Kommentar zum AfD-Parteitag
Die AfD steht mehr denn je für einen politischen Sonderweg

Im Moment spricht einiges dafür, dass der gute Lauf für die AfD kaum zu stoppen ist. Das wurde auch auf dem Parteitag in Essen deutlich. Umso wichtiger wird die politische Auseinandersetzung mit der AfD, die offensiv geführt werden sollte.

Ein Kommentar von Volker Finthammer | 30.06.2024
Politikerin Alice Weidel (AfD) und Politiker Tino Chrupalla (AfD) zeigen ihre Stimmkarten auf dem 15. Bundesparteitag der Alternative für Deutschland in der Grugahalle in Essen.
Die beiden Bundesvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla wurden auf dem AfD-Parteitag wiedergewählt. Beide traten ohne Gegenkandidaten an und erhielten sehr gute Ergebnisse. (picture alliance / Panama Pictures / Christoph Hardt)
Wenn es eine Konstante auf den bisherigen Parteitagen der Alternative für Deutschland gab, dann war es das Gegeneinander der politischen Lager, wobei sich da in den vergangenen Jahren ohne Frage der rechtsextreme Flügel immer stärker durchgesetzt hat, sowohl personell als auch bei den Inhalten.
Oft genug endeten solche Parteitage mit einer relativen Zerstrittenheit, auch wenn man die Schuld daran gerne den Medien in die Schuhe schieben wollte, um die eigenen Unzulänglichkeiten zu überdecken. Auch dieser Parteitag hätte so laufen können.

Die Causa Krah hat der AfD nicht wesentlich geschadet

Dies vor allem wegen der Causa Krah. Dem Fehlgriff beim Spitzenkandidaten für die Europawahl, der wegen seiner SS-Vergleiche und dem Spionageverdacht in seinem Umfeld zum Schweigen verdonnert wurde. Das hat der Partei geschadet, wenn auch nicht erheblich.
Heute sitzt Krah mit einem sicheren Mandat im EU-Parlament und Björn Höcke spricht schon davon, dass man Wege finden werde, um ihn wieder in die Fraktion zu integrieren. Der rechte Flügel ist da klar und lässt sich nicht vom Weg abbringen. Aber offen ausgetragen wurde das in Essen nicht. Im Gegenteil. Ein Antrag, der gefordert hatte, sich mit dem Fall und dem Verhalten des Bundesvorstand zu beschäftigen, wurde wieder von der Tagesordnung genommen, um Streit zu vermeiden.
Der wesentliche Grund dafür liegt auf der Hand und ist auch den verschiedenen Lagern sehr bewusst. Die AfD hat zurzeit einen guten Lauf, selbst wenn das Ergebnis der Europawahl hinter den eigenen Erwartungen zurückgeblieben ist.

Europawahl: AfD stärkste politische Partei in Ostdeutschland

Aber sie wurde zur zweitstärksten politischen Kraft in Deutschland und in Ostdeutschland die jeweils stärkste politische Partei. Und die Aussicht auf noch erfolgreichere Ergebnisse bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland, die sollten durch diesen Parteitag nicht geschmälert werden.
Im Gegenteil: Die Botschaft von Essen war klar: Wir sind da und wir lassen uns unseren Erfolg nicht nehmen und hoffen auf mehr. Gerade in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.
In dieses Bild passt auch die erfolgreiche Wiederwahl der beiden Bundesvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla. Beide traten ohne Gegenkandidaten an und erhielten sehr gute Ergebnisse, wobei der Ostdeutsche Chrupalla diesmal sogar noch vor Weidel lag.

Billiges Gas scheint wichtiger als Freiheitswille der Ukrainer

In dieser Hinsicht ist die Parteitagsdramaturgie aufgegangen, das steht außer Frage. Aber politisch steht die AfD mehr denn je für einen deutschen Sonderweg, der sich durch eine größere Nähe zu Russland auszeichnen soll.
"Die Ukraine gehört nicht zur EU und nicht zu Europa." Für diese Aussage bekam Alice Weidel den stärksten Beifall von den über 500 Delegierten. Das ist eine politisch Ansage: Die AfD würde Putin die Ukraine gerne feilbieten. Billiges Gas aus Russland scheint ihr wichtiger zu sein, als der Freiheitswille der Menschen in der Ukraine.
Das ist die bittere Konsequenz nationalistischer Engstirnigkeit, und der Kernbestand einer Partei, die auch in Deutschland gerne durchregieren möchte. Vom Aufräumen mit grün-roten Gesellschaftsvorstellungen träumen und sprechen viele in der AfD.
Die Landtagswahlen in Sachen, Thüringen und Brandenburg sollen da ein Exempel statuieren. Und im Moment spricht einiges dafür, dass der gute Lauf für die AfD kaum zu stoppen ist. Daran haben auch die zahlreichen Gegendemonstrationen und politische Aufrufe der letzten Monate nichts geändert.
Umso wichtiger wird die politische Auseinandersetzung mit der AfD, die offensiv geführt werden sollte. Wer den Freiheitswillen der Ukrainer so leichtfällig ignoriert, kann für sich nicht den Anspruch erheben, eine Partei der Freiheit zu sein.
Volker Finthammer
Volker Finthammer, Jahrgang 1963, studierte Politik in Marburg und in Berlin. Nach der Wende erste Radioerfahrungen beim Deutschlandsender Kultur in Ostberlin. Seit 1994 beim Deutschlandradio. Redakteur im Ressort Politik und Hintergrund. Korrespondent im Hauptstadtstudio in Berlin und in Brüssel. CvD in der Chefredaktion von Deutschlandradio Kultur. Seit September 2016 wieder im Hauptstadtstudio in Berlin mit dem Schwerpunkt Wirtschafts- und Sozialpolitik.