Mitte April. Dietmar Bartsch, der Fraktionsvorsitzende der Links-Partei im Bundestag, fordert in der Tagesschau einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Treuhandanstalt. Die Begründung: "Weil es darum geht Verantwortlichkeiten zu benennen und weil es darum geht Befriedung in den Ländern herzustellen. Weiter ist es so, dass viele Wunden klaffen und viele dieser Wunden wurden von der Treuhandanstalt gerissen."
Wenig später, am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, eine Kundgebung der thüringischen AfD in Erfurt. Björn Höcke, thüringischer AfD-Vorsitzender und Wortführer des AfD-Rechtsaußen-Netzwerks "Flügel" tritt auf die Bühne:
"Die Verelendung und Heimatzerstörung hier bei uns hat einen Namen. Dieser Name lautet Treuhand. Und die Machenschaften dieser Treuhand gehören rücksichtslos aufgeklärt."
Die AfD kündigte anschließend auch Untersuchungsausschüsse in Brandenburg, Sachsen und Thüringen an, allerdings erst nach den Landtagswahlen.
Im Bundestag verfolgen sie eine widersprüchliche Strategie. Auf der einen Seite könnten sie sich sogar vorstellen dem Antrag der Linken von Ende April zuzustimmen. Auf der anderen Seite hat die AfD zwei Tage vor der Debatte gestern noch schnell einen eigenen Antrag eingebracht. Die Unterschiede zwischen den beiden Anträgen – marginal.
Erster Redner gestern im Bundestag war: Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch, an dritter Stelle folgte der ostpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Jürgen Pohl. Hier erst Bartsch dann Pohl abwechselnd mit ausgewählten Statements:
"Die Treuhand-Wunde klafft tief bis heute."
"Meine Damen und Herren die Arbeit der Treuhand hat tiefe Wunden in Ostdeutschland und ihrer Seele gerissen."
"Und es ist eine Frage des Respekts gegenüber Millionen Menschen, die damals arbeitslos wurden und deren Lebensleistung über Nacht als marode abqualifiziert wurde, diese Zeit parlamentarisch aufzuarbeiten."
"In unzähligen Fällen mussten die Ostdeutschen ihr Lebenswerk für eine Mark hergeben. Für eine Mark wurden ihre Lebensläufe entwertet."
AfD und Linke haben das gleiche Ziel: einen Untersuchungsausschuss zur Treuhand, der die Arbeit der Treuhandanstalt bei der Privatisierung der DDR-Staatswirtschaft aufarbeitet. Warum ist dieses Thema 30 Jahre nach dem Mauerfall für die Opposition so interessant?
Wahltaktik der Parteien
AfD und Linke ringen derzeit um die Vorherrschaft in Ostdeutschland. Darum, wer nach den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen die Regionalpartei in den neuen Bundesländern wird. Für die Linke keine einfache Situation: Denn die AfD läuft ihr nicht erst seit den Europawahlen den Status der Kümmerer-Partei im Osten ab. Nun besetzt die AfD eines ihrer Themen, das viele Wähler im Osten noch umtreibt – den Umgang mit dem Leben in der DDR und dem Schock, der nach der Wende kam durch Arbeitslosigkeit und Strukturbrüche.
Der Wunsch nach einem Treuhand-Untersuchungsausschuss ist Wahltaktik vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland vermutete daher auch Linda Teuteberg, FDP-Generalsekretärin mit Wahlkreis in Potsdam, hinter den Anträgen:
"Linke und AfD sind sich in einem einig: Die Treuhandanstalt ist Schuld. Und das kann auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier zwei Parteien darum ringen, sich als alleiniger Hüter ostdeutscher Befindlichkeiten und Interessen vor diesen Wahlen zu profilieren."
Die FDP will deshalb weder Linke noch AfD bei einem Untersuchungsausschuss unterstützen. Ja, es gebe einen großen Bedarf an gesellschaftlicher Aufarbeitung, sagte zwar auch Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar. Doch ein Untersuchungsausschuss sei das falsche Instrument.
Es sieht also schlecht aus für die Pläne von AfD und Linken - beide Parteien sind auf die Unterstützung anderer Fraktionen angewiesen. Denn: Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist ein Quorum von einem Viertel der Bundestags-Abgeordneten nötig. Selbst gemeinsam würden AfD und Linken noch 18 Stimmen fehlen.
Abstimmung erst nach Sommerpause
Doch auch von den Parteien der großen Koalition dürfen sie sich keine Zustimmung erhoffen. Ja es wurden viele Fehler während der Treuhand-Zeit gemacht, sagte zum Beispiel Eckhart Rehberg, CDU-Politiker aus Mecklenburg-Vorpommern, dessen Partei damals in der Regierung war. Aber die Arbeit der Treuhand sei richtig gewesen:
"Wer hier wieder anfängt, 30 Jahre zurück zu bohren und politisch daraus sein Kapital schlagen zu wollen, der erreicht für die Zukunft gar nichts. Linke und AfD wollen aus reinem Populismus und Wahlkampfzwecken die Treuhand instrumentalisieren- Das wollen wir nicht."
Doch ein Untersuchungsausschuss sei das falsche Instrument. Ähnlich die Argumentation von Sozialdemokratin Sonja Amalie Steffen. Der Bundestag sei keine historische Kommission, sondern habe den Auftrag etwas Politisches zu bewegen. Dem AfD-Politiker Jürgen Pohl warf sie Rückwärtsgewandtheit und Spaltung vor:
"Herr Pohl, Sie haben sich entlarvt. Zur AfD-Wahl aufgerufen. Das Thema so zu missbrauchen finde ich unredlich."
Abgestimmt über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Treuhand wird frühestens nach der parlamentarischen Sommerpause am achten September. Dann sind die Wahlen in Sachsen und Brandenburg aber schon gelaufen. Dort geht man am ersten September zu den Urnen.