesem Schicksalsjahr 2017, von mehreren Personen, die auch die mehreren Strömungen abbilden innerhalb der AfD. Wir haben das noch nicht ganz gefunden, wir haben noch nicht die eine Galionsfigur, die jetzt hier beispielsweise 80, 90 oder 100 Prozent der Partei hinter sich vereint. Das ist auch gar nicht schlimm in dieser Findungsphase. Deswegen möchten wir gern, dass ein Spitzenteam die AfD anführt. Das hat weniger mit der einen Person Frauke Petry zu tun, sondern ganz allgemein damit, dass wir ein Spitzenteam möchten.
    Kaess: Eine Strömung ist jetzt nicht mehr vertreten. Wie wollen Sie Frauke Petry ersetzen?
    Poggenburg: Ich denke, Frauke Petry ist keine einzelne Strömung innerhalb der Partei, sondern gerade als eine Bundesvorsitzende hat sie ja die Aufgabe, übergreifend zu agieren. Ich glaube nicht, dass sie eine eigene Strömung –
    Kaess: Sie haben jetzt gerade gesagt, es wäre wichtig, sie im Team gehabt zu haben, um alle Strömungen zu vertreten.
    Poggenburg: Als Bundesvorsitzende im Team gehabt zu haben, und neben ihr eben auch noch weitere –
    Kaess: Bundesvorsitzende ist sie ja weiterhin.
    Poggenburg: Ja, und neben ihr noch weitere Figuren zu haben, die auch die Strömungen abdecken, beispielsweise einen Herrn Gauland, aber auch natürlich jemanden für die wirtschaftsliberale Strömung. Und deswegen möchten wir ein Spitzenteam.
    "In diesem Spitzenteam muss ein Miteinander herrschen"
    Kaess: Jetzt kommt Alice Weidel aus Baden-Württemberg ins Team. Sie hat auch massive Kritik an dem thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke. Sind da neue Streitereien vorprogrammiert?
    Poggenburg: Ganz klar ist eines: Wer immer sich für das Spitzenteam aufstellt, dort Teil sein möchte, dem muss ganz klar sein, in diesem Spitzenteam muss ein Miteinander herrschen. Ich glaube, das wird auch ein ganz großes Anliegen auf dem Bundesparteitag sein, dass gesagt wird, wer dort vorn mit dabei sein möchte, muss wissen, er muss dort mit den anderen Leuten auskommen. Er ist ja gerade deswegen hineingewählt dann, um die verschiedenen Strömungen abzubilden, das heißt, er muss die anderen neben sich auch dann natürlich fördern, muss mit ihnen arbeiten, und es darf da kein Gegeneinander geben, wie wir es ja teilweise leider im Bundesvorstand haben.
    Kaess: Ja. Bisher ist ja nicht viel zu merken von einem Miteinander. Und Frauke Petry will ja auch immer noch auf dem Parteitag diese Abstimmung haben über eine Grundsatzentscheidung über den künftigen Kurs der Partei. Alexander Gauland sagt, den Antrag soll man von der Agenda nehmen. Sehen Sie das auch so?
    Poggenburg: Ich freue mich erst mal darüber, dass eine Frauke Petry ja signalisiert hat, dass sie über den Antrag noch mal nachgedacht hat und bereit ist, ihn in Passagen auch zu ändern. Es ist also vorhandene Kritik auch scheinbar angekommen. Und ganz klar ist eines, hier wird ein Trugbild erzeugt in diesem Antrag, das es so nicht gibt, von wegen, es gibt ja nur zwei Varianten, die sich ausschließen, diesen realpolitischen und diesen fundamentaloppositionellen Weg. Das stimmt so nicht. Die Fundamentalopposition ist jetzt im Moment unsere Rolle, so sehen es auch unsere Wähler. Das ist ein temporärer Teil unseres gesamten realpolitischen Weges. Nichtsdestotrotz wissen wir natürlich auch, dass die AfD früher oder später sicher auch Regierungsverantwortung übernehmen soll und muss. Die Frage ist nur dann, aus welcher Position heraus mit welchen Umständen. Und ich sage, das muss aus einer Position der Stärke heraus passieren und nicht einer voreilig konstruierten Koalitionsfähigkeit.
    "Parteivorsitzende kann Petry auf jeden Fall bleiben"
    Kaess: Über diesen inhaltlichen Kurs können wir gleich noch ein bisschen mehr sprechen. Sagen Sie uns bloß noch, wenn Frauke Petry mit diesem Antrag nicht durchkommt beim Parteitag, kann sie dann noch Parteichefin bleiben, beziehungsweise kann sie mögliche Fraktionsvorsitzende einer möglichen Bundestagsfraktion werden?
    Poggenburg: Parteivorsitzende kann sie auf jeden Fall bleiben. Eine Rolle als Fraktionsvorsitzende in der neuen Bundestagsfraktion ist ja überhaupt noch nicht diskutiert und für irgendjemanden festgelegt. Das muss die Fraktion dann wirklich für sich selbst finden, da sollten wir uns auch gar nicht irgendwie einmischen oder versuchen, da irgendwas zu konstruieren. Die Frage ist quasi dann vollkommen offen, das muss die Fraktion für sich klären dann.
    "Wir sind nun mal noch eine Partei in der Findungsphase"
    Kaess: Dann kommen wir mal zu der inhaltlichen Kritik, die Frauke Petry hatte. Sie sagt, die AfD leide seit Herbst 2015 darunter, dass es keine gemeinsame Strategie gebe. Ich zitiere sie mal. Sie sagt: "So ist das Außenbild der AfD immer wieder durch die unabgestimmte, also für die Parteiführung völlig überraschende maximale Provokation weniger Repräsentanten geprägt." Fühlen Sie sich da angesprochen, oder ist da Ihr Parteikollege Björn Höcke gemeint?
    Poggenburg: Da könnten sicherlich verschiedenste Persönlichkeiten in der AfD angesprochen sein. Im Übrigen trifft das aber auch auf Frauke Petry als Bundesvorsitzende selbst zu. Richtig ist auch, wir sind nun mal noch eine Partei in der Findungsphase, dazu stehen wir auch. Und da gibt es noch keine ganz klare Ausrichtung in einer Strategie.
    Kaess: Aber wie wollen Sie denn in dieser Findungsphase endlich mal weiterkommen, wenn Sie auf die Forderungen, die jetzt im Raum stehen, auch gar nicht eingehen. Frauke Petry fordert zum Beispiel, die AfD solle Rassismus abschwören, genauso wie antisemitischen, völkischen und nationalistischen Ideologien. Was ist dagegen zu sagen?
    Poggenburg: Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen.
    Kaess: Was ist dann falsch an dem Antrag?
    Poggenburg: Das ist aber ein anderer Antrag, über den wir jetzt sprechen. Es gibt ja diesen Zukunftsantrag mit diesen beiden aufgezeigten Varianten des Weges, und es gibt jetzt auch diesen Teil, wo natürlich diesen Dingen abgeschworen werden soll, die Sie gerade genannt haben.
    Kaess: Und das wird durchgehen.
    Poggenburg: Da ist überhaupt nichts dagegen zu sagen. Es gibt nur einen Kritikpunkt vielleicht daran, dass man sagt, der Inhalt dessen, die Forderung dessen erschließt sich ja schon aus unserem Programm. Also warum müssen wir jetzt quasi noch einmal nach außen hin verdeutlichen, was da sowieso selbstverständlich eigentlich ist?
    Kaess: Weil vielleicht die Abgrenzung nach rechts nicht für alle so verständlich ist, wenn Björn Höcke in seiner Dresdener Rede das Holocaust-Mahnmal als "Denkmal der Schande" bezeichnet und eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad fordert?
    Poggenburg: Wir haben ja nun festgestellt, auch in den Medien, dass diese Aussage mit dem Holocaust-Denkmal etwas fehlinterpretiert war. So wie er es sagt, war nun mal der Holocaust und ist der Holocaust eine Schande für Deutschland.
    "Wir sind nicht weiter nach rechts gerückt"
    Kaess: Ja, das ist Ihre Interpretation, die nicht ganz übereinstimmt mit der Forderung nach einer erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad.
    Poggenburg: Ja. Die Frage ist doch ganz einfach die, diesen angeblichen Rechtsruck der AfD gibt es ja seit mittlerweile dreieinhalb Jahren. Theoretisch müssten wir über den rechten Rand schon runtergefallen sein. Ich sage, das ist herbeigeredet, wird von unseren politischen Gegnern natürlich stark herbeigeredet, leider greifen es die Medien manchmal etwas überspitzt dann auch auf. Und die Frage ist immer, wie oft soll man denn erklären über die Jahre hinaus, dass das gar nicht stattfindet? Wir sind nicht weiter nach rechts gerückt. Wir sind eine Volkspartei, die auch starke Randpositionen hat, auch einen starken rechten Rand, das ist vollkommen richtig. Aber ab dort grenzen wir uns nach Rechtsaußen kontinuierlich ab. Ich sage hier nur mal zwei Beispiele: In Thüringen selbst wurde keine Zusammenarbeit mit der Thügida vorgenommen. In Sachsen-Anhalt wurde keine Zusammenarbeit mit der Magida vorgenommen. Beides Gruppierungen, wo wir gesehen haben, von Rechtsaußen unterwandert. Dort machen wir einen ganz klaren Strich. Das ist pragmatische Abgrenzung nach Rechtsaußen.
    "Es gab hier keinen Machtkampf Björn Höcke gegen Frauke Petry"
    Kaess: Ja. Und Sie sind nahe der identitären Bewegung, die eindeutig als rechtsextrem eingestuft wird. Aber ich möchte noch eine andere Frage stellen an dieser Stelle. Was sich gerade in der AfD abspielt, ist das ein Sieg von Björn Höcke gegen Frauke Petry?
    Poggenburg: Nein. Es gab hier keinen Machtkampf Björn Höcke gegen Frauke Petry.
    Kaess: Sie will ihn aus der Partei ausschließen. Das ist kein Machtkampf?
    Poggenburg: Richtig, aber dieses Parteiausschlussverfahren ist ein völlig anderer Sachverhalt als die Entscheidung, jetzt nicht als Spitzenkandidatin in unserem Spitzenteam anzutreten. Und ganz klar ist eines: Auf dem Parteitag wird wohl auch ein Antrag behandelt oder drüber gesprochen, wie soll es denn weitergehen mit dem Parteiausschlussverfahren.
    Kaess: Ist das überhaupt noch relevant, oder ist die Abgrenzung der AfD jetzt nach rechts hin fällig?
    Poggenburg: Das ist relevant, und die Abgrenzung nach rechts gibt es ja von der AfD. Nichtsdestotrotz ist die Frage, ist ein Parteiausschlussverfahren in solch einer Situation überhaupt das richtige Instrument. Und das wird von vielen eben verneint, übrigens auch von Leuten, die jetzt keine großen Fans von Björn Höcke sind, wird gesagt, ganz klar, das ist ein falsches Instrument, was hier angewandt wird. Wir gehen davon aus, dass es im Landesschiedsgericht Thüringen auch abgelehnt wird, dieses Parteiausschlussverfahren. Und danach sollte der Bundesvorstand die Sache auch nicht weiter verfolgen.
    "Höcke wird über Livestream den Parteitag mit verfolge"
    Kaess: Sagen Sie uns noch kurz zum Schluss: Höcke ist beim Parteitag in Köln nicht dabei, er hat Hausverbot in dem Hotel, wo der Parteitag stattfindet. Wie wird er Einfluss nehmen?
    Poggenburg: Persönlich Einfluss nehmen, glaube ich, gar nicht. Er hat ganz einfach gesagt, er nimmt nicht daran teil, freiwillig, hätte man natürlich nicht vorschreiben können. Damit ermöglicht er der Partei, den Parteitag dort durchzuführen. Eine direkte Einflussnahme durch ihn wird nicht passieren. Er wird über Livestream den Parteitag mit verfolgen, davon gehe ich aus. Und ansonsten werden wir schauen, was die Delegierten wünschen und beschließen.
    Kaess: Sagt André Poggenburg, Landesvorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt. Danke für das Gespräch heute Morgen!
    Poggenburg: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.