Bei dem Mitgliederparteitag in Essen rechne er nicht mit einem "Hauen und Stechen", so Kölmel. Er sei dankbar, dass die Partei ihre Querelen beenden könne und hoffe, dass dies "einigermaßen professionell" gelingt. Er selbst unterstütze den Kurs von Parteigründer und -chef Lucke, weil sich dieser den Rechtstendenzen innerhalb der AfD stelle. Petry dagegen stelle sich dieser Aufgabe nicht. Diese stehe dafür, " dass man keine roten Linien hat".
Es gehe aber nicht darum, Mitglieder aus der Partei zu werfen, sondern eine demokratische Entscheidung zu treffen, betonte der Vorsitzende des baden-württembergischen AfD-Landesverbandes. "Wenn Petry vom Platz als Sieger geht, werde ich das akzeptieren und weiter mitarbeiten."
Mit einer Spaltung der AfD rechnet Kölmel aber nicht. Auch die Initiative "Weckruf" habe dies nicht gewollt. Lucke habe damit die Partei stabilisieren wollen.
Das Interview in voller Länge:
Martin Zagatta: Die AfD ist mit einem Machtkampf in ihrer Führung beschäftigt, der seinen Höhepunkt wohl heute bei einem Parteitag in Essen findet. Die Wortführerin des rechten oder nationalkonservativen Parteiflügels, Frauke Petry, will den Parteigründer, den eher wirtschaftsliberalen Bernd Lucke, verdrängen. Ob die AfD damit vor einem Richtungsentscheid oder gar vor der Spaltung steht, das können wir jetzt Bernd Kölmel fragen, den Europaabgeordneten und AfD-Vorsitzenden in Baden-Württemberg. Er gehört, wenn man das so sagen darf, zu den Lucke-Getreuen. Guten Morgen, Herr Kölmel!
Bernd Kölmel: Guten Morgen, Herr Zagatta!
Zagatta: Herr Kölmel, wird das heute bei diesem Parteitag in Essen ein Hauen und Stechen? Auf was sind Sie da eingestellt?
Kölmel: Ich rechne nicht mit einem Hauen und Stechen, sondern ich bin mir ziemlich sicher, dass unsere Mitglieder einerseits jetzt sehr dankbar sind, dass wir auf diesem Parteitag diese Querelen, die wir nun mal haben, beenden können dadurch, dass wir einen handlungsfähigen Bundesvorstand wählen. Und deshalb denke ich, wir werden das einigermaßen professionell über die Bühne bringen und werden dann am Sonntagabend neu durchstarten können.
Zagatta: Wird das so eine Art Showdown, also entweder setzt sich Bernd Lucke an der Parteispitze durch oder Frauke Petry? Zusammen wollen die beiden ja nicht mehr, also einer von beiden muss da wohl jetzt gehen.
Kölmel: Von dem gehe ich jetzt ganz sicher aus, denn die beiden haben jetzt einfach in den letzten Monaten gesehen, dass sie nicht miteinander arbeiten können. Und dann wären die Mitglieder ja ganz schlecht beraten, wenn man jetzt wieder in unterschiedlichen Funktionen beide wählen würde. Von daher gehe ich davon aus: Einer von beiden wird das Rennen machen. Und ich gehe davon aus, dass das Bernd Lucke ist.
"Frauke Petry hat Mitglieder enttäuscht"
Zagatta: Was haben Sie gegen Frauke Petry?
Kölmel: Wir sollten nicht unbedingt davon reden, ob man was gegen jemanden hat, sondern wir als AfD müssen jetzt sehen, dass wir da wieder handlungsfähig werden und da hat sich für mich gezeigt, dass Bernd Lucke eindeutig der wichtigere Mann ist. Und Frauke Petry hat aus meiner Sicht durchaus einige Mitglieder in den letzten Monaten enttäuscht und sollte sich jetzt um ihre Fraktion in Sachsen kümmern, da ist sie immerhin Fraktionsvorsitzende, sie ist dort Landeschefin. Da hat sie, denke ich, den richtigen Platz.
Zagatta: Damit unsere Hörer das verstehen: Womit hat Frauke Petry enttäuscht? Ist sie da Politikern vielleicht zu nahe, die vielleicht zumindest sich von der NPD sich nicht allzu deutlich abgesetzt haben?
Kölmel: Also in der Tat war das mit ein Grund. Sie hat sich da nie Bernd Lucke angeschlossen, der seit einigen Monaten jetzt sagt, wir haben erkannt, erkennen müssen: Einige wenige, aber durchaus namhafte Mitglieder in der Partei, die sympathisieren mit dem sogenannten rechten Rand. Und das ist für uns als Partei gefährlich. Wir haben immer für uns in Anspruch genommen, wir kämpfen gegen die politische Korrektheit, wir wollen keine Denkverbote. Dabei bleibt es natürlich auch. Aber Denkverbote ist was anderes, als - öffentlich noch dazu - in bestimmten Funktionen mit dem rechten Rand ... da einfach die Türen zu öffnen. Das dürfen wir nicht tun, und da hat Bernd Lucke eindeutig gesagt: Diese Aufgabe, die nimmt er wahr. Und Frauke Petry hat das aber nicht gemacht.
Zagatta: Was muss denn dann passieren, wenn sich Bernd Lucke jetzt durchsetzt? Läuft es dann auf Parteiausschlüsse hinaus oder wie wollen Sie das klären?
Kölmel: Das wird zunächst sicher so ablaufen, dass man jetzt mit allen Mitgliedern noch mal klarstellt, für was wir denn überhaupt stehen wollen. Wir sagen ja, wir müssen für uns ein paar wenige rote Linien definieren, wo man eben sagt: Was geht, was geht nicht? Das war ja bisher auch strittig. Frauke Petry zum Beispiel steht dafür, dass man eher keine roten Linien hat. Die müssen wir definieren, dann muss man das mit den Mitgliedern gemeinsam selbstverständlich definieren, und dann aber auch dafür sorgen, dass die eingehalten werden, das heißt, hoffentlich über sinnhafte Diskussionen, aber auch zur Not natürlich mit Parteiordnungsmaßnahmen.
"Wir haben nicht vor, größere Mengen von Mitgliedern aus der Partei zu werfen"
Zagatta: Kann man da von einer Säuberungsaktion sprechen, wenn man es böse ausdrücken will?
Kölmel: Das ist sicher danebengegriffen, wenn Sie mir das gestatten, denn wir haben ja jetzt nicht vor, irgendwie größere Mengen von Mitgliedern aus der Partei zu werfen oder so. Das hat keiner vor, sondern es geht hier um Einzelfälle, die allerdings sehr laut sind, weil wir überzeugt sind davon: Dann haben die Mitglieder auch Orientierungsmarken und werden entsprechend reagieren können.
Zagatta: Was macht Sie denn so sicher, dass Sie sich beziehungsweise Bernd Lucke sich da heute und morgen in Essen durchsetzen werden. Weil die Gegner sind ja überzeugt, sie sind stark genug, um ihn abzusägen?
Kölmel: Sie haben natürlich recht, eine 100-prozentige Sicherheit kann man bei so einem Wahlparteitag nicht haben. Aber ich bin trotzdem in der Tat sehr zuversichtlich, weil das ganze Feedback, das ich jetzt aus wirklich sehr, sehr vielen Gesprächen, Veranstaltungen mitgenommen habe, ist doch eindeutig, dass ich spüre: Eine Mehrheit steht zu Bernd Lucke. Es gibt ja auch eine Umfrage im Moment, die im "Stern" abgedruckt ist, die das auch eindeutig belegt.
Zagatta: Und das wäre dann eine Mehrheit von rund 4.000 Mitgliedern heute. Bei anderen Parteien läuft es ja so ab: Man schickt Delegierte - so war das, glaube ich, auch mal vorgesehen bei Ihnen. Ist das nicht ziemlich chaotisch, was Sie da jetzt veranstalten?
Kölmel: Hoffen wir mal, dass es nicht chaotisch wird. Die Organisation, denke ich, ist ganz gut. Natürlich ist es eine Herausforderung, mit 4.000 Menschen an einem Platz voranzukommen, sodass eben einerseits sich die Mitglieder da nicht überfahren fühlen und gar nicht mehr zu Wort kommen. Andererseits ist es natürlich nicht vorstellbar, dass bei 4.000 Leuten all diejenigen, die gerne was sagen würden, auch zu Wort kommen können. Das gibt die Zeit nicht her.
Zagatta: Herr Kölmel, was machen Sie und was macht Bernd Lucke, wenn er heute den Kürzeren zieht? Können Sie sich dann vorstellen, dann läuft alles weiter, Sie bleiben Europaabgeordneter, er auch so in der Partei irgendwie, unter Frauke Petry?
Kölmel: Ich rede jetzt einfach mal für mich, denn die andere Frage muss natürlich Bernd Lucke entscheiden, aber ich glaube, er macht das ähnlich wie ich, und für mich ist klar: Hier geht es heute um eine demokratische Entscheidung, und die Mehrheit siegt selbstverständlich. Das heißt, wenn Frauke Petry mit den Leuten, die sie unterstützen, hier vom Platz als Sieger gehen, werde ich das selbstverständlich akzeptieren. Und ich werde auch weiterhin mitarbeiten. Allerdings kann es natürlich sein, je nachdem, welche Ausprägung dieser Vorstand hat, dass ich dann auch durchaus einen Schritt zur Seite mache, sage ich mal, weil die ja im Zweifel andere Vorstellungen haben. Dann dürfen die mir beweisen, dass sie das alles ganz gut können, und ich drücke denen die Daumen, werde die, so gut es geht, unterstützen. Aber es hängt sicher davon ab, in welcher Mischung der Vorstand rauskommt.
"Von einer Spaltung reden wir überhaupt gar nicht"
Zagatta: Einen Schritt zur Seite, das heißt aber auch, einen Schritt vielleicht zurück, das heißt, vielleicht auch eine Spaltung der AfD? Wäre das dann für Sie und Leute um Bernd Lucke ein Thema?
Kölmel: Von einer Spaltung reden wir überhaupt gar nicht. Das wird uns zwar durch die Gründung der Initiative Weckruf immer wieder unterstellt, aber der Weckruf hat einen ganz anderen Zweck: Wir wollen ja gerade die Partei stabilisieren, weil wir nämlich in den letzten Monaten durchaus einige Mitglieder hatten, die haben sich nicht mehr wohlgefühlt und sind ausgetreten. Und denen haben wir hier ein Auffangbecken geboten, haben die auch sehr intensiv wahrgenommen. Wir haben ja weit über 4.000 Mitglieder jetzt in diesem Weckruf, das ist schon eine ganz anständige Zahl bei 21.000 Mitgliedern. Und deshalb: nicht Spaltung, auch nicht Parteiaustritt oder sonst irgendwas. Ich sage ja gerade: Je nachdem, wie dieser Vorstand herauskommt, auch wenn Bernd Lucke nicht drin ist, arbeite ich entweder genauso mit wie vorher, oder aber sage dann, wenn die das ganz anders aufziehen wollen: Ich schaue mir das einfach mal an, wie erfolgreich das ist.
Zagatta: Wenn der Vorstand so zusammengesetzt wird, dass Sie damit überhaupt nicht einverstanden sein könnten von dieser Ausrichtung her, wäre dann dieser Weckruf 2015 zumindest mal eine Basis, eine Gruppierung, wo man dann unter Umständen doch vielleicht eine neue Partei ins Auge fassen könnte, oder steht das nicht zur Debatte?
Kölmel: Also ich sage mal, es steht bisher nicht zur Debatte, weil wir ganz bewusst gesagt haben: Das ist nicht der Sinn und Zweck dieses Weckrufs. Und wir gehen auch davon aus, dass wir hier in der AfD unsere politische Heimat haben, die jetzt im Moment ein bisschen einen verschwommenen Kurs hat. Das irritiert natürlich ja auch unsere Wähler, deshalb sind unsere Umfragewerte aktuell auch nicht so gut, wie sie schon waren. Und genau dieses Profil müssen wir wiederherstellen. Das ist unser einziges Ziel, das wir haben, und das verfolgen wir mit großer Macht.
"Zerstrittene Parteien werden vom Wähler gemieden"
Zagatta: Aber bei dieser Zerstrittenheit und bei diesen Umfragen jetzt zuletzt - sind Sie denn überhaupt noch überzeugt, dass die AfD das zum Beispiel im nächsten Frühjahr in Baden-Württemberg in den Landtag schafft?
Kölmel: Ich bin da nach wie vor davon überzeugt. Allerdings müssen wir halt genau jetzt diese Klärung herbeiführen. Es zeigt sich ja immer wieder: Parteien, die zerstritten sind, werden vom Wähler auch gemieden. Kann ich nachvollziehen, habe ich vorher auch gemacht gehabt, als ich eben noch nicht in der AfD war. Man schaut: Wie kommt eine Partei rüber? Und das müssen wir einfach wiederherstellen. Wir müssen wieder glaubhaft unsere Linien aus, sagen wir mal, einem Guss präsentieren. Und dann werden wir es aber auch in Baden-Württemberg in den Landtag schaffen, da bin ich überzeugt davon.
Zagatta: Gehen Sie davon aus, dass Sie dann auch noch Spitzenkandidat sind? Ich frage das deshalb: Bei Ihnen in Baden-Württemberg gibt es ja eine ähnliche Entwicklung wie auf der Bundesebene, also da gibt es ja auch Bestrebungen, die sagen, Bernd Kölmel soll weg, Sie sollen abgewählt werden.
Kölmel: In der Tat gibt es spiegelbildlich die Situation, wie wir sie hier jetzt im Bund haben, in den allermeisten Bundesländern. Da ist Baden-Württemberg keine Ausnahme. Und deshalb, glaube ich, wird es ganz wichtig sein, dass wir nach diesem Bundesparteitag auch in Baden-Württemberg in einen intensiven Dialog eintreten mit unseren Mitgliedern. Und ich persönlich nehme diese Dinge auch gerne sportlich und sage: Die beste Alternative, die wir haben, sollte dann uns in den Landtagswahlkampf führen. Und dann müssen wir mit den Mitgliedern drüber reden: Wenn es jemand besseres gibt als mich, werde ich auch da niemandem im Weg herumstehen.
Zagatta: Rechnen Sie da auch mit einer Kampfabstimmung, ja?
Kölmel: Ehrlich gesagt, bis jetzt gibt es da ganz wenig Signale. Ich weiß zwar, dass es da ein paar Leute gibt, die sagen einfach mal, sie hätten gerne jemand anders, aber es gibt bisher noch keinen, der gesagt hätte, er würde es auch machen wollen.
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