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AfD-Parteitag in Augsburg
Selbstzufrieden trotz programmatischer Lücken

Vor ihrem Parteitag verbreitet die AfD Selbstzufriedenheit: Die Umfragewerte in Bayern sind gut, in ihrer Haltung zur Flüchtlingspolitik fühlt sich die AfD bestätigt. Programmatische Leerstellen, etwa bei der Rentenpolitik, sollen in Augsburg weitestgehend ausgeklammert werden.

Von Nadine Lindner |
    Bundestagswahl-Spitzenkandidaten der Partei Alternative für Deutschland (AfD) Alice Weidel (l), und Alexander Gauland, bei einer Pressekonferenz. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa | Verwendung weltweit
    Selbstzufriedenheit vor dem Parteitag: AfD-Spitzenduo Weidel (l.), Gauland (dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Eines wird mit Blick auf die Tagesordnung des Bundesparteitags in Augsburg deutlich: Die Liste mit den unerledigten Hausaufgaben für die AfD ist lang. Sehr lang.
    "Wir haben da erst mal recht unspektakulär einen Arbeitsparteitag."
    Zwei Tage Zeit haben die rund 700 Delegierten, um die Tagesordnung mit 21 Punkten in Augsburg abzuarbeiten, kündigt Co-Parteichef Jörg Meuthen vorab an.
    "Wir haben da einen Haufen Unerledigtes, das trifft schon durchaus zu."
    Die Neuwahl für das Schiedsgericht, Satzungsfragen, Beitragsordnung, Parteistiftung… So viel Klein-Klein ist zu tun, und das in Zeiten, in denen die AfD sehr selbstzufrieden sein könnte …
    Die Große Koalition ist gerade 100 Tage im Amt, die Bilanz durchwachsen bis ernüchternd. Und nun: Der erbittert geführte Streit um die Asylpolitik, der alle anderen Themen in den Schatten stellt.
    Jetzt hat der EU-Gipfel in Brüssel Ergebnisse für die europäische Flüchtlingspolitik geliefert: Sammellager in Nordafrika, geschlossene Auffanglager für Bootsflüchtlinge in der EU und dergleichen mehr wurden in Brüssel vereinbart.
    EU-Gipfelbeschluss: "Wir fühlen uns bestätigt"
    In diesen Punkten muss selbst die AfD Zufriedenheit über die Arbeit der EU einräumen. Der außenpolitische Sprecher der AfD im Bundestag, Armin-Paul Hampel, sagte dazu am Freitagmorgen im Deutschlandfunk:
    "Na ja, es geht in die richtige Richtung. Das ist ja etwas, was wir schon seit mehreren Jahren sagen, dass die Problematik vor den europäischen Grenzen angegangen werden muss."
    Eigentlich war es in den letzten Wochen sehr komfortabel für die Partei: Sie spürte in den vergangenen Wochen angesichts des Asylstreits Wind in den Segeln, konnte die Rolle des zufriedenen Beobachters geben. Denn Fliehkräfte und Spannungen innerhalb der Volksparteien CDU, CSU und SPD wurden sichtbar. Eine gewisse Freude darüber kann der stellvertretende Parteichef Georg Pazderski nicht verbergen…
    "Ja, und zwar dahingehend eine Genugtuung, weil wir uns bestätigt sehen. Unsere Kritik wurde noch vor zwei Jahren, drei Jahren als rassistisch beschimpft. Und jetzt stellen wir fest, dass die anderen Parteien, die CSU, aber auch Teile der CDU, aber auch der FDP merken, dass die AfD schon vor Jahren recht hatte, dass etwas grundlegend schief läuft in Deutschland."
    Pazderskis Deutung der Wählerbewegung lässt an einen Billiardtisch denken – um die anderen Parteien zu bewegen, so Pazderski, stupsten die Wähler halt die Rechtsaußen der AfD an.
    "Der Wähler hat offensichtlich mittlerweile gemerkt, wenn er AfD wählt, bringt er die anderen Parteien in Bewegung."
    Alexander Gauland, der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag, bei einer Rede im Parlament
    Gute Umfragewerte, trotz Gaulands "Fliegenschiss"-Entgleisung (dpa / Silas Stein)
    Die Zustimmungswerte für die AfD sind seit der Bundestagswahl kaum unter das damalige Wahl-Ergebnis von 12,6 Prozent gesunken. Im Gegenteil, in der letzten Umfrage von Infratest kann sich die AfD auf 14 Prozent steigern. Und das trotz jüngster Entgleisungen von Gauland, der mit Bezug auf die NS-Zeit von einem "Vogelschiss" in der deutschen Geschichte gesprochen hatte.
    Dementsprechend fehlt es auch nicht an demonstrativem Selbstbewusstsein, das gilt für die Partei, wie für die Bundestagsfraktion. Am vergangenen Dienstag tritt der parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann vor die Presse. Ein Scheitern der Regierung, mögliche Neuwahlen – für die AfD angeblich kein Schreckensszenario, im Gegenteil:
    "Wir sind immer bereit! Wir können zur Not von heute auf morgen Wahlkampf machen."
    Baumann redet sich bei der Pressekonferenz so in Rage, dass ihn die eigenen Leute ein bisschen bremsen müssen. Der Sommer 2015 sei eine – Zitat – "Kernkatastrophe" für Deutschland gewesen, so Baumann.
    Doch was würde passieren, wenn die Kanzlerin durch den harten CSU-Kurs tatsächlich stürzen würde, also eines der Hauptziele der AfD, Stichwort "Merkel muss weg", tatsächlich geschehen würde? Liefen die Parolen der Alternative dann nicht ins Leere?
    Wohl nicht, denn dieser strategische Schwenk ist bereits eingeläutet.
    "Frau Merkel ist ja nur die Gallionsfigur einer Politik, die völlig gescheitert ist. Und selbst wenn sie jetzt ersetzt würde durch irgendjemand anderes. Die CDU/CSU hat das doch wie Stallgeruch an sich, diese historisch einmalige Grenzöffnung bewirkt zu haben."
    AfD-Themen wirken "destruktiv erfolgreich"
    Den Historiker Volker Weiß, der das Vorgehen der AfD schon länger beobachtet, wundert die Selbstzufriedenheit der Partei nicht.
    In seinem Buch "Die Autoritäre Revolte" beschreibt er einen Verfallsprozess von bürgerlich-konservativer Politik. In der dadurch entstehenden Lücke könnten autoritäre, nationalistisch orientierte Vorstellungen gedeihen. Es stehe, so Weiß, viel auf dem Spiel. Denn, vor den Landtagswahlen in Bayern kann die AfD sich gestärkt fühlen.
    "Die AfD kann darin eine sehr große Chance erkennen. Sie wird sehen, dass ihre Themen destruktiv erfolgreich in der Politik gewirkt haben, dass es tatsächlich gelungen ist, die CSU vor sich herzutreiben, wie man das auch angekündigt hat. Und alles mit diesem einen Thema Flüchtlinge, als bestünde Politik nicht aus wesentlich mehr Themen."
    Mit destruktiv meint der Historiker Weiß die Destabilisierung der politischen Systeme, die auch in anderen europäischen Ländern, wie Italien oder Österreich zu beobachten sei.
    Dass sich die Partei an diesem Wochenende ausgerechnet in Augsburg trifft, ist natürlich kein Zufall. Mit dem Bundesparteitag in der Stadt westlich von München will die Partei Präsenz zeigen vor dem wichtigen Wahltag am 14. Oktober. Doch die Begrüßungsworte kommen laut Tagesordnung nicht von dem bayerischen Spitzenkandidaten, sondern nur von einem bayerischen Spitzenkandidaten.
    Selbstbewusst und selbstzufrieden - trotz interner Querelen
    Der Hintergrund: Der Landesverband konnte sich beim Parteitag im Juni nicht auf einen Kandidaten einigen. Stattdessen sollen diese Aufgabe die Vorsitzenden der sieben Bezirke übernehmen. Der Partei fehlt also das eine unverwechselbare Gesicht für den Wahlkampf.
    AfD-Landeschef Martin Sichert gab sich auf dem Parteitag im Juni in Nürnberg trotzdem selbstbewusst. Thema Asyl, Hauptgegner: die CSU.
    "Die Menschen haben es satt, sich von der CSU verarschen zu lassen. Sie redet immer wieder von Rückführungen. Aber sie sorgt nur auf allen Ebenen für mehr Zuwanderung."
    Doch auch um das bayerische Landtagswahlprogramm der AfD gab es lange Diskussionen, nun soll es überarbeitet und nachgeliefert werden. Der Partei-Vorstand ist unzufrieden mit dieser Situation.
    Kritik kommt etwa von Andreas Kalbitz, Beisitzer im Bundesvorstand und Landeschef in Brandenburg. Er ist Vertreter des rechtsnationalen Flügels der AfD und musste sich schon mehrfach zu seinen Kontakten in die rechtsextreme Szene erklären.
    "Nein, ich persönlich finde den Zustand in Bayern nicht befriedigend. Das ist eine Entscheidung, die die Basis getroffen hat, keinen Spitzenkandidaten aufzustellen. Politisch ganz glücklich finde ich das nicht. Und auch das Programm, das beim Parteitag beschlossen wurde, aber in der Endfassung noch nicht vorliegt, muss schnellstens entschieden werden, es muss schnellstens in den Wahlkampf gegangen werden."
    AfD-Politiker Andreas Kalbitz spricht auf einer Kundgebung
    Parteiinterner Kritiker Andreas Kalbitz, Landesvorsitzender aus Brandenburg (imago / Markus Heine)
    Der stellvertretende Bundesparteivorsitzende Georg Pazderski sieht dagegen kein großes Problem darin, dass das landespolitische Programm noch fehlt. Sein Argument: Die Wähler würden die Themen der AfD ja ohnehin schon kennen:
    "Die Wähler wissen, auch wenn es kein Landtagswahlprogramm gibt, vielleicht jetzt noch kein Landtagswahlprogramm gibt, was sie kriegen, wenn sie AfD wählen."
    Die Sympathisanten unter den Wählern scheint all das Vorwahlchaos tatsächlich kaum zu interessieren. Die Landespartei hat 14 Prozent in den letzten Umfragen – und ist damit zweitstärkste Kraft. Die CSU liegt mit 41 Prozent unter den eigenen Erwartungen.
    Offenbar stabile Zustimmung also in Bayern und im Bund. Und dabei sucht die Partei in vielen Punkten inhaltlich noch ihre Position. Etwa in der Renten- und Sozialpolitik, wo es innerparteilich bislang noch recht unterschiedliche Vorstellungen gibt.
    "Es wird ja viel von der jungen Partei gesprochen. Das kann ich persönlich nicht mehr hören. Weil wir uns gemessen an der Bedeutung, die wir politisch haben, als größte Oppositionspartei keine Konzeptlücken, keine Programmlücken mehr leisten können. Gerade bei so wichtigen Themen wie Rente."
    Bemängelt der Brandenburger Kalbitz. Er hat es eilig, schließlich will er mit einem Rentenkonzept in die Landtagwahlen im Osten ziehen. Im kommenden Jahr stimmen die Bürger in Brandenburg, Sachsen und Thüringen ab. Das hat auch der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke fest im Blick. Anfang Juni sucht der thüringische Landeschef die große Bühne im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin.
    Streitthema Rentenpolitik - nicht auf der Tagesordnung
    "Die erste Kernmaßnahme ist die Erhöhung des Rentenniveaus auf fünfzig Prozent. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Wir brauchen die 50 Prozent, um unseren Rentnern ein würdiges Alter zu ermöglichen."
    Das Rentenniveau liegt aktuell bei 48 Prozent, soll aber bis 2030 auf 43 Prozent sinken. Hinzu kommt, so will es Höcke, die bessere Berücksichtigung von Kindern bei der Rente sowie die Einführung eines staatlich finanzierten Staatsbürgeraufschlags nur für Deutsche.
    Außerdem soll an der staatlichen Förderung der privaten Altersvorsorge gerüttelt werden. Jürgen Pohl, Bundestagsabgeordneter aus Thüringen, Sozialpolitiker und Vertrauter Höckes.
    "Wir sagen, dass die Aufwendungen, die jetzt in die private Altersvorsorge einfließen, nicht zielführend sind und man diskutieren muss, ob die Mittel nicht in die gesetzliche Altersvorsorge einfließen sollen, zur Finanzierung."
    Höcke und Pohl warnen, dass der Osten das Armenhaus Deutschlands wird. Es sind klassische Themen der Linken, präsentiert jetzt von Rechtsaußen in der AfD. Mittlerweile kursieren verschiedene Rentenkonzepte in der Partei. Neben Höckes Idee steht ein Vorstoß von Markus Frohnmeier aus dem Landesverband Baden-Württemberg. Frohnmeier, der zur wirtschaftsliberalen Strömung zählt, setzt auf private Versicherungsmodelle, auf Altersvorsorge aus Kapitalerträgen. Die Arbeitnehmer innerhalb der AfD wiederum wollen ein Zusammenspiel von gesetzlicher, privater und betrieblicher Altersvorsorge. Die Rentenbeiträge sollen bei 20 Prozent gedeckelt werden. Vorbild ist hier: die Schweiz. Ein Finanzkonzept fehlt für alle diese Vorschläge. Die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel, ebenfalls vom wirtschaftsliberalen Flügel, fordert parteiintern, die Besteuerung von Renten zu kippen. Neue Ideen dürften nun auf dem Augsburger Parteitag auch von Parteichef Meuthen kommen. Im Zentrum die Subsidiarität – also die kleine Lösung auf einer untergeordneten Ebene:
    "Subsidiär heißt, da wo Menschen sich nicht selber zu helfen im Stande sind, da ist Staates Aufgabe gefragt."
    Diese Grenze liege beim Existenzminimum. Finanzierungsideen liefert der Parteichef nicht mit...
    "Ordnungspolitische Wegweisung ist schon eher die richtige Formulierung. Bei einem Konzept erwartet man ausgearbeitete Zahlen und konkrete Finanzierungsströme, darum geht es nicht."
    Trotz fehlender Zahlen steht für Meuthen steht schon länger fest: Das gesetzliche Rentensystem "ist so nicht zukunftsfähig und es ist vor allem nicht sozial gerecht".
    Brüchiger Friede innerhalb der Partei
    Höckes Rentenpläne wiederum bezeichnet der Wirtschaftsliberale Meuthen als sozialpaternalistisch. In Augsburg steht das Rententhema noch nicht auf der Tagesordnung, keine Zeit, kein fertiges Konzept. Die Bundesfachausschüsse werden jetzt die verschiedenen Papiere sammeln und für einen Parteitag im kommenden Jahr vorbereiten. Dass sich die AfD hier so schwer tut, liegt auch daran, dass das Thema Rente großen Konfliktstoff für die Partei birgt, sagt der Historiker Volker Weiß.
    "Der Friede ist sehr brüchig innerhalb der Partei, weil die AfD als eine breite Sammlungsbewegung gestartet ist, die sich dann immer weiter radikalisiert hat. Wir sehen aber immer noch unterschiedliche Traditionslinien in der Partei, die teilweise nicht kompatible Inhalte vertreten. Entweder will man privatisieren, wie das klassisch gefordert wurde, oder man will plötzlich ein Konzept der Linken übernehmen."
    Ein älteres Ehepaar geht in Berlin spazieren.
    Sozial- und Rentenpolitik: "Kronjuwel der Linken abjagen" (dpa/Sebastian Gollnow)
    Bislang werden diese Konflikte durch die gemeinsame Ablehnung der Flüchtlingspolitik überlagert. Ziel ist es, sich in einem Jahr, beim übernächsten Parteitag zu einigen.
    "Das heißt, wenn die Partei sechs Jahre alt ist, können vielleicht einmal geschlossene Konzepte vorliegen. Das ist auch eine Bankrotterklärung letztendlich. Und zeigt auch, dass sich die Partei um diese Bereich nicht gekümmert hat."
    Die Sozialpolitik ist ein zentraler Baustein in der Strategie, um im Osten Wähler zu gewinnen, so bläut es Björn Höcke den Mitgliedern und Sympathisanten auf dem sogenannten "Kyffhäuser-Treffen" des nationalistischen "Flügels" Mitte Juni noch mal ein.
    "Die soziale Frage war das Kronjuwel der Linken, es war ihre Existenzgarantie. Und wenn wir als AfD glaubwürdig bleiben und entschlossen bleiben, dann können wir der Linken dieses Kronjuwel jetzt abjagen! Und das sollten wir tun!"
    Höcke ist hier auf dem "Kyffhäuser-Treffen" unangefochtene Nummer eins. Der Machtanspruch der AfD im Osten geht sogar schon so weit, dass sich die AfD ganz konkrete Nachhilfe bei der rechtspopulistischen FPÖ aus Österreich holt. Im Mai hält der Oberösterreichische Landesminister Elmar Podgorschek einen Vortrag in Thüringen – das Thema Staatsumbau in Österreich:
    "Wir müssen den Marsch durch die Institutionen antreten. Wir haben jetzt nach der Übernahme der Bundesregierung beinhart alle Aufsichtsräte und wo es möglich war teilweise die Geschäftsführer der staatlichen und halb-staatlichen Betriebe ausgetauscht."
    Außerdem müsse der staatliche Rundfunk, der ORF - Zitat – "politisch neutralisiert" werden.
    "Ja, herzlichen Dank für die Lehrstunde!"
    Im anschließenden Gespräch mit Höcke erkundigt sich der Thüringer Landeschef beim Freund von der FPÖ:
    "Wie siehst du das hier in Deutschland? Wir diskutieren manchmal über Juniorpartnerschaft, Seniorpartnerschaft… Wir sagen hier als Thüringer, grundsätzlich, dass wir in eine Regierung nur gehen, in der wir das Sagen als Senior-Partner haben, oder siehst du für unsere junge Partei eine andere Möglichkeit?"
    Rechts-Außen Höcke Hoffnungsträger in Thüringen
    Die Debatte um mögliche Koalitionsmodelle ist interessant, denn gerade Björn Höcke betont sonst gern den Bewegungscharakter der AfD. Er sagt, es ist eine Partei, die sich eben nicht anpasst, sich nicht für Macht verbiegen will. Die AfD soll, wenn überhaupt, nur als stärkster Partner in eine Koalition eintreten. Selbstbewusst geht die AfD in Thüringen unter anderem auch deshalb in das kommende Wahljahr, weil ihr Landeschef Björn Höcke in der Partei bleiben darf. Das Ausschlussverfahren gegen ihn ist beendet. Ein Triumph für den Rechts-Außen-Politiker, den er auch auf dem Kyffhäuser-Treffen auskostet – umjubelt von über eintausend Gästen:
    "Liebe Freunde, mit der Beilegung meines PAV ist die Einheit der Partei gesichert."
    In der Parteispitze habe Höckes Beliebtheit durchaus eine Rolle gespielt, räumt Georg Pazderski ein, der die Haltung des Bundesvorstands erläutert, auch wenn die Entscheidung offiziell das Landesschiedsgericht getroffen hat.
    "Herr Höcke hat ja auch in den letzten eineinviertel, eineinhalb Jahren sich deutlich zurückgenommen in bestimmten Dingen. Und auch so was muss man goutieren. Wir sind im Bundesvorstand der Überzeugung, dass das Parteiausschlussverfahren nicht weiter verfolgt werden soll, weil es zum einen auch eine gewisse Spaltung in die Partei getragen hat, das muss man eindeutig sehen, die ist damit unseres Erachtens überwunden ist. Und auch im Hinblick auf die Landtagswahlen im nächsten Jahr ist es wichtig, dass ein solches Verfahren abgeschlossen ist".
    Dass Höcke nun in seiner Rede auf dem Kyffhäuser-Treffen ein sprachliches Bild bemühte, das – so Beobachter, auch Joseph Goebbels verwendet hat – über Wölfe und Schafe, will Pazderski nicht kommentieren. Diese Rede kenne er nicht, sagt er knapp. Doch zurück zum anstehenden Parteitag in Augsburg, der nach Willen der Parteispitze ein Arbeitsparteitag sein soll. Ein Thema könnte dennoch für Streit unter den 700 Delegierten sorgen. Es geht um die Anerkennung einer parteinahen Stiftung. Seit Monaten eine zähe Debatte in den Parteigremien. Denn zwei Vereine konkurrieren um die Anerkennung als parteinahe Stiftung: die libertär-konservative Desiderius-Erasmus-Stiftung unter dem Vorsitz der Ex-CDU-Politikerin Erika Steinbach, Favorit unter anderem von Alice Weidel. Und die Gustav-Stresemann-Stiftung, national-konservativ ausgerichtet, Favorit von Fraktionschef Alexander Gauland.
    Mehr Geld durch Stiftungen?
    "Das wird spannend, weil es auch eine sehr grundsätzliche Frage ist und die Entscheidung ist, wie oft in der AfD, nicht definitiv absehbar", sagt Bundesvorstandsmitglied Andreas Kalbitz, der mit Georg Pazderski und Albrecht Glaser die Stiftungsdiskussion organisiert hat.
    Es ist eine grundsätzliche Frage, weil es für die AfD um viel Geld geht. Gut 580 Millionen Euro fließen pro Jahr an alle politischen Stiftungen, die AfD könnte mit einem hohen zweistelligen Millionenbetrag jährlich profitieren. Es würde eine enorme Stärkung der parteinahen Strukturen bedeuten, es gäbe Geld für Schulungen, Stipendien, Veranstaltungen und Studien zu AfD-nahen Themen. Andreas Kalbitz drängt auf eine Entscheidung:
    "Die Bundestagsfraktion hat 17 Millionen zur Verfügung, die Stiftung dann eventuell 60 plus X."
    Hinzu kommt noch ein Punkt, den Parteivize Pazderski anspricht:
    "Und sicherlich wird die parteinahe Stiftung auch eine Möglichkeit sein für Spender, für Privatspender, dort ihr Geld einzubringen und die Stiftung zu unterstützen."
    Auf dem Tisch der Parteitags-Delegierten liegt jetzt der Antrag des Vorstandes. Der sieht vor, dass beide Stiftungen unter dem Namen Erasmus-Stiftung kooperieren sollen – alle Parteiströmungen – Nationalkonservative und Liberale - sollen über Proporz-Lösungen berücksichtigt werden.
    Hinzu kommen aber drei weitere Anträge. Einer möchte die konkurrierende Stresemann Stiftung ergänzend führen – die Formulierung lautet "als EINE parteinahe Stiftung anerkennen." Andere fordern einen Mitgliederentscheid. Außerdem gibt es in einem anderen Antrag grundlegende Kritik: Das Thema solle von der Tagesordnung, denn die AfD verliere ihre Glaubwürdigkeit. Wenn sie eine eigene Stiftung aufbaue, obwohl sie das bei anderen Parteien kritisiere. Historiker und AfD-Beobachter Weiß sieht Verteilungskämpfe der Parteiströmungen als Hauptursache für den langen Entscheidungsprozess.
    "Solche Stiftungen sind einfach immense Machtmittel, das darf man nicht vergessen. Das sind Multiplikatoren für politische Inhalte, da werden Schulungen organisiert. Es geht also um Posten, Gelder, Einfluss. Das heißt, die Strömung in der Partei, die Zugriff auf diese Stiftungen hat, die kann ihre Inhalte durchsetzen, mit Schulungen, mit Kursen, mit Seminaren usw. Deswegen gibt es ein Hauen und Stechen, wer den Zugriff auf die Stiftung haben wird."
    Eine, keine oder mehrere Parteistiftungen, all das ist derzeit bei der AfD möglich. Ob Augsburg eine Einigung bringt, ist ungewiss. Denn schon innerhalb des Vorstands gibt es sehr unterschiedliche Aussagen dazu, ob es überhaupt zu einer Entscheidung kommt. Kalbitz hofft auf lebendige, aber zivilisierte Debatten:
    "Diesen Lerneffekt weiter zu vollziehen und Show-Down-Effekte auf dem Parteitag zu minimieren."
    Die Pläne der AfD, ob im Bund, Bayern oder im Osten sind groß. Ebenso das demonstrative Selbstbewusstsein in diesen Krisentagen der Großen Koalition. Doch jetzt sitzt die Partei in Augsburg erst einmal vor einem dicken Hausaufgabenheft.