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Bei AfD-Protestaktion
Journalisten öffentlich an den Pranger gestellt

Auf einer AfD-Kundgebung nennt der Fraktionsvorsitzende Oliver Kirchner die Namen zweier Journalisten. Er selbst sieht sich bedroht. Die Landespressekonferenz spricht von "Hass und Wut", die der Politiker schüre. Und auch im Landtag von Sachsen-Anhalt wird Kritik an ihm laut.

Text: Pia Behme | Niklas Ottersbach im Gespräch mit Sebastian Wellendorf |
Oliver Kirchner, Fraktionsversitzender der AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt, steht im Plenarsaal des Landtages am Rednerpult.
Der AfD-Fraktionschef in Sachsen-Anhalt, Oliver Kirchner, steht für die namentliche Nennung von Journalisten in der Kritik. (picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Klaus-Dietmar Gabbert)
Mehr als 2000 Menschen stehen am Montagabend (5. September) auf dem Domplatz in Magdeburg. Sie sind hier, um gegen die Folgen der Energiekrise zu protestieren. Aufgerufen dazu hat die AfD Sachsen-Anhalt.
Als der AfD-Fraktionsvorsitzende des Landtags von Sachsen-Anhalt, Oliver Kirchner, vor den Protestierenden spricht, nennt er die Namen zweier MDR-Journalisten sowie Details aus ihrem beruflichen Werdegang. Sie zeigten öffentlich ihre Ablehnung gegen die AfD und könnten deshalb nicht neutral berichten, so Kirchner.

Landespressekonferenz: Freie Berichterstattung gefährdet

Die öffentliche Nennung der Namen der Journalisten wird von mehreren Seiten kritisiert. Die Landespressekonferenz (LPK) Sachsen-Anhalt reagiert mit einem offenen Brief, addressiert an den AfD-Fraktionschef. Kirchner habe damit erneut Journalisten und Mitglieder der Landespressekonferenz namentlich aufgerufen und diskreditiert.
Die Landespressekonferenzen sind Zusammenschlüsse landespolitischer Korrespondentinnen und Korrespondenten mit dem Ziel, den Informationsaustausch zwischen Medien und Politik zu unterstützen.
Mit sachlicher Kritik an der Berichterstattung einzelner Medien habe die namentliche Nennung nichts zu tun, so die LPK. Kirchners Äußerungen seien vielmehr geeignet, Journalisten unter erheblichen Druck zu setzen und eine freie Berichterstattung zu behindern.
"Aus unserer Sicht schüren Sie damit Wut und Hass gegen einzelne Medienvertreter und befördern vorsätzlich eine Stimmung, die nur allzu leicht in Gewalt umschlagen kann." Die LPK fordert Kirchner auf, derartige Äußerungen über Mitglieder der Landespressekonferenz oder andere Journalisten zu unterlassen.

Kollegiales Streitgespräch über ein AfD-Interview

Kirchner: "Ich lasse mir das nicht mehr gefallen"

Vor Veröffentlichung des Briefs sagte Kirchner dem Deutschlandfunk, es interessiere ihn nicht, ob sich die Landespressekonferenz mit seinen Äußerungen beschäftige. Die Berichterstattung von einigen Journalisten sei in Ordnung und er wolle nicht alle über einen Kamm scheren. Aber die Historie mancher MDR-Journalisten deute darauf hin, dass sie nicht neutral berichten würden.
Damit bezieht sich Kirchner darauf, dass einer der Reporter früher für die linke Wochenzeitung "Jungle World" geschrieben hatte - allerdings Musikrezensionen und keine Texte über Politik. Der zweite Reporter hatte auf seinem privaten Facebook-Profil einen Button mit der Aufschrift "Fuck AfD". Zu dem Zeitpunkt arbeitete er noch nicht als Journalist. Das Foto hat er später gelöscht.
Die angeblich nicht ausgewogene Berichterstattung führe dazu, dass er mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht werde, so Kirchner. Das lasse er sich nicht mehr gefallen. „Mit Rechtsextremismus habe ich in meinem ganzen Leben noch nichts zu tun gehabt.“ Laut Kirchner ist er es, der bedroht werde.
Der Verfassungsschutz stuft die Bundes-AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Kirchner gehört der AfD seit 2014 an und war Teil der inzwischen offiziell aufgelösten vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften völkischen Bewegung „Der Flügel“.

MDR: Reporter öffentlich an den Pranger gestellt

"Dass Oliver Kirchner zwei unserer Reporter öffentlich an den Pranger stellt, die in der Vergangenheit auch über Kritik an der AfD berichtet haben, entlarvt dieses Vorgehen als unwürdigen Versuch, zwei integre Journalisten zu diskreditieren und sie einzuschüchtern", heißt es in einer Stellungsnahme des MDR. Die Kolleginnen und Kollegen arbeiteten unabhängig und ohne jede Agenda.
Das Vorgehen des AfD-Fraktionsvorsitzenden Kirchner sei undemokratisch und zeige deutlich, dass dieser die Rundfunk- und Pressefreiheit mit Füßen trete, so der MDR weiter. MDR-Intendantin Carola Wille erklärte, es sei inzwischen fast schon trauriger Alltag, dass Journalistinnen und Journalisten - nicht nur vom MDR - auf Demos und anderen Veranstaltungen verbal oder sogar tätlich angegriffen werden.
Auch Politikerinnen und Politiker des Landtags in Sachsen-Anhalt kritisierten Kirchners Äußerungen. Bei der Landtagsdebatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sprach Eva von Angern (Die Linke) von einem Angriff auf die Pressefreiheit. CDU-Fraktionsschef Guide Heuer sagte, die persönliche Diffamierung auf öffentlichen Kundgebungen gehöre sich nicht.