Der AfD-Sprecher und Europa-Abgeordnete Hans-Olaf Henkel hält die Satzungsänderung der AfD von einem elfköpfigen Vorstand mit drei Sprechern hin zu einem Vorsitzenden für richtig: "Das wird der Partei die nötige Stabilität verleihen", sagte Henkel im Deutschlandfunk. Bernd Lucke werde - sollte er denn im Herbst zum Vorsitzenden der AfD gewählt werden - den Schlingerkurs der Partei beenden.
Die Wahl in Hamburg am 15. Februar werde zeigen, dass die AfD laut Henkel auch im Westen angekommen ist. Sie werde nicht das Schicksal der Piratenpartei erleiden. "Das liegt auch an unseren politischen Leitlinien, die die Menschen überzeugen", so der Europa-Abgeordnete. Zu diesen Leitlinien gehöre auch, dass die AfD auf Abstand zur Pegida-Bewegung gehen müsse: "Ausländerhass darf bei uns keinen Fuß fassen", so Henkel.
Keine Zusammenarbeit mit der Union
Hans-Olaf Henkel sieht langfristig auf Bundesebene keine Zusammenarbeit der AfD mit den Unionsparteien. In der Europapolitik gebe es nicht zu überbrückende Differenzen, vor allem in der Eurokrisen-Politik. Politisch und ökonomisch hätten die Entscheidungen der Vergangenheit nur Schaden angerichtet, sagte Henkel. Vor der Eurokrise sei Deutschland das beliebteste Land in Griechenland gewesen. Heute könne Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nur noch unter Polizeischutz dort hinreisen.
Das Interview in voller Länge:
Peter Kapern: "Drei, zwei, eins, meins" - so könnte Bernd Lucke in den letzten Tagen still vor sich hingezählt haben. Beim Parteitag der AfD in Bremen wurde eine neue Satzung beschlossen. Jetzt hat die Partei mit angeschlossenem Goldhandel noch drei Vorsitzende, ab April dann nur noch zwei und ab Dezember nur noch einen. Und wer zweifelt daran, Stand heute, dass der dann Bernd Lucke heißt? Professioneller soll die Partei damit aufgestellt sein, hat Lucke gesagt. Die "Stümperei im Vorstand" sei damit beendet. Aber gilt das auch für die Auseinandersetzungen um den Kurs der AfD? Wirtschaftsfreundlich eurokritisch, oder national-konservativ islamkritisch?
Der stellvertretende Parteichef der AfD ist Hans-Olaf Henkel, der frühere Präsident des Bundesverbands der Industrie. Er steht für den wirtschaftsliberalen Flügel der Partei und hat mehrfach vehement den Rechtsdrall und den anschmiegsamen Kurs gegenüber Pegida kritisiert. Am Parteitag hat Henkel nicht teilgenommen, weil er in den USA ist. Dort habe ich ihn nach dem Parteitag und vor der Sendung gefragt, ob die Satzungsänderung die AfD voranbringt.
Hans-Olaf Henkel: Ja sicher! Ich begeisterter Segler und ich weiß, wie es ist, wenn einer am Steuer steht und da langen dann immer andere Leute von der Seite ins Ruder und wollen den Kurs des Schiffes verändern, und das ist jetzt nicht mehr möglich. Jetzt haben wir Herrn Lucke hoffentlich am Steuer und dann werden wir auch wieder den Schlingerkurs, der sicherlich in den letzten Wochen zu beobachten war, beenden.
"Ein klassischer Kompromiss"
Kapern: Aber Bernd Lucke hat ja noch nicht alleine das Steuer in der Hand. Von April an soll es ja erst mal zwei Vorsitzende geben, von Dezember an dann nur noch einen. Warum eigentlich dieser Zwischenschritt mit zwei Vorsitzenden, wenn die Partei der Meinung ist, erst mit einem einzigen Vorsitzenden professionell aufgestellt zu sein?
Henkel: Ja, das ist eine sehr berechtigte Frage. Ich war auch nicht dafür, aber das war letzten Endes ein Kompromiss, um die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für diesen Vorschlag zu bekommen, überhaupt zu erhalten. Also ein klassischer Kompromiss, aber es ändert nichts daran, dass wir in Zukunft einen Mann am Steuer haben, der den Kurs bestimmt.
Kapern: Sie haben selbst diesen Parteitag ja nicht mitverfolgen können. Sie waren dort nicht anwesend. Ich weiß nicht, ob in den USA so furchtbar viel über diesen Parteitag in den Medien zu sehen und zu hören war. Ich schildere Ihnen mal einige Eindrücke, die hier die Runde gemacht haben. Da gab es wirklich brachiale Auseinandersetzungen, Pfeifkonzerte, Brüllereien. Das sah alles nicht nach politisch gesitteter Bürgerlichkeit aus. Glauben Sie tatsächlich, dass sich so etwas durch eine Satzungsänderung ändern lässt?
Henkel: Ja, ich glaube schon. Ich habe das natürlich auch von hier verfolgt. Ich habe mich ja mit einer Videoschaltung eingeschaltet dort, vielleicht haben Sie das mitbekommen, und habe für diesen Kompromiss geworben. Aber das ist natürlich für eine neue Partei nichts Außergewöhnliches. Ich erinnere an das Schicksal der Piraten. Aber wir haben aus den Fehlern, die die Piraten gemacht haben, auch gelernt, und ich glaube, dass diese Satzungsänderung tatsächlich einen erheblichen Beitrag zur Stabilisierung dieser Partei leisten wird.
"Dann werden wir irgendwann mal im Bundestag landen"
Kapern: Wenn ein Parteichef seinen beiden Co-Parteichefs attestiert, stümperhaft gearbeitet zu haben, was besagt das über die Zustände an der Parteispitze und über den Umgang der Führungsfiguren miteinander?
Henkel: Na ja, das besagt, dass wir realistisch sind, denn er hat ja völlig recht. Im Übrigen hat er sich ja nicht ausgenommen von dieser Bemerkung. Die zielte ja nicht auf die beiden. Ich bin ja auch Mitglied dieses Vorstandes und wir sind hier insgesamt elf Personen. Und dieses Hin und Her, diese Flügelkämpfe und diese, ich will mal sagen, Unklarheit, was die Führungsspitze in der Zukunft betrifft, die hat sicherlich dazu beigetragen. Ich kann nur immer wieder daran erinnern, ich gehe oft in Konzerte: Ich habe noch nie ein Konzert besucht, wo es drei Dirigenten gab. Da gab es dann immer Misstöne. Und ich glaube, wenn wir drei Bundestrainer gehabt hätten, dann wären wir auch nicht Weltmeister geworden. Also es hängt schon damit zusammen und das Ergebnis ist ja überwältigend gewesen. Die erste Abstimmung zeigte eine Zustimmung zu dieser Einerspitze von etwas über 80 Prozent, und ich glaube, das gibt mir die Hoffnung, dass die AfD auf keinen Fall möchte, das Schicksal der Piraten zu teilen, sondern wir werden am 15. Februar in Hamburg zeigen, dass diese Partei auch im Westen angekommen ist und nicht nur im Osten. Wir haben da bisher nur die Gelegenheit gehabt in Sachsen, Thüringen und Brandenburg zu zeigen, was wir können. Und für mich ist als Hamburger natürlich gerade der Wahlerfolg in Hamburg ganz besonders wichtig, denn es handelt sich da um eine weltoffene, liberale Stadt, und wenn wir in so einer Stadt mit unserem Programm erfolgreich sind, dann werden wir in allen anderen Bundesländern auch erfolgreich sein können und dann werden wir irgendwann mal im Bundestag landen.
Kapern: Sie haben es gesagt: Wahlen stehen in Hamburg an, kurz darauf auch in Bremen. Das führt mich zu der Vermutung, dass potenzielle Wähler vielleicht im Vorfeld dieser Wahlen gern erfahren hätten, wofür die AfD überhaupt steht, wie viel Rechtsnationalismus und wie viel Pegida denn nun in der AfD steckt, und stattdessen hat die AfD der Öffentlichkeit kurz vor den Wahlen nun brachiale Satzungsdebatten geliefert. War das nicht auch stümperhaft?
Henkel: Nein, ganz im Gegenteil. Ich glaube, die Wähler in Hamburg - und ich bin ja da im Wahlkampf sehr engagiert und einer der Gründe, warum ich beim Satzungsparteitag nicht dabei sein konnte, ist, dass ich meine Reisen so einteilen musste, um in Hamburg wieder dabei sein zu können -, gerade diese Unsicherheit über die Parteispitze, auch über den Kurs hätte Wähler in Hamburg und Bremen natürlich verunsichert, und ich glaube, ...
Kapern: Aber es gibt doch keinerlei Klarheit über den künftigen Kurs, Herr Henkel?
Henkel: Doch! Aber selbstverständlich! Wir haben politische Leitlinien. Ich habe immer wieder festgestellt, dass die Journalisten, die immer meinen, sie wüssten, was in dem Programm steht, das Programm nie gelesen haben. Wir haben ein sehr attraktives Europaprogramm mit Alternativen zu vielen Politikfeldern, übrigens nicht nur zur Europakrise, die ja nun Gott sei Dank, möchte ich sagen, auch endlich mal in der Öffentlichkeit richtig wahrgenommen wird, sondern wir befassen uns mit Alternativen zu vielen Politikfeldern. Die finden Sie im Europaprogramm. Ich erlebe immer wieder auf meinen Auftritten auch in Hamburg, dass das da auch ankommt.
Pegida: "Wir müssen Abstand bewahren"
Kapern: Aber, Herr Henkel, was doch überhaupt nicht geklärt ist, das ist doch beispielsweise die Affinität von Teilen der AfD mit rechtsnationalen Strömungen und Bürgerbewegungen, wie sie sich in Dresden auf der Straße zeigen. Da gibt es Vertreter wie Alexander Gauland, die sagen, das ist ein natürlicher Partner für uns, und da gibt es dann Vertreter wie Hans-Olaf Henkel, die sagen, diese blinden Pegida-Passagiere, die müssen das Schiff, das Parteischiff der AfD wieder verlassen. Diese Frage ist doch nach wie vor ungeklärt.
Henkel: Na ja, da haben Sie nicht unrecht. Es gibt diese Unterschiede übrigens in allen Parteien. Ich habe festgestellt, dass Sigmar Gabriel sich auch herangemacht hat an die Pegida und meinte, man müsse mit diesen reden, und auch de Maizière hat gesagt, man müsse Verständnis zeigen. Also ich glaube, das ist parteiübergreifend, diese Unsicherheit, wie man mit diesen Personen fertig wird. Ich habe immer gesagt und ich bleibe dabei und ich fühle mich auch durch die letzten Entwicklungen bei Pegida bestätigt: Wir müssen Abstand bewahren. Und vor allen Dingen wenn man mit diesen Leuten redet, oder wenn man Verständnis zeigt, dann muss man aber auch gleichzeitig klar sagen, wofür man selbst steht. Und wir stehen eindeutig, da gibt es kein Vertun, auch bei Herrn Gauland nicht, wir stehen eindeutig auf der Position unserer politischen Leitlinien. Auch der leiseste Hauch von Ausländerfeindlichkeit darf in der AfD nicht Fuß fassen. Und wenn wir solche Typen haben in der Partei - und ich will gern zugeben, dass wir die hatten und sicherlich den einen oder anderen auch noch haben, dann sollen sie gehen. Übrigens interessanterweise habe ich inzwischen festgestellt, dass nach diesem Beschluss einige Leute ihre Mitgliederausweise wieder abgegeben haben, und das sind genau die Leute, von denen wir uns trennen wollen.
Kapern: Herr Henkel, was denken Sie, wie lange es dauert, bis die Union ihren Abschottungskurs gegenüber der AfD aufgibt und sich für Koalitionen offen zeigt?
Henkel: Na ja, das müssen Sie die Union fragen. Ich persönlich halte überhaupt nichts von einer Zusammenarbeit mit der Union auf Bundesebene, weil uns in einem ganz bestimmten Punkt Welten trennen, und das ist die Euro-Politik, und genau das ist ja der Grund, warum ich mich in dieser Partei so engagiert habe. Denn es wird doch jeden Tag offensichtlicher, dass der Euro ökonomisch und politisch nur Schaden in Europa anrichtet. Ich darf daran erinnern, dass wir vor der Eurokrise das beliebteste Land in Griechenland waren und heute, wenn Frau Merkel da hinfährt, muss sie von Tausenden von Polizisten beschützt werden. Das ist alles eine logische Folge der Euro-Politik, denn Frau Merkel muss natürlich als Vertreterin des möglicherweise größten Gläubigers ihre Nase immer in die inneren Angelegenheiten anderer Länder stecken, und das führt doch nicht zu einem gedeihlichen Zusammenleben in Europa. Das führt genau zum Gegenteil.
Kapern: Sagt Hans-Olaf Henkel, der Europaabgeordnete der Alternative für Deutschland. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.