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AfD-Mitglieder im Staatsdienst
Gefahr politischer Einflussnahme

Für die AfD sei es gewinnbringend, wenn sie in ihren Reihen Polizeibeamte, Justizbeamte, Richter habe, sagte der Extremismus-Forscher Alexander Häusler im DLF. Sie könnten AfD-Themen wie Sicherheit, Ordnung und Recht entsprechend vertreten. Es sei fragwürdig, wenn diese Berufsträger in politischen Fällen urteilten.

Alexander Häusler im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Eine Richterrobe hängt am 06.08.2014 in Berlin in einem Raum eines Gerichts auf einem Bügel an einem Schrank neben vielen Aktenordnern.
    Die Grenze zwischen objektiver Beurteilung und politischer Einflussnahme sei wahrscheinlich nicht immer gegeben, sagte Extremismusforscher Häusler mit Blick auf AfD-Richter im DLF. (dpa / Jens Kalaene)
    Tobias Armbrüster: Wie sehr, wie deutlich dürfen sich Richter, Staatsanwälte und Polizeibeamte politisch betätigen? Wie sehr widerspricht eine politische Kandidatur der Vorstellung, dass Menschen in diesen Berufen, in diesen Positionen politisch neutral sein sollten? Solche Fragen werden zurzeit immer häufiger laut im Zusammenhang mit der AfD, mit der Alternative für Deutschland.
    Das ist ja eine Partei, die immer wieder in die Nähe gerückt wird von rechtsextremen Positionen. Inzwischen häufen sich Berichte über Beamte aus dem Justizbereich, die sich für diese Partei engagieren, auch Kandidaturen übernehmen, so wie zum Beispiel ein Oberstaatsanwalt oder eine Richterin, beide in Berlin. Beide kandidieren dort für die AfD für den Bundestag, und das sind nur die prominentesten Fälle.
    Muss man da jetzt genauer hingucken, oder ist die AfD in diesen Fällen eine Partei wie jede andere auch? Darüber wollen wir sprechen mit dem Publizisten und Sozialwissenschaftler Alexander Häusler von der Universität Düsseldorf. Die AfD gehört zu seinen Arbeitsschwerpunkten. Er hat auch ein Buch über die Partei geschrieben. Schönen guten Morgen, Herr Häusler.
    Alexander Häusler: Guten Morgen.
    "Billiger Populismus, der diese Partei insgesamt auch prägt"
    Armbrüster: Herr Häusler, ist das tatsächlich so? Ist die AfD für Justiz- und für Polizeibeamte eine besonders attraktive Partei?
    Häusler: Das kann man so nicht sagen, dass die AfD da eine absolute Sonderstellung hat. Das muss man sagen, auch diese Berufszweige, dass dort Menschen sitzen, die politische Ansichten vertreten, die auch ein Stück weit den Querschnitt der Bevölkerung quasi widerspiegeln. Aber man muss deutlich sagen: Gerade die Gründungszeit der AfD, die am Anfang deutlich auch als Professorenpartei noch unter Bernd Lucke, einem Volkswirtschaftsprofessor, galt, dort spielten natürlich gerade juristische Themen eine besondere Rolle, neben dem Ordnungs- und Sicherheitsthema. Und das hat natürlich auch Leute angezogen, die im weiteren Sinne für Justizrecht beruflich tätig gewesen sind. Insofern mag da schon eine gewisse Sonderstellung durchaus eine Rolle spielen.
    Armbrüster: Die AfD selbst sagt, viele Polizei- und Justizbeamte würden jeden Tag die Missstände erleben, die die AfD seit Jahren anprangert. Ist da etwas dran?
    Häusler: Nein. Das ist natürlich dieser billige Populismus, der diese Partei insgesamt auch prägt, die ja eigentlich immer nur von der Negativskandalisierung lebt. Und das gilt natürlich auch für diese klassischen SOR-Themen, also dieser rechtspopulistische Gleichklang von Sicherheit, Ordnung und Recht. Das sind diese Themen, die diese Partei deutlich bespielt. Und natürlich ist es dann auch gewinnbringend, wenn sie in ihren Reihen Polizeibeamte, Justizbeamte, Richter hat, die das dann entsprechend vertreten. Das war schon bei anderen rechtspopulistischen Vorläuferparteien der Fall gewesen. Ich erinnere an die Schill-Partei des Amtsrichters aus Hamburg, Roland Barnabas Schill, der genau mit diesen Themen gespielt hat. Funktionäre aus dieser Partei sind quasi unter das Dach der AfD geschlüpft. Beispielsweise die Hälfte des Landesverbandes der AfD in Hamburg besteht aus Ex-Schillianern. Wir kannten es früher von den Rechtsaußen-Parteien wie den Republikanern, die auch, so wiesen Untersuchungen darauf hin, ein Gutteil von Polizisten in ihren Reihen hatte. Und auch die Polizei, die in ihren Reihen viele Wähler aufgewiesen hat. Auch viele Republikaner finden wir jetzt unter dem Dach der AfD. Die AfD ist sozusagen eine Sammlungsbewegung für den sich als ordnungsliebend verkleidenden rechten Wutbürger. Und da spielen entsprechend auch diese Berufszweige mit eine Rolle.
    Armbrüster: Jetzt wird die AfD – das muss man dazu immer deutlich sagen – ja nicht offiziell als gefährlich eingestuft. Sie wird auch nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Müssen wir dann da überhaupt genauer hingucken, wenn sich dort Justizbeamte oder Polizisten politisch engagieren?
    "AfD gerät in Teilen ins Visier der Verfassungsschutzbehörden"
    Häusler: Das ist so nicht ganz richtig. Die AfD gerät in Teilen auch schon ins Visier der Verfassungsschutzbehörden, etwa in Sachsen. Und wir haben ja auch zum Beispiel in Sachsen diesen Fall gehabt des Richters Jens Maier, der noch mal diese Problematik verdeutlicht. Es ist ja nicht nur so, dass dort ein Richter nur seine persönliche Meinung vertritt und für eine bestimmte Partei auftritt, was ja sein gutes Recht ist. Sondern die Problematik zeigt sich etwa darin, dass dann ein solcher Richter Urteile fällt, etwa über einen Politikwissenschaftler, Herrn Kailitz, der sich kritisch mit der NPD befasst, was dann scheinbar auch nicht in das Weltbild dieses Richters passt. Da ist die Grenze zwischen objektiver Beurteilung und politischer Einflussnahme durchaus nicht mehr wahrscheinlich gegeben.
    Auch ein anderer Fall aus Mecklenburg-Vorpommern, wo ein Richter, Herr Manthei, im Landesvorstand der Partei sitzt, der zugleich im Amtsgericht Greifswald tätig ist, zeigt die Problematik. (*) Unter der AfD wurde der Schweriner Konsens der demokratischen Parteien gebrochen, dass man nicht mit der NPD zusammenarbeitet. Und in Greifswald, wo dieser Richter auch tätig ist, hat die AfD beispielsweise dann auch für einen Antrag der NPD mitgestimmt. Und das zeigt, dass es dort problematische Entwicklungen gibt, die durchaus die Frage aufwerfen können, ob das noch im Rahmen der Verfassungsmäßigkeit alles geschieht, oder ob nicht auch die Gesinnung in diesen Berufen mit eine durchaus problematische Rolle spielt.
    Armbrüster: Herr Häusler, können Sie diesen Rahmen vielleicht kurz mal skizzieren? Wie offen dürfen sich denn Beamte überhaupt parteipolitisch positionieren?
    Häusler: Da muss man ganz deutlich sagen, der Beamte ist der Objektivität verpflichtet und kann nicht seine privaten politischen Vorstellungswelten, gerade was das Richteramt angeht, in seine Urteile mit einfließen lassen. Das ist deutlich gesetzlich festgelegt. Und da muss man durchaus ein Fragezeichen setzen, wenn gerade solche Berufsträger in Fällen urteilen, wo es explizit um diese politischen Fragen geht. Das zeigt zum Beispiel dieses Thema NPD-Verbot oder die Deutung der Verfassungsfeindlichkeit dieser Partei, diese Auseinandersetzung, die wir auch hatten im Zuge des Verbotsverfahren gegen diese rechtsextreme Partei. Da sind schon die Grenzfälle deutlich.
    Armbrüster: Das heißt ganz klar, es ist nicht in Ordnung, wenn ein Richter solche Überzeugungen in seine Urteile oder in seine Äußerungen im Gerichtssaal einfließen lässt. In seiner Freizeit, außerhalb des Gerichtsgebäudes, darf er dagegen mehr oder weniger politisch sagen, was er möchte, auch auf Parteiveranstaltungen?
    "Sprecher des Landeskriminalamtes Sachsen im Landesvorstand der AfD"
    Häusler: Richtig. Das Recht auf persönliche Meinungsfreiheit gilt natürlich auch für solche Personen, wenn es nicht den verfassungsmäßigen Rahmen verletzt. Wenn man sich allerdings die Rede anguckt, die der Richter Maier von der AfD Sachsen bei dem Auftritt gemacht hat, wo auch Höcke seine berüchtigte Dresdener Rede gehalten hat, dann muss man durchaus ein Fragezeichen daran setzen, wenn man sich diese Inhalte anhört, ob sich dort die demokratische Gesinnung und das Verständnis der Bewältigung der nationalsozialistischen Verbrechen noch wirklich in dieser Rede wiederfindet. Da kann man durchaus begründete Zweifel haben.
    Armbrüster: Herr Häusler, was ist denn Ihr Eindruck? Haben die Innenminister, die zuständigen Minister diese Problematik im Blick, Beamte, die sich in der AfD engagieren?
    Häusler: Ich denke mir schon, dass das so der Fall ist. Natürlich gibt es dort deutliche Unterschiede. Beispielsweise in Sachsen sind diese Entwicklungen lange Zeit eher verniedlicht und verharmlost worden nach dem Motto, in Sachsen haben wir kein Problem mit Rechtsextremismus und haben wir kein Problem mit diesen Tendenzen. Dieser Blick hat sich mittlerweile geändert. Und natürlich muss da auch Politik und Justiz gucken, was sich in den eigenen Reihen tut. Etwa ist es durchaus als bemerkenswert zu bezeichnen, wenn ein Sprecher des Landeskriminalamtes in Sachsen zugleich im Landesvorstand der AfD auftaucht. Zumindest muss diese Personalie Gegenstand öffentlicher Diskussion und Auseinandersetzung sein. Und da muss man sich genauer auseinandersetzen, wo die Grenzen zwischen persönlicher Meinungsfreiheit und beruflicher Tätigkeit sind, und ob die auch noch wirklich gezogen werden.
    Armbrüster: Der Publizist und Extremismus-Forscher Alexander Häusler von der Universität Düsseldorf live hier bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk. Vielen Dank, Herr Häusler, für das Gespräch.
    Häusler: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    (*) Hinweis der Redaktion: Herr Manthei war in den Jahren 2014 bis 2016 gleichzeitig im Landesvorstand der AfD Mecklenburg-Vorpommern, im Kreistag von Vorpommern-Greifswald und Richter in Greifswald. In diese Zeit fiel die Zustimmung der AfD im Kreistag Vorpommern-Greifswald zu einem Antrag der NPD, auf die Herr Häusler im hier verschrifteten Live-Interview Bezug genommen hat. Seit Herbst 2016 ist Herr Manthei Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Er ist seitdem nicht mehr im Landesvorstand der AfD Mecklenburg-Vorpommern und auch nicht mehr Richter in Greifswald.