Gauland rechtfertigte auch die Forderungen nach einem Verbot von Minaretten und Muezzinrufen. "Ein Moslem in Deutschland kann seinem Glauben auch ohne Minarette nachgehen. Die AfD hat nichts gegen Gebetsstätten; es muss doch möglich sein, eine Religion so auszuüben, wie wir das seit Jahrhunderten von Kirchen gewohnt sind."
Gauland verteidigte zudem Pläne des AfD-Europaabgeordneten Marcus Pretzell, nach seinem Rauswurf aus der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer im EU-Parlament in das Lager der rechtsextremen Front National zu wechseln. "Wenn sich alle eurokritischen Stimmen im EU-Parlament zusammenschließen, dann müssen wir reagieren." Außerdem bezweifele er, ob man den Front National um seine Chefin Marine Le Pen als rechtsradikal bezeichnen könne.
Das komplette Interview zum Nachhören:
Dirk-Oliver Heckmann: Am Telefon ist jetzt Alexander Gauland, stellvertretender Bundesvorstandssprecher der AfD, zugleich Vorsitzender der AfD-Fraktion in Brandenburg. Guten Morgen, Herr Gauland.
Alexander Gauland: Guten Morgen.
Heckmann: Herr Gauland, "der Islam gehört nicht zu Deutschland" steht bei Ihnen jetzt im Grundsatzprogramm. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, der sagt dazu, zum ersten Mal seit Hitler-Deutschland gebe es eine Partei, die erneut eine ganze Religionsgemeinschaft diskreditiere und existenziell bedrohe. Muslime sehen sich unter Generalverdacht gestellt. Nehmen Sie das in Kauf?
Gauland: Das ist natürlich eine unsinnige Formulierung und das weiß der Zentralratsvorsitzende auch. Die Nazis haben sechs Millionen Juden umgebracht. Wir haben eine klare Aussage zum politischen Islam getroffen. Wir wollen nicht, dass der Islam mit der Scharia in Deutschland Regeln setzt. Und das hat mit Nationalsozialismus und mit dem Judentum überhaupt nichts zu tun. Und das ist pure Verleumdung.
Heckmann: Sie sagen, Sie haben sich gegen den politischen Islam gewendet. Aber in Ihrem Grundsatzprogramm steht ja jetzt klipp und klar nicht "der politische Islam gehört nicht zu Deutschland", sondern "der Islam gehört nicht zu Deutschland".
Gauland: Ja, dann halte ich Ihnen entgegen ein Zitat von Khomeni, der mal gesagt hat, der Islam ist entweder politisch, oder er ist es nicht. Und das ist ja das Problem, dass der Islam keine Trennung von Staat und Kirche kennt, keine Trennung von Gesellschaft und Religion. Das heißt, der Islam ist eine Religion, der zum Beispiel mit der Sharia Regeln für unser Zusammenleben aufstellen will. Das wird aber durchs Grundgesetz geregelt und das wollen wir nicht.
Heckmann: Sie haben kürzlich gesagt, ich will nicht, dass der Islam in Deutschland ist. Wenn Sie nicht wollen, dass der Islam in Deutschland ist, dann können Sie doch eigentlich auch nicht wollen, dass Moslems in Deutschland sind, oder? Denn dadurch, dass Moslems in Deutschland sind, ist der Islam in Deutschland.
Gauland: Islam hat in Deutschland nie eine kulturelle Rolle gespielt
Gauland: Nein. Das bezieht sich, wie ich es ja eben gerade ausgeführt habe, auf den Islam und beschreibt auch etwas. Es beschreibt, dass der Islam keinerlei kulturelle Spur und Tradition in Deutschland hinterlassen hat. Dass zwar wir Mitbürger haben, die Moslems sind, aber dass der Islam in seiner Gesamtheit in diesem Land nie eine kulturelle Rolle gespielt hat. Das ist eine Feststellung, eine Analyse, wie Sie wollen, aber jedenfalls nicht verfassungswidrig.
Heckmann: Da würden Ihnen Kulturwissenschaftler aber vehement widersprechen. De sagen, dass Moslems durchaus einen großen Beitrag zur Kultur in Europa geleistet haben, indem zum Beispiel die griechische Philosophie nach Europa gebracht wurde.
Gauland: Ja, das ist eine ganz andere Zeit gewesen, zu der Zeit, als der Islam auch nicht in der Form ausgeprägt war wie jetzt.
Heckmann: Aber Sie sagten ja, der Islam hätte die Kultur nicht geprägt.
Gauland: Nein, er hat sie in Deutschland nicht geprägt. Nachdem 1683 die Türken vor Wien gestoppt worden sind, spielt der Islam als sozusagen Gesamtheit in diesem Land keine Rolle. Das haben wir damit ausgedrückt.
Heckmann: Sie sprechen immer von dem Islam, Herr Gauland. Aber sämtliche Experten, die man dazu fragt, die sagen, den Islam, den gibt es nicht. Und Salafisten und Extremisten, die sind hier in Deutschland in der absoluten Minderheit. Auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel, die hat jetzt kürzlich noch mal betont, die übergroße Mehrheit der Muslime bewege sich im Rahmen des Grundgesetzes. Trotzdem sagen Sie selbst auch zum Beispiel noch mal, der Islam sei ein Fremdkörper. Weshalb wenden Sie sich, noch mal nachgefragt, gegen den Islam und nicht gegen Extremisten?
Gauland: Ich habe es versucht, zu erklären mit dem Satz von Khomeni, der Islam ist entweder politisch, oder er ist es nicht.
Heckmann: Und das gilt dann für Sie? Wenn Khomeni das sagt, dann ist das für Sie so Fakt?
Gauland: Das ist zumindest eine Aussage, die so deutlich ist, dass ich mich mit dieser Frage auseinandersetzen muss. Und noch einmal: Die Scharia enthält Regeln für das Zusammenleben zwischen Menschen, die wir in keiner Weise akzeptieren. Die Islamverbände, die sich so kritisch einlassen, hätten es doch sehr einfach. Sie brauchten doch nur zu sagen, für uns alle gilt die Scharia nicht. Tun sie aber nicht. Das heißt, die Scharia gilt und dem wollen wir klar und deutlich entgegentreten.
Heckmann: Herr Gauland, die AfD hat auch in das Grundsatzprogramm geschrieben, die Partei lehne das Minarett als islamisches Herrschaftssymbol ebenso ab wie den Muezzin-Ruf, nach dem es außer dem islamischen Allah es keinen Gott gebe. Josef Schuster, der Zentralrat der Juden in Deutschland, der kommentiert das mit den Worten, die AfD verlässt den Boden des Grundgesetzes.
Gauland: Das sehe ich überhaupt nicht und es wundert mich, dass Herr Schuster so etwas vertritt. Das Minarett und der Ruf des Muezzins ist für uns Ausdruck eben jenes politischen Anspruchs an die Gesellschaft, den wir nicht haben wollen und den wir natürlich nicht teilen. Das hat nichts damit zu tun, dass ein Moslem in Deutschland seinem Glauben nachgehen kann. Ich habe nie gehört, dass zum muslimischen Glauben gehört, dass hohe Türme sein müssen und der Ruf ...
Heckmann: Aber es gehört zur Religionsfreiheit.
Gauland: Nein, das würde ich nicht sagen. Es gibt Gotteshäuser, die kann man bauen. Wir haben auch nichts gegen Gebetsstätten. Das ist nicht das Problem. Es muss doch möglich sein, eine Religion so auszuüben, wie wir das nun seit vielen, fast hätte ich gesagt, Jahrhunderten vom katholischen oder evangelischen Glauben gewohnt sind, dass keine Ansprüche an den Staat gestellt werden.
Heckmann: Was heißt das denn konkret im Fall jetzt der Minarette zum Beispiel? Sollen die jetzt in Deutschland abgerissen werden unter Polizeischutz, in einem Land, in dem schon mal Synagogen angezündet wurden, auch unter den Augen von Polizeibeamten?
Gauland: Nein, das ist natürlich. Entschuldigung! Und diese Vergleiche sind Unsinn. Immer wieder werden Vergleiche gewählt, die überhaupt nicht passen. Die Religionsfreiheit ist in unserem Lande weit größer als in vielen muslimischen Ländern dieser Welt. Da gibt es überhaupt keine Religionsfreiheit. Es gibt überhaupt keine Gotteshäuser.
Heckmann: Aber mal konkret gefragt in Deutschland. Sollen die Minarette denn abgerissen werden aus Ihrer Sicht?
Gauland: Aber natürlich nicht. Minarette sind natürlich nach geltendem Recht errichtet worden, wo sie schon da sind. Wir wollen ja nicht, dass das, was nach geltendem Recht geschehen ist, wieder rückgängig machen. Das ist doch völlig klar. Das steht auch nirgendwo im Programm.
Heckmann: Aber es sollen auch keine neuen gebaut werden aus Ihrer Sicht?
Gauland: Genau.
Heckmann: Herr Gauland, jetzt hat der Parteitag gestern auch noch für das Verbot des Schächtens gestimmt. Müssen sich auch Juden in Deutschland Sorgen machen?
Gauland: Nein, das müssen sie nicht. - Ja, das ist richtig. Das Schächten ist in unserer Kultur ein Problem. Das ist eine Frage des Tierschutzes. Aber das Schächten gehört nicht wie zum Beispiel die Beschneidung - und die haben wir in keiner Weise angesprochen - zur jüdischen Religion. Das heißt, jüdisches Leben stirbt nicht dadurch, dass wir oder unsere Mitglieder auf dem Parteitag gegen das Schächten aufgestanden sind.
Heckmann: Das sagen Sie. Aber wie gesagt, der Zentralrat der Juden in Deutschland, der sieht auch, dass die Juden in Deutschland zur Zielscheibe gemacht werden durch die AfD.
Gauland: Das jüdische Leben in Deutschland wird von uns begrüßt
Gauland: Aber das ist ja überhaupt nicht wahr. Im Gegenteil! Das jüdische Leben in Deutschland wird von uns begrüßt und geschützt. Das ist völlig klar. Und ich selbst habe auf AfD-Demonstrationen immer wieder den Davidstern als Fahne, als Ausdruck der Verbundenheit gesehen. Da braucht man wirklich gar keine Sorge zu haben.
Heckmann: Herr Gauland, der AfD-Europaabgeordnete Marcus Pretzell, der Lebensgefährte von Frauke Petry, der hat jetzt angekündigt, nach seinem Rauswurf aus der konservativen EKR-Fraktion, er schließe sich einer anderen Fraktion an, nämlich der Fraktion, in der auch der Front National vertreten ist. Arbeiten Sie jetzt doch mit Rechtsradikalen zusammen?
Gauland: Nein. Erst mal weiß ich nicht, ob man den Front National als rechtsradikal definieren kann. Da wäre ich sehr skeptisch.
Heckmann: Das würden Sie jetzt nicht so einschätzen, oder wie würden Sie es einschätzen?
Gauland: Das weiß ich nicht, beziehungsweise nein, ich schätze es nicht so ein. Aber darum geht es gar nicht, sondern es geht um eine Frage, und nur um die geht es, nämlich wie wir uns im Europaparlament verhalten. Und wenn es richtig ist, dass - so höre ich das - alle eurokritischen Fraktionen sich zu einer Fraktion zusammenschließen, dann wird der Front National dabei sein. Und wenn der Front National dabei ist, können wir nicht deswegen außen vor sein und mit unseren zwei Abgeordneten eine eigene Fraktion bilden. Also haben wir gesagt, ...
Heckmann: Das heißt, Sie haben da keine Berührungsängste, obwohl Sie bisher immer gesagt haben, mit dem Front National gibt es keine Zusammenarbeit?
Gauland: Entschuldigung! Ich muss Frau Le Pen nicht privat umarmen und ich muss mich nicht in die französische Innenpolitik einmischen. Das machen die anderen. Da halte ich sowieso nichts davon. Aber in Europa müssen wir zur Abwehr eines europäischen Superstaates zusammenarbeiten. Und da habe ich überhaupt keine Probleme mit dem Programm des Front National. Denn in dieser Frage sind wir uns einig.
Heckmann: Letzte Frage, Herr Gauland. Der Justizminister Heiko Maas, der musste gestern eine Kundgebung in Zwickau unter Polizeischutz verlassen. Sein Auftritt wurde massiv von Rechtsradikalen gestört. Und Uwe Wurlitzer, der Generalsekretär der AfD in Sachsen, der hat auf dem Parteitag in Stuttgart gestern seine Freude darüber zum Ausdruck gebracht, unter dem Applaus übrigens des Plenums. Was sagt das über Ihre Partei?
Gauland: Also wissen Sie, Herr Maas hat sich in der Weise gegen uns gestellt. Er hat in der Weise uns Aktionen zugeschrieben, die wir nicht begangen haben. Er versucht, uns immer verantwortlich zu machen für angebliche Angriffe auf Flüchtlingsheime, dass ich verstehen kann, dass Menschen deutlich sagen oder deutlich kundgeben, wie sie ihn ablehnen als Person.
Heckmann: Sie haben noch zehn Sekunden zu den Nachrichten. Ganz kurz ein Satz?
Gauland: Ich bin aber nicht bereit, Gewalt in irgendeiner Weise zu tolerieren, auch nicht gegen Herrn Maas.
Heckmann: Alexander Gauland war das, stellvertretender Vorsitzender der AfD. Danke!
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