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AfD-Parteitag in Hannover
Provokationen und überraschende Personalien

Der gemäßigte Flügel der AfD hat beim 8. Parteitag in Hannover an Einfluss verloren - das neu gewählte Spitzenpersonal deutet auf einen Rechtsruck hin. Nun ruhen die Hoffnungen auf Alexander Gauland: Er soll als Integrationsfigur alle Strömungen befrieden.

Von Peter Sawicki |
    Das neue AfD-Führungsduo Gauland und Meuthen
    Viele Personalveränderungen auf dem AfD-Parteitag: Das neue Partei-Führungsduo ist Alexander Gauland (links) und Jörg Meuthen (dpa/Julian Stratenschulte)
    Das ferne Dröhnen des Polizeihubschraubers stimmt am frühen Samstagmorgen auf das Geschehen ein. Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen hält die AfD in Hannover ihren Parteitag ab. Der Himmel ist grau, die Temperatur übersteigt den Gefrierpunkt nur knapp. Trotzdem versammeln sich Tausende zum Protestmarsch. Sie erheben die Stimme gegen das Gedankengut, für das die AfD aus ihrer Sicht steht:
    "Das Umfeld macht für mich aus, dass Hetze gegen Ausländer stattfindet. Meine Kinder sind in einem Kindergarten mit 50 Prozent Migrantenanteil. Und ich kann es nicht verstehen, dass – wo Kinder das Problem gar nicht sehen, wieso haben wir Erwachsene das Problem?"
    Neu-AfD-lerin will andere Parteien zum "Betteln" bringen
    Im Kongresszentrum soll ein Eröffnungsfilm den Ton setzen. Pathetische Musik ergänzt Hochglanzbilder der Städte, deren Parlamente die AfD erobert hat. Zu sehen sind auch graue Aufnahmen verschleierter Frauen und ein Obdachloser, der Flaschen aus Mülleimern fischt. Deutschland Ende 2017 aus Sicht der AfD:
    "Meine sehr geehrten Damen und Herren – und nun endlich auch hochgeschätzte anwesende neue Mitglieder des Deutschen Bundestages."
    Parteichef Jörg Meuthen spricht seine Grußworte, er lässt die letzten Wahlerfolge Revue passieren. Seine Wiederwahl ist auf dem Parteitag aber eher Randnotiz. Aufmerksamkeit erregt vor allem eine Neu-AfD-lerin aus Kiel:
    "Die Bürger draußen möchten eine starke AfD. Und ich wünsche nicht, dass ich Koalitionsgespräche anbieten muss – sondern dass die anderen uns um Koalitionsgespräche betteln!"
    Sayn-Wittgenstein sympathisiert mit Identitären
    Doris von Sayn-Wittgenstein, streng gebundene blonde Haare, Perlenohrringe und Sympathisantin der Identitären Bewegung. Sie bringt den Rechtsaußenflügel um Björn Höcke zum Beben. Und sie versperrt dem Pragmatiker Georg Pazderski den Weg an die Parteispitze. Weswegen Alexander Gauland in die Bresche springt.
    Die Höcke-Anhänger zeigen in Hannover Präsenz. Die Botschaft könnte lauten: Bloß nicht zu schnell in Regierungsverantwortung, lieber weiter als Protestbewegung das Land aufmischen.
    Spürbar ist auch der Hang zur Provokation. Kay Gottschalk, Bundestagsabgeordneter aus NRW, tut sich besonders hervor. Gottschalk erkämpft sich einen Platz als stellvertretender Vorsitzender. Kapitalismuskritik zählt auch zu seinem Repertoire:
    "Und meine Damen und Herren, dazu gehört eben auch, zu dieser sozialen Gerechtigkeit, dass Großkonzerne entsprechend hier ihre Steuern zu zahlen haben. Und dass nicht Herr Schulz, Herr Juncker und die ganze verschissene EU dazu beiträgt, dass wir Steuerschlupflöcher in Irland haben!"
    Gemäßigte seien fassungslos gewesen, heißt es
    Ähnlich wie Sayn-Wittgenstein erhält Gottschalk reichlich Applaus – im Gegensatz zu Georg Pazderski, für den es nur zu einem Stellvertreterposten reicht. Bedeutet das neue Spitzenpersonal einen Rechtsruck?
    Die gemäßigten unter den Delegierten seien fassungslos gewesen, wollen Beobachter erfahren haben. Als gemäßigt sieht sich etwa die Alternative Mitte, eine noch junge Gruppierung. Bei deren NRW-Sprecher Berengar Elsner von Gronow hört sich die Sorge vor dem Rechtsaußen-Flügel so an:
    "Die Sorge gibt's immer. Denn da wir nicht wie bei anderen Parteien eine feste Vorgabe machen, ist es immer etwas offen, wie dann die Delegierten diesen Fall dann demokratisch entscheiden. Und da kann natürlich auch jeder kandidieren. Und wenn er sich gut verkaufen kann, ist das immer für eine Überraschung gut. Aber mit dem Ergebnis bin ich am Ende zufrieden."
    Ein Satz, der häufig zu hören ist. Die Hoffnung ruht auf Alexander Gauland – er soll als Integrationsfigur alle Strömungen befrieden.
    Abschlussreden des künftigen Spitzenduos fallen aus
    Inhaltlich hat der Parteitag wenig zu bieten. Die Delegierten verfangen sich häufig im formalen Klein-Klein. Die Abschlussreden des künftigen Spitzenduos Gauland und Meuthen fallen am Ende sogar aus. Letzterem fällt trotzdem noch ein, denen zu danken, die die Partei an dem Wochenende vor der Außenwelt geschützt haben:
    "Ein wichtiges Wort noch: Wir möchten im Namen des Bundesvorstands, und ich denke der ganzen Versammlung, der Polizei einen ganz, ganz herzlichen Dank sagen für die Arbeit, die sie da draußen für uns getan haben gegenüber Zeitgenossen, denen wir alle nicht begegnen möchten."