Direkt am Rhein, im Kölner Stadtteil Deutz, gegenüber dem Dom, liegt, wie ein großes Rechteck aus Glas, das Gebäude des Landschaftsverbands Rheinland, kurz LVR. Ein Kommunalverband, der im ganzen Rheinland Aufgaben unter anderem in der Behinderten- und Jugendhilfe übernimmt. Arbeitgeber für rund 18.000 Beschäftigte, auch Thomas Traeder hat hier sein Büro.
"Also, ich war kulturpolitischer Sprecher der AfD in Nordrhein-Westfalen von 2016 bis 2017, ich war Fraktionsgeschäftsführer der AfD in der Kölner Ratsfraktion."
Traeder, blauer Pullover, blonde, strähnige Haare, große Brille mit schwarzem Gestell, gerät in Fahrt:
"Ich war Beisitzer im Kreisvorstand in Köln, ich war Sprecher des Stadtbezirks Innenstadt Köln, ich war Vorsitzender des Landesschiedsgerichts der Jungen Alternative in Nordrhein-Westfalen."
Doch das alles ist nun Geschichte: Am 25. Januar trat Traeder aus der AfD aus. Nach drei Jahren und vier Monaten. Der Fall des baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon und seine anti-semitischen Thesen, die Verwendung des Begriffs "völkisch", die Ausführungen von Thüringens AfD-Fraktionschef Björn Höcke - Traeder kam ins Grübeln:
"Und ich habe dann eben gesagt: Ich schätze so, dass zumindest ein Drittel der Mitglieder antisemitische Tendenzen haben. Darauf wurde mir gesagt, dass ich ja so tue, als ob ich selber Jude wäre und man mir auf den Schlips getreten hätte."
Partei bot Aufstiegsmöglichkeiten
Traeder störten noch andere Dinge:
"Es geht nicht nur um Antisemitismus, es geht um den Umgang mit behinderten Menschen. Dass Leuten vorgeworfen wird innerhalb der Partei, dass sie behinderte Kinder haben. Dass das Wort "behindert" als Schimpfwort benutzt wird innerhalb der Partei und darüber hinaus auch eine vollkommene Undifferenziertheit beim Thema Islamisierung, weil wenn man am Ende nur noch draufhaut und dann auch immer Sachen behauptet, die gar nicht stimmen, dann tut man der Sache auch gar keinen Gefallen."
Dabei waren es die Themen Islam und Einwanderung, die Traeder im Herbst 2013 – direkt nach der Bundestagswahl – zur AfD brachten: Ursprünglich stammt er aus einem linken Elternhaus in Detmold, war zwölf Jahre lang Mitglied bei den Grünen. Der studierte Politikwissenschaftler arbeitete als Büroleiter bei einem türkisch-kurdischen Theater in Köln und auch bei einem Tochterunternehmen des Deutschlandradios, betreute drei Jahre lang Stände auf Messen und bei Veranstaltungen. Doch die junge Partei bot Aufstiegsmöglichkeiten:
"Ab Sommer 2014 war ich beschäftigt bei der Ratsfraktion in Köln. Und dann eben auch später in der Landschaftsversammlung Rheinland. Und das ist dann zu dem Zeitpunkt mein Beruf geworden."
Vielleicht ist Traeder nicht der klassische AfD-Funktionär – und doch lassen sich an dieser Personalie einige prototypische Entwicklungen aufzeigen. Zum einen die Haltung in der Flüchtlingsfrage als Beweggrund die AfD zu unterstützen, zum anderen die beruflichen, auch finanziellen, Möglichkeiten, die sich durch das Aufkommen der jungen Partei ergeben. Und, zu guter Letzt, eine Art Wagenburg-Effekt:
"Wenn man immer auf diesen Leuten drauf rumhaut und von Anfang an schon bei Bernd Lucke sagt: Das ist ein Nazi in Nadelstreifen. Dass sich dann irgendwann mal auch eine Trotzreaktion ergibt. Also, man kennt das ja auch aus der Psychologie. Projektion. Dass, wenn man Sachen auf andere projiziert, dass sich die Person dann irgendwann doch auch danach verhalten, so wie man im Vorhinein auf sie projiziert hat."
"Thomas Traeder ist sicherlich ein gutes Beispiel dafür, wie bunt die Mitgliedschaft der AfD doch ist."
Roger Beckamp, Fraktionsvorsitzender der AfD im Kölner Stadtrat, war Traeders Chef als Fraktionsgeschäftsführer. Der Rechtsanwalt für Immobilienrecht, Jahrgang 1975, sitzt in seinem Büro und redet noch immer im Präsens über seinen Ex-Mitarbeiter, den Ex-Grünen und nun Ex-AfD-ler:
"Er ist ein Beispiel dafür, wie sich Leute von bisher, ja, mehr oder weniger etablierten Parteien, Alt-Parteien in Anführungszeichen abwenden können und den Weg zur AfD finden."
Fehlende Alternative in der Politik
Beckamp wird im Mai wohl für die AfD in den nordrhein-westfälischen Landtag einziehen. Auf die viel zitierte Dresdner Höcke-Rede oder nationalistische, rechte Tendenzen in der AfD angesprochen sagt er schlicht, er sei auch nicht immer mit allem einverstanden. Zu Traeders Punkten will er sich nicht äußern:
"Thomas Traeder hat es leider versäumt, oder es war ihm auch nicht wichtig, ich weiß es nicht, das ist dann wiederum schade, das mit uns konkret zu besprechen, so dass wir für uns vielleicht mitnehmen können, insofern ist es, ehrlich gesagt, auch ein stückweit tragisch, wie es gelaufen ist."
Traeder wiederum sagt, er könne nicht immer wieder Dasselbe wiederholen. Bis zum 28. Februar bekommt er, obwohl von seinen Aufgaben in der Fraktion freigestellt, noch Geld von der AfD. Und dann?
"… ich werde mich jetzt bald immatrikulieren an der Universität und eine Dissertation über die Thematik Alternative für Deutschland auch in Bezug auf Antisemitismus und andere Themen anzugehen und dann muss ich mir selbst andere Perspektiven überlegen."
Politische werden es wohl eher nicht sein:
"Wenn man sich politisch engagieren will, bleibt einem entweder die CDU übrig, die keine Obergrenze will – oder die AfD, die mit Herrn Höcke das völkische Deutschland wiedereröffnen will und dazwischen gibt es gar nichts. Das ist halt irgendwie traurig."
Seine Stimme – bei den anstehenden Wahlen in NRW und auch im Bund - werde die AfD nicht bekommen. Aber:
"Ich bin schon der Meinung, dass die AfD immer eine Gegenreaktion gegenüber Fehlentwicklungen war beim Thema Einwanderung. Dass sie jetzt aber zum Teil des Problems wird, weil sie einfach zu radikal geworden ist und weil man zu viele Menschen, die eigentlich guten Willens sind, vor den Kopf stößt."