Es sollte harmonisch zugehen. Vom Parteitag der Hamburger AfD sollte ein Signal der Geschlossenheit ausgehen. Klare politische Ziele sollten formuliert werden, damit bei der Wahl zur Bürgerschaft am 15. Februar der Einzug ins Stadtparlament gelingen kann. Denn nach Brandenburg, Thüringen und Sachsen hofft die Alternative für Deutschland, in der Hansestadt und damit erstmals in einem westdeutschen Landesparlament Fuß zu fassen. Stattdessen jedoch gab es im November heftigen Streit zwischen dem Hamburger Spitzenkandidaten Jörn Kruse und Claus Döring, einem einfachen Parteimitglied.
"Das Vorgehen der AfD ist kaum zu glauben, es ist wirklich nicht zu glauben! Initiiert durch einen offensichtlichen Amok laufenden Vorsitzende Kruse."
Claus Döring störte sich an der harschen Kritik, mit der sein Landesvorsitzender auf die Kölner Hooligan-Krawalle im vergangenen Herbst reagiert hatte. Döring war in Nordrhein-Westfalen dabei, als sich die sogenannten "Hooligans gegen Salafisten" Auseinandersetzungen mit der Polizei lieferten. Seinen Streit mit dem Vorsitzenden trug er auf offener Bühne aus:
"Es gab keine Gewalt! Es war eine friedliche Demonstration! Die Hooligans sind radikal friedlich gewesen!"
"Sie haben diese Demonstration beklatscht, obwohl sie wussten, dass Gewalt gegen Polizisten geübt worden ist. Ich persönlich halte das für völlig indiskutabel für einen Mandatsträger in unserer Partei!"
Der Eklat auf dem Hamburger Parteitag ist symptomatisch für das Ringen der AfD um eine Haltung zwischen Eurokritik und Rechtsdrall. Der dreitägige Satzungsparteitag, der am Abend in Bremen beginnt, wird aller Voraussicht nach genau von diesen Spannungen zwischen den eurokritischen Wirtschaftsliberalen und den nationalkonservativen sowie rechtspopulistischen Flügeln in der AfD beherrscht sein.
Gerüchte einer möglichen Unterwanderung der jungen Partei durch rechtspopulistische bis stramm rechtsnationale Gruppierungen gibt es seit Gründung der AfD im Februar 2013. Auch dem Hamburger Landesverband und dessen Vorsitzenden ist diese Gefahr bewusst. Immer wieder versichert Jörn Kruse deshalb, dass er eine Unterwanderung nicht zulassen werde. Aus gutem Grund – den der emeritierte Wirtschafts-Professor nach dem Parteitag so formulierte:
"Wir wissen, dass das für unsere Wahlchancen extrem schädlich ist. Und deshalb ist mir der Kamm geschwollen. Weil ich genau weiß, es gibt ganz viele Leute, die arbeiten hart für diese Partei. Und solche rechten Spinner machen uns unsere Wahlchance kaputt. Und da bin, wie ich glaube, zu Recht ärgerlich!"
Mit Rechtspopulisten, betont Kruse, wolle er nichts zu tun haben. Er beschreibt die Hamburger AfD als eine liberale und wertkonservative Partei. Eine Zusammenarbeit mit der rechtsextremen NPD sei undenkbar, und auch bei PEGIDA-Demonstrationen würde er nicht mitmarschieren. Eine klare Haltung. Genauso klar ist die Sicht des AfD-Landesvorsitzenden auf die Flüchtlinge in der Hansestadt. Syrische Kriegsflüchtlinge aufzunehmen, sei ein Gebot von Menschlichkeit und Solidarität. Wenn es aber um andere Flüchtlingsgruppen geht, argumentiert Kruse gar nicht mehr so liberal:
"Es werden zum Beispiel ganz viele Leute, die hier nicht hergehören, nicht abgeschoben. Das ist eine Form von politischer Feigheit, sag ich mal! Einzelne werden abgeschoben, die meisten werden nicht abgeschoben. Die versickern hier. Speziell in Hamburg ist das so. Da kann man sich natürlich fragen: Was machen die hier? Die harmloseste Antwort wäre: Sie arbeiten schwarz. Die weniger harmlose ist: Sie dealen mit Drogen, ernähren sich von Kriminalität. Alles Dinge, die wir nicht haben sollten."
Innere Sicherheit soll gestärkt werden
Spitzenkandidat Kruse versucht einen schwierigen Spagat: mal hanseatisch weltoffene Sprüche, mal rechtspopulistische Parolen. Wobei er verschweigt, dass die Zahl der Abschiebungen proportional zu den Flüchtlingszahlen steigt, das belegen die Statistiken der Hamburger Ausländerbehörde. Eine andere Forderung der AfD: Die Innere Sicherheit solle gestärkt werden: 500 neue Polizisten müssten eingestellt werden, um die Bürger beispielsweise vor Diebesbanden, vor radikalen Islamisten und linksextremen Gewalttätern zu schützen. Tatsächlich wurden laut Hamburger Innenbehörde in den vergangenen vier Jahren rund 1.000 neue Stellen bei der Polizei geschaffen. Für den Politikwissenschaftler Stephan Klecha vom Göttinger Institut für Demokratieforschung steht dann auch fest: Die Hamburger AfD spielt im Wahlkampf mit den Ängsten der Bürger, versucht daraus Profit zu schlagen.
"Dieses Element der Projektionsfläche für Ängste, Unzufriedenheit, was auch immer, ist natürlich ein Erfolgsrezept von neuen Parteien. Und in diesem Falle eben von einer Partei, die sehr bewusst an etwas anschließt, was dort auch schon einmal erfolgsversprechend war. Weil eben die Schill-Partei an 20 Prozent rangekommen ist. Und man weiß dann schon sehr genau, dass es da offensichtlich da etwas gibt, was eben im Hamburger Bürgertum möglicherweise zielführend ist."
Nicht nur inhaltlich und rhetorisch, auch personell knüpft die Hamburger AfD an die rechtspopulistische Partei des einstigen Innensenators Ronald Barnabas Schill an. Fünf ehemalige Schill-Anhänger kandidieren auf der AfD-Liste für die Bürgerschaftswahl Mitte Februar. Darunter der frühere Büroleiter von "Richter Gnadenlos", Dirk Nockemann, der auch schon Mitglied der CDU, der Statt-Partei und der SPD war.
Eine scheinbar erfolgsversprechende Mischung. Denn jüngsten Umfragen nach kann die AfD mit rund sechs Prozent der Stimmen rechnen, womit sie ins Hamburger Stadtparlament einziehen würde.
Eine scheinbar erfolgsversprechende Mischung. Denn jüngsten Umfragen nach kann die AfD mit rund sechs Prozent der Stimmen rechnen, womit sie ins Hamburger Stadtparlament einziehen würde.
Gut zwei Wochen sind es noch bis zur Wahl in der Hansestadt. Und in der heißen Phase des Wahlkampfs verschärft die AfD ihre Forderungen: Erst hieß die Parole auf den Wahlplakaten: "Einwanderung braucht klare Regeln!". Mittlerweile ist zu lesen: "Einwanderung braucht strikte Regeln". Und auch der Ton wird schärfer: Anfang Januar beim Wahlkampfauftakt – wenige Tage nach den terroristischen Anschlägen von Paris – machte Spitzenkandidat Jörn Kruse den Umgang mit dem Islam zum Wahlkampfthema. Es gelte, forderte er, eine strikte Grenze zu ziehen zwischen der großen Mehrzahl der friedlichen und einer Minderheit gewaltbereiter Muslime. Fünf Minuten später erklärte er dann, warum seine Partei das Tragen eines Kopftuchs strikt ablehne:
"Für mich ist das Kopftuch und vielmehr noch alle Formen der Ganzkörperverschleierung und Gesichtsverhüllung erstens ein Symbol der Integrationsverweigerung und zweitens der Frauenverachtung im Islam. Was in einigen Männerhirnen schiefgelaufen ist, dass sie ihre Frauen und Töchter zwingen, als schwarzes Monster durch die Gegend zu laufen, erschließt sich mir nicht."
Stammtischparolen statt Eurokritik. Themen wie Asyl, Innere Sicherheit und Islamismus bestimmen den Wahlkampf der AfD, um den Euro oder das Freihandelsabkommen TTIP geht es in Hamburg nur noch am Rande. Dabei war es vor allem die Kritik an der Euro-Rettungspolitik, die der AfD noch im vergangenen Mai den Weg ins Europäische Parlament ebnete. Auch eine Erklärung dafür, warum in Hamburg ein emeritierter Professor für Ökonomie der Spitzenkandidat ist. Einer, der sich bürgerlich-liberal gibt, aber durchaus auch als Scharfmacher auftritt. Es scheint so, als würde Kruse die Widersprüche in der AfD in seiner Person vereinen. Dazu Stephan Klecha vom Göttinger Institut für Demokratieforschung:
"Dieses zusammenzuhalten, das versucht die AfD und ein großer Teil ihres Führungspersonals, indem man ein sowohl als auch betreibt. Indem man sowohl versucht, in eine bürgerliche Mitte zu zielen, indem man immer wieder bestimmte Aspekte betont, die zum liberalen Common Sense gehören. Als auch – auf der anderen Seite – mit Parolen, die eben im rechtspopulistischen Bereich auf eine gewisse Resonanz und Zustimmung stoßen, zu hantieren und damit zu spielen."
Lucke versucht, das Bild zu korrigieren
Soll nun der Bundesparteitag die Marschrichtung der AfD festklopfen? Oder wird es einen Richtungsstreit geben – so wie derzeit bei Pegida? "Bremen droht Chaos" und "Circus Halligalli" – lauteten typische Schlagzeilen vor dem am Abend beginnenden Treffen. Denn die Bremer Veranstaltung - muss gleichzeitig an zwei Orten stattfinden: Für die über 2.000 angemeldeten Mitglieder reicht der ursprünglich gebuchte Saal allein nicht aus. Die Organisatoren müssen ferner eine gewaltige Antragsflut bewältigen. Hinzu kommt, dass zwei Demonstrationen gegen das Treffen der Alternative für Deutschland geplant sind – mit über 5.000 Protestierern. Dennoch sieht AfD-Parteigründer Bernd Lucke kein Problem für das Wochenende in Bremen.
"Ich denke, dass da alles sehr gut vorbereitet ist - glaube, dass da manche Medien das vielleicht hoffen, dass das bei uns nicht so gut klappt, sie versuchen das schon mal herbei zu schreiben. Aber ich würde sagen: Nun warten Sie doch erst mal ab, ob das Chaos gibt auf unserem Parteitag. Ich hoffe, dass die Mitglieder sich jetzt nicht verunsichern lassen durch diese negative Berichterstattung, aber viele von unseren Mitgliedern werden das vielleicht entsprechend einzuschätzen wissen."
Der Bundessprecher und EU-Abgeordnete der AfD will die Gemüter im Vorfeld beruhigen. Mit Dementis und Medienschelte versucht Lucke das Bild einer taktierenden und zerstrittenen rechtspopulistischen Partei zu korrigieren. Ein Bild, das "Der Spiegel" kürzlich anhand interner AfD-Schreiben nachgezeichnet hat. Es handelt sich um 3.000 dem Magazin zugespielte, vertrauliche E-Mails der AfD-Spitze - auch über einen Richtungsstreit innerhalb der Partei. Trotz der abgedruckten Belege kann Lucke keinen Flügelkampf erkennen.
"Das ist auch gerne vom Spiegel so dargestellt worden, das ist aber kein Machtkampf, sondern das geht hier gelegentlich um politische Meinungsverschiedenheiten, die wir haben. Wie das in einer Partei, die tatsächlich auch pluralistisch ist und innerparteiliche Demokratie hat, eigentlich selbstverständlich sein soll."
Berlin-Mitte, in einem biederen Café Unter den Linden. Schwarze Holztäfelung, große Spiegel und dicke, mokkafarbene Leder-Sitze. In einem Hinterzimmer mit dunkelroten Wänden sitzt ein Mann mit grauen Haaren, Bauch, tiefer Stimme und ruhiger großväterlicher Ausstrahlung: Alexander Gauland. Der gemütliche Eindruck täuscht: Der 73-Jährige ist ein provokanter Politiker. Kürzlich forderte er etwa, keine arabischen Zuwanderer mehr ins Land zu lassen. Der AfD-Fraktionschef im Brandenburger Landtag räumt allerdings einen Flügelstreit ein. Ebenso Differenzen mit Bundessprecher Bernd Lucke.
"Zwischen mir und Herrn Lucke besteht bestimmt ein Unterschied in der Frage, wie man Russland heute einzuschätzen hat. Ich habe großes Verständnis für die russischen außenpolitischen Positionen. Herr Lucke hat dafür ein geringeres."
Das ehemalige CDU- und heutige AfD-Bundesvorstandsmitglied ist eine Schlüsselfigur der nationalkonservativen Parteiströmung. Deren Aktivisten waren bereits im vergangenen Jahr bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen nicht mit dem ursprünglichen wirtschaftsliberalen Kernthema der AfD angetreten - mit der Kritik an der Eurorettung. Stattdessen wurden in den ostdeutschen Bundesländern Ausländer und Asylbewerber zur Zielscheibe.
"Das heißt, dass wir in den Landtagswahlkämpfen die Themen innere Sicherheit, Asylrecht, Zuwanderung in den Vordergrund gestellt haben und damit bei den Wählern gepunktet haben."
Setzen sich in der AfD die Eurokritiker durch oder die noch weiter rechts stehenden Ausländer- und Islamkritiker? Eine Frage, die zahlreiche Fehden im Bundesvorstand auslöste: Bislang gab es in der AfD drei Bundessprecher – Parteigründer Bernd Lucke musste sich immer mit zwei weiteren Sprechern abstimmen. Vor allem mit Frauke Petry, der sächsischen Fraktionschefin. Petry gehört - neben Gauland – zu den nationalkonservativen Anführern. Kein Wunder, dass Lucke schließlich forderte, dass die Partei nur noch einen Sprecher haben sollte - ihn selbst. Auch wenn Lucke die Verkleinerung der AfD-Spitze offiziell mit mehr Effizienz begründete, protestierten die Nationalkonservativen um Petry.
"Es geht mehr darum, wie wir eine breite Basis auch in der Spitze breit repräsentieren. Das haben wir bisher mit der Dreierlösung, der drei Sprecher-Variante, getan. Und ich bin einfach dafür, diese Lösung beizubehalten und jetzt nicht eine Satzungsänderung an dieser Stelle vorzunehmen, die objektiv betrachtet nicht notwendig ist."
Ende Dezember eskalierte der Flügel-Streit. Lucke hatte eigenmächtig ein Treffen der Kreisvorsitzenden anberaumt - ohne Vorstandsbeschluss. Daraufhin warfen Petri und Gauland ihrem Parteigründer einen Führungsstil nach "Gutsherrenart" vor. Lucke zeigt sich davon unbeeindruckt.
"Nein, ich führe die AfD nicht nach Gutsherrenart, sondern ich lasse wirklich alles im Vorstand abstimmen. Obwohl ich der Auffassung bin, dass es mir als Bundessprecher natürlich völlig frei steht, mich mit wem auch immer in der Partei zu treffen, ohne dass mir das vom Vorstand genehmigt wird."
Machtkampf ist noch lange nicht beendet
Mitte Januar einigten sich dann plötzlich beide AfD-Flügel: Auf dem heute beginnenden Parteitag in Bremen soll nun die Satzung so geändert werden, dass es künftig nur noch einen AfD-Sprecher gibt – vermutlich Lucke. Allerdings darf Frauke Petry bis Ende des Jahres ebenfalls Sprecherin bleiben. Bis dahin soll auf einem Extra-Parteitag ein Programm beschlossen werden, wo die Ausrichtung der AfD festgeklopft wird. Hat sich also vorerst der Wirtschaftsliberale Lucke durchgesetzt? Gegenspieler Gauland schüttelt den Kopf.
"Das würde ich so nicht sagen. Herr Lucke (...) muss sich noch ein Jahr gedulden, im Übrigen ist dann ein Programm da, dann ist er an das Programm gebunden. Das war ja die entscheidende Voraussetzung."
Mit der geplanten Satzungsänderung ist der Machtkampf in der AfD-Spitze längst nicht beendet - analysieren Parteienforscher. So geht der Mainzer Politikprofessor Jürgen Falter davon aus, dass Luckes Macht begrenzt bleibt.
"Ich kann mir vorstellen, dass man versucht, ihn einzumauern in programmatische Positionen, die wie Pflöcke eingerammt werden, wo er dann selber nicht mehr in der Weise agieren kann wie er es vielleicht ganz gerne täte. Es ist nicht ganz klar, wer jetzt tatsächlich obsiegt auf den Parteitagen – ob die Kompanien von Lucke die stärkeren sind oder die Bataillone von Gauland und Petry."
Der Wissenschaftler sieht einen weiteren Grund für den jüngsten Kompromiss zwischen den AfD-Flügeln:
"Man hat eingesehen, dass die Partei ohne Lucke sehr geschwächt wäre. Lucke ist nun mal in der Öffentlichkeit das bürgerliche Aushängeschild, das Sprachrohr der Partei, der Mann, der in den Talkshows auftritt, sehr rational argumentiert, praktisch nie als Verlierer davon geht. Also ohne Lucke geht es nicht. Das ist vordergründig ein Sieg für Herrn Lucke. Ich sage vordergründig, da ja noch nicht ausgemacht ist, wo die AfD inhaltlich hin marschieren wird."
"Kommt nach Dresden jeden Montag, bis dass wir als Volk im Bundestag wieder würdig vertreten werden!"
Ein Wegweiser für die Marschrichtung der AfD: ihr Umgang mit Pegida. Die sächsische Fraktionschefin Frauke Petry hat von Anfang an ihre Sympathie mit der islamfeindlichen Protestbewegung bekundet – sie tut es bis heute.
"Es gibt in der Tat thematische Überschneidungen und es ist richtig, dass auch viele AfD-Mitglieder in Dresden mitlaufen."
Nach den Terror-Anschlägen in Paris legte Alexander Gauland noch einmal nach: Die Attacken bewiesen, so der Brandenburger, dass Pegida zu Recht vor dem Islam warne. Allerdings widersprach ihm einen Tag später Kontrahent Bernd Lucke: Man dürfe die Anschläge nicht einer ganzen Religionsgemeinschaft anlasten. Seit dieser Woche ist die Haltung der AfD zu Pegida wieder eine andere. Denn das Organisationsteam der Protestbewegung hat sich zerstritten. Und selbst Alexander Gauland hat ihr den Rücken gekehrt. Für ihn sei – Zitat - "das Thema Pegida erledigt".
"Pegida ist eine Gefahr für die AfD, weil sie sozusagen ein Spaltungselement beinhaltet", glaubt Parteienforscher Jürgen Falter zu wissen. "Dass Menschen austreten aus der AfD, auch aus Führungspositionen. Das gilt beispielsweise für die stellvertretende rheinland-pfälzische Vorsitzende Frau Klingel, die unter anderem wegen der Nähe zu Pegida, und weil sie zu starke konservative bis reaktionäre Strömungen in der AfD sieht, ausgetreten ist."
Für den Experten ist klar: Der Erfolg oder Misserfolg der Alternative für Deutschland wird auch maßgeblich von den – wie die AfD sie nennt - Altparteien abhängen. Über Alternativen zur Politik der Altparteien wird auf dem Bremer Parteitag auch ausführlich diskutiert, am Beispiel der Gesundheitspolitik etwa. Bislang zeigten sich Linke, Grüne und Sozialdemokraten konsequent ablehnend gegenüber der AfD. So geht es im Brandenburger Landtag immer wieder hoch her - etwa wenn die Grüne Ursula Nonnemacher Alexander Gauland attackiert.
"Sie sind der Brandstifter! Sie gehören dazu, dass Klima in diesem Lande unzumutbar zu verschärfen!"
Auch CDU und CSU, die die Konkurrenz um Wählerstimmen im konservativen Lager fürchten, zeigten der AfD bislang die kalte Schulter. Allerdings wollen Teile der Union auf die rechtslastige, islamfeindliche Pegida-Bewegung zugehen. So wie die sächsische Landesregierung unter Ministerpräsident Stanislaw Tillich, CDU.
"Also, da kanalisiert sich etwas am Thema Asyl und Zustrom von Asylsuchenden – und deswegen versuchen wir natürlich auch, auf diese Menschen zuzugehen, um sie letztendlich für uns, für den Dialog zu gewinnen."
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat bereits den Dialog mit den Protestierenden in Dresden gesucht – und heftige Debatten in den eigenen Reihen ausgelöst. Auch wenn Pegida sich mittlerweile gespalten hat, die großen Parteien haben den Politik- und Politikerverdrossenen unter den Pegida-Demonstranten ein gewisses Entgegenkommen gezeigt. Weshalb Politikwissenschaftler Jürgen Falter glaubt, dass zumindest die Union irgendwann auch auf die rechtspopulistische AfD zugehen könnte. Etwa, wenn in einem Landesparlament Stimmen für die Regierungsbildung fehlen. Dann wäre die bis dato geächtete Partei plötzlich gefragt.
"Dann kommt eben dann doch die Situation, wo man sagt: Es stinkt nicht, wenn die mich wählen, es ist ja ohnehin eine geheime Wahl. Und das Wichtige ist, dass ich gewählt werde, die richtige Politik durchzusetzen. Dann können wir die auch schnell wieder vergessen."