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AfD zu Soli-Gesetzentwurf
"Nichts anderes als eine billige Wahlkampfhilfe"

Der AfD-Finanzpolitiker Kay Gottschalk hat den Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz zum Abbau des Solidaritätszuschlags als nicht ausreichend kritisiert. Die Pläne gingen zwar in die richtige Richtung, der Soli müsse aber komplett entfallen, sagte er im Dlf.

Kay Gottschalk im Gespräch mit Christiane Kaess |
Kay Gottschalk (AfD) spricht in einer Plenarsitzung im Deutschen Bundestag
Kay Gottschalk (AfD) spricht in einer Plenarsitzung im Deutschen Bundestag (dpa / Michael Kappeler)
Christiane Kaess: Etwas sperrig wird der Solidaritätszuschlag offiziell als "Ergänzungsabgabe zur Einkommenssteuer und Körperschaftssteuer" bezeichnet. Aber in der Umgangssprache hat er sich längst als "Soli" etabliert. Er ist für die meisten Steuerzahler eine feste Größe geworden. Obwohl er in erster Linie für die Kosten der deutschen Einheit gedacht war, besteht er seit 1991 bis heute. Die Große Koalition will das ändern und ihn zum Großteil abschaffen. Das haben Union und SPD schon im Koalitionsvertrag vereinbart. Ende der Woche hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz von der SPD nun einen Gesetzentwurf dazu vorgelegt. Für 90 Prozent der Steuerzahler soll der Soli ganz wegfallen. Für weitere 6,5 Prozent fällt die Abgabe zumindest teilweise weg. Im Ergebnis werden 96,5 Prozent der heutigen Soli-Zahler bessergestellt. So heißt es in dem Entwurf.
Ich kann darüber jetzt sprechen mit Kay Gottschalk. Er ist finanzpolitischer Sprecher der AfD im Bundestag. Guten Morgen, Herr Gottschalk.
Kay Gottschalk: Guten Morgen, Frau Kaess! Ich grüße Sie.
"Gesetzentwurf geht in die richtige Richtung"
Kaess: Auf der Website der AfD heißt es, "der Bundesfinanzminister sollte endlich eine Politik für die arbeitenden Bürger machen." Das macht Olaf Scholz jetzt. Begrüßen Sie seinen Gesetzesentwurf?
Gottschalk: Zunächst mal geht der Gesetzentwurf in die richtige Richtung. Aber wir haben schon wesentlich früher, im letzten Jahr gefordert, dass der Solidaritätszuschlag für alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zum 1. Januar 2019 zu entfallen hat. Wir haben das ausführlich auch in einer Anhörung, wo der frühere Bundesverfassungsgerichtspräsident Papier anwesend war, besprochen. Wir sind da noch ein bisschen belächelt worden. Wir haben wesentlich früher auch als Herr Lindner darauf aufmerksam gemacht, dass wir hier in eine ganz, ganz schiefe rechtliche Situation vorm Verfassungsgericht gelangen können, und insoweit ist das, was Herr Scholz hier macht, gerade zu diesem Zeitpunkt nichts anderes als eine billige Wahlkampfhilfe für die Kollegen, die dort sehr unter Druck stehen, in Thüringen, in Brandenburg und in Sachsen. In anderen Ländern wird man auch vom Stimmenkauf sprechen. Aber ich glaube, selbst das wird Herrn Scholz mit diesem Manöver nicht gelingen.
Kaess: "Billige Wahlkampfhilfe" sagen Sie. Aber festzuhalten ist ja, dass der Soli zu mehr als 90 Prozent abgeschafft oder teilweise abgeschafft wird. Die Hälfte der rund 20 Milliarden Euro, die der Staat mit dem Soli einnimmt, die wird von den obersten zehn Prozent der Gesellschaft finanziert, und deshalb sagen Kritiker, eine Abschaffung des Solis, das wäre ein Geschenk für die Reichen. Dieses Geschenk befürworten Sie?
Gottschalk: Das ist kein Geschenk, sondern wir befinden uns hier mittlerweile in Deutschland in einer sehr, sehr lästigen Sozialneidsdebatte. Es ist ohnehin bekannt, dass auch in allen anderen steuerlichen Einkunftsarten die oberen zehn Prozent die wesentlichen Leistungen der Steuerlast erbringen. Aber wenn wir sagen, wir erheben deutschlandweit einen Solidaritätszuschlag, wie Sie es auch eingangs gesagt haben, zur Finanzierung der gleichen Lebensverhältnisse in damals beiden Teilen Deutschlands, die Gott sei Dank wiedervereinigt worden sind, dann heißt das für mich auch Steuergerechtigkeit und Verlässlichkeit für die, die in den oberen zehn Prozent liegen.
Ich will Ihnen ein kleines Rechenbeispiel machen. Für die SPD scheinen schon Menschen reich zu sein, die etwa 5000 Euro brutto verdienen. 5000 Euro Brutto heißt in 45 Jahren etwa – in 45 Jahren, wohl gemerkt – 2100 Euro Rente, die sie dann bekommen werden, können Sie in den Rentenrechner eingeben, die dann auch noch voll zu versteuern sind. Wenn Sie mir sagen, mit 5000 Euro, also 60.000 Euro brutto im Jahr sind Sie reich, bei einer Rente dann von 2000 Euro in 45 Jahren, die voll zu versteuern ist, und ab 60.000 setzt nämlich diese Zone, die Sie eben zitiert haben, an -, nun ja, dann darf die SPD, aber auch andere Teile des Parteienspektrums sich nicht wundern, wenn die Leute sich der AfD zuwenden, weil hier Leute reich gemacht werden oder reich tituliert werden, die es nun wahrlich in 45 Jahren nicht sind. Und wir sprechen von Altersarmut.
"Für die Steuern, die Sie zahlen, bekommen Sie noch nicht mal viel"
Kaess: Herr Gottschalk, dann schauen wir uns mal andere Zahlen an, die auch etwas verdeutlichen, und demnach ist es so, dass nur wer so viel verdient, dass er über 100.000 Euro als Single im Jahr versteuern muss, oder 220.000 als Paar, der muss noch den vollen Satz von 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag zahlen. Warum sollte das für solche Spitzenverdiener nicht zumutbar sein?
Gottschalk: Ja! Sie sagen es doch immer selbst: Uns fehlen Fachkräfte. Wie wollen Sie denn als Zukunftsstandort Deutschland für Fachkräfte, die, wenn sie geeignet sind, mehr als 100.000 Euro verdienen, attraktiv sein? Dann gehe ich doch lieber nach England.
Kaess: Ich habe jetzt nicht nach den Fachkräften gefragt, sondern danach, warum das für die Spitzenverdiener nicht mehr zumutbar sein sollte.
Gottschalk: Na ja, weil die die Wahl haben, in einer internationalisierten Welt vielleicht auch in andere Länder zu gehen, die etwas freundlicher und etwas vernünftiger dann mit den Steuerzahlern umgehen. Und vor allen Dingen ist es nicht nur eine Frage der Steuerlast, sondern es ist auch eine Frage dessen, was kriegen die Bürger eigentlich noch für ihre Steuern, die sie in Deutschland zahlen. Wie werden die Steuern ausgegeben? – Wir verbringen Großteile unseres Geldes und versenken sie in einer EU. Wir haben andere Ausgaben, die man durchaus auch bei uns im Bundeshaushalt mal auf den Prüfstand stellen kann. Wir haben eine Infrastruktur, wir haben ein LTE-Netz, das ist unter aller Kanone in Deutschland. Das heißt, für die Steuern, die Sie zahlen, bekommen Sie noch nicht mal viel. Und dann soll ja auch noch nach Bekunden der CDU oder auch der Grünen, heißt es dann, sie haben keinen Anspruch auf Sicherheit in Deutschland mehr. Das muss man sich abschminken. Und auch die innere Sicherheit, das muss finanziert werden. Das heißt, für die Steuermittel kriegen Sie wenig. Und zum anderen: Wir stehen in einem internationalen Wettbewerb. Das darf man nie vergessen. Und wenn ich auch als gut ausgebildeter Arzt – wir haben "Brain Drain" in Deutschland. Das darf man nicht vergessen, wenn man diese Neiddebatte schürt. Dann gehe ich eben dorthin, wo ich für meine Arbeitszeit und für meinen eingebrachten Einsatz eben mehr Netto vom Brutto erhalte.
Kaess: Sie sprechen immer wieder von der Sozialneid-Debatte. Aber wenn wir jetzt mal konkret bei der Abschaffung des Soli bleiben, dann müssen wir ja festhalten, dass die SPD mit Olaf Scholz als Finanzminister die geringeren und die mittleren Einkommen entlasten will. Und die AfD will auch noch die Spitzenverdiener entlasten. Ist das der Weg, den die Partei eingeschlagen hat, die Partei der Besserverdienenden zu werden?
Gottschalk: Nein! Das hat doch damit gar nichts zu tun. Sehen Sie mal: Wenn Sie heute wirklich sagen – ich habe es ja eben gesagt -, ob Sie mit 60 oder 70.000 tatsächlich Spitzenverdiener, auch was nachher Ihre Ansprüche aus der Altersrente angeht, sind – sei mal dahingestellt.
Zu viel Steuervermeidung und Steuerhinterziehung in der EU
Kaess: Über die Zahlen haben wir gesprochen, Herr Gottschalk. Aber sagen Sie mir noch, wie Sie den Menschen erklären wollen, wenn die Gräben zwischen Arm und Reich immer größer werden – und wir haben diese Diskussion seit langem -, dass auch noch Spitzenverdiener von einer solidarischen Abgabe befreit werden sollen.
Gottschalk: Erstens zahlen diese Spitzenverdiener schon viel und zweitens möchte ich ganz andere Kreise wieder zur Steuer in Deutschland heranziehen. Wir haben auf europäischer Ebene 825 Milliarden Euro insgesamt an Steuervermeidung und Steuerhinterziehung, die durch die EU den großen, weltweit operierenden Konzernen ermöglicht werden. Wenn Sie da nur den deutschen Anteil an der EZB und der Wirtschaftsleistung von 27 Prozent umrechnen auf diese 825 Milliarden, dann sind wir bei 220 Milliarden Euro, rund zwei Drittel des Bundeshaushaltes, die fehlen. Und ich möchte nicht die Menschen, die hier Sozialleistungen erbringen, Sozialabgaben – und da gehört für mich jemand genauso entlastet, der 100.000 verdient, wie jemand, der 40 oder auch nur 30.000 Euro verdient. Das hat für mich nichts mit einer Schere zwischen Arm und Reich zu tun. Arm und Reich – da können wir vielleicht wirklich mal anfangen, wenn wir in Grenzen vorstoßen, die da gerne tituliert werden, von 250, 300.000 Euro. Aber selbst dann, bitte, müssen wir auch sehen, dass zum Solidaritätszuschlag auch der Mittelstand gehört. Wenn Sie ein Unternehmen als Personengesellschaft führen und damit auch Arbeitsplätze schaffen, dann sind Sie durchaus, wenn Sie es erfolgreich machen, mal in dieser Region. Dann zahlen Sie Soli!
Kaess: Und genauso, Herr Gottschalk, argumentiert auch die FDP. Da liegen Sie mit der FDP ganz auf einer Linie.
Gottschalk: Und Clemens Fuest findet auch mal ein Korn!
Kaess: Und die will sogar vor das Bundesverfassungsgericht ziehen und klagen, damit der Soli ganz abgeschafft wird. Allein kann die FDP nicht klagen und wenn es jetzt auch unwahrscheinlich ist, dass die FDP ausgerechnet die AfD um Unterstützung hier fragen sollte, überlegen Sie auch rechtliche Schritte?
Gottschalk: Selbstverständlich! Wir haben aber auch der FDP schon vorher gesagt, sie hätte ja mit uns stimmen können. Insoweit ist das auch ein wenig Augenwischerei. Sie hätte mit uns im Parlament stimmen können, den Solidaritätszuschlag für alle zum 1. Januar 2019 abzuschaffen. Das hat sie nicht getan, eben aus jenen Gründen, weil wenn ein guter Vorschlag von der AfD kommt, dann muss man ihn torpedieren oder darf nicht mitstimmen.
"Hier geht es um die Glaubwürdigkeit von Politik"
Kaess: Aber meine Frage war jetzt, ob Sie auch eventuell rechtliche Schritte einschlagen werden.
Gottschalk: Ich denke, dass Steuerbürger das tun. Aber wenn die FDP uns fragt, dann sind wir natürlich Parlamentarier und haben ein offenes Ohr, weil hier geht es tatsächlich um die Glaubwürdigkeit von Politik. Und wenn wir so weitermachen, verspielen wir die Glaubwürdigkeit, und diese Glaubwürdigkeit, die gilt für alle Steuerzahler in Deutschland.
Kaess: Schauen wir zum Schluss noch kurz auf einen anderen Aspekt. Der Soli kann nicht gestrichen werden, wenn man festhalten will an der schwarzen Null und keine neuen Schulden machen will. Will die AfD eine solide Haushaltspolitik über den Haufen werfen?
Gottschalk: Nein, das will sie nicht. Aber wir haben ein großes, habe ich Ihnen eben gesagt, Potenzial an anderen Möglichkeiten, Steuern für unseren Staat zu generieren. Da können wir beispielsweise bei der Steuervermeidung ansetzen. Wir können sicherlich auch viele Ausgaben auf den Prüfstand stellen in der Bundesrepublik. Wir müssen nur mal ins Schwarzbuch hineinschauen. Und sicherlich darf man auch hinterfragen, ob die Politik der offenen Grenzen, wie wir sie haben, in Zukunft weiter von der Zukunft unseres Landes, aber auch von den Steuerzahlern so zu tragen ist. Denn die Steuerlast in Deutschland ist mittlerweile am höchsten. Wir haben die höchste Steuerlast in Deutschland. Und das macht Deutschland auch als Investitionsstandort – und wir brauchen Investitionen – nicht unbedingt attraktiv. Es gibt viele Möglichkeiten, hier tatsächlich Einsparungen vorzunehmen, und die schwarze Null – gestatten Sie mir, das am Rande zu bemerken -, die haben wir schon lange nicht mehr, weil ich glaube, dass einige Dinge wie die Flüchtlingsrückstellungen, die vorgenommen worden sind, schon längst verfrühstückt worden sind, um nämlich dem Bürger diese schwarze Null vorzugaukeln. Auch hier glaube ich, in der Haushaltsdebatte werden viele unangenehme Wahrheiten zu Tage treten.
Kaess: Das werden wir sehen und weiter verfolgen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.