Kommentar zum AfD-Urteil
Prozess-Strategie der Partei nicht aufgegangen

Das Urteil von Münster zur AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall bringe etwas mehr juristische Klarheit, kommentiert Nadine Lindner. Von der politischen Auseinandersetzung mit den Inhalten der Partei entbinde es nicht. Ganz im Gegenteil.

Ein Kommentar von Nadine Lindner | 13.05.2024
Wahlplakat der AfD zur Bundestagswahl 2021
Die Prozess-Strategie der AfD sei nicht aufgegangen, meint Nadine Lindner. Stattdessen habe sie sich in Widersprüchen verheddert. (imago images / Jan Huebner )
Die AfD als Gesamtpartei bleibt Verdachtsfall für Rechtsextremismus, das ist die Essenz der Entscheidung von Münster. Es ist kein überraschendes Urteil, im Gegenteil. Selbst die AfD hatte in Vorfeld nicht mehr damit gerechnet, vor dem Oberverwaltungsgericht „noch einen Blumentopf zu gewinnen“.
Wenn der Rauchmelder schrillt, muss man schauen, ob es wirklich brennt oder nicht. Mit diesem Bild beschrieb der vorsitzende Richter sein Verständnis für die Beobachtung von Parteien durch den Verfassungsschutz.

Keine parteipolitischen Motive

Dabei dürfte ein zentraler Satz aus der mündlichen Urteilsbegründung besonders in den Ohren der AfD und ihren Anhängern schmerzen. Denn das Gericht hat dem Verfassungsschutz bescheinigt, nicht aus parteipolitischen Motiven gehandelt zu haben. Für sachwidrige Motive gibt es keine Anhaltspunkte, heißt es da in feinstem Juristen-Deutsch. Das widerspricht grundlegend der mantra-artigen Kritik vom politisch gesteuerten Verfassungsschutz. Ob das bis zur AfD und ihren Anhängern durchdringt – fraglich.
Die Prozess-Strategie der AfD ist nicht aufgegangen. Stattdessen hat sie sich in Widersprüchen verheddert. Besonders aufsehenerregend war der Auftritt von drei AfD-Parteimitgliedern mit Migrationshintergrund. Sie sollten bezeugen, dass es in der AfD keinen Rassismus gebe. Angesichts der Tatsache, dass die AfD in den sieben zähen Verhandlungstagen sonst stets darauf gepocht hat, nicht aufgrund von Einzelaussagen bewertet zu werden, ein völlig widersprüchliches Verhalten.

AfD zeigt Verachtung für Justiz

Die Reaktionen auf das Urteil von Münster aus Reihen der AfD sind zudem teils haarsträubend und sprechen Bände über das Verhältnis der AfD zur unabhängigen Justiz. Ein Unrechtsurteil – Deutschland sei kein Rechtsstaat zetert Beatrix von Storch, andere wittern politische Motivation, dass das Urteil noch vor der Europawahl komme, sei keine Überraschung.
Besser lässt sich kaum belegen, wie verächtlich teils über die Arbeit von Richterinnen und Richtern gedacht wird, wenn ein Urteil nicht wie gewünscht ausfällt. Die Partei, die sonst so gern selbst für sich in Anspruch nimmt, Rechtsstaatspartei zu sein, zeigt hier ihr wahres Gesicht. Und dürfte damit weitere Belege für den Verfassungsschutz liefern.
Aber es gibt in der mündlichen Urteilsbegründung auch bemerkenswerte Zwischentöne, die sich alle in der bereits anlaufenden Debatte zu Herzen nehmen sollten, das heißt, einen kühlen Kopf bewahren sollten. Denn die Richter weisen darauf hin, dass in Münster nur über die Frage des Verdachtsfalls entschieden wurde. Das müsse nicht zwangsläufig zur Hochstufung zur gesichert extremistischen Bestrebung führen. Das sollten sich all jene zu Herzen nehmen, die nur Minuten nach der Entscheidung wieder die Trommel des Parteienverbots schlagen.
Das Urteil von Münster bringt etwas mehr juristische Klarheit, von der politischen Auseinandersetzung mit den Inhalten der AfD entbindet es nicht. Im Gegenteil.