Peyman Esmailzadeh ist angekommen. Vor ihm, auf dem Wohnzimmertisch zwei dampfende Kaffeetassen. Heller Laminatboden, eine mit Glitzer gespickte Panorama-Tapete in goldener Ziegelsteinoptik.
"Die Tapeten habe ich zum Beispiel selbst gemacht, also selbst angeklebt. Und die anderen Sachen haben wir auch gekauft und selbst auch den Boden gemacht."
Vor acht Jahren kam Esmailzadeh nach Deutschland. Geflohen aus dem afghanischen Herat. Die Taliban hatten seinen Vater erpresst. Damit gedroht, dem Sohn etwas anzutun. Esmailzadeh machte sich auf den Weg. Heute lebt er mit Mariam, seiner Lebensgefährtin, am Hamburger Stadtrand. In einem fünfstöckigen, frisch sanierten 60er-Jahre-Wohnblock. Auch Mariam floh, lange vor Esmailzadeh, aus Herat und landete in Hamburg.
"Beruflich bin ich Zahntechniker. Ich arbeite in einer Zahnarztpraxis, im Labor. Und ich mache schöne Zähne, wenn die Menschen keine Zähne haben. Das freut mich, wenn ich jedes Mal die Patienten sehe, mit den schönen Zähnen, die ich gemacht habe. Die lächeln einfach."
Nach der Zahntechniker-Ausbildung machte er seinen Abschluss auf der Berufsschule. Mit etwas Hilfe von Freunden. Mit ihnen paukte er die die lateinischen Namen für den Anatomie-Kurs. Ein Jahr vor der Prüfung fing er an, sich seinen Urlaub aufzusparen. Den nimmt er dann vier Wochen vor seiner Abschlussprüfung.
"Und da, in der Zeit habe ich jeden Tag mit meinem Nachhilfelehrer, da muss ich echt Danke sagen, sehr, sehr hat der geholfen während der Zeit. Und ich habe das eigentlich so toll gemacht, dass ich die schriftliche Prüfung bestanden habe."
Sein Lehrbetrieb hat ihn sofort übernommen. Und Esmailzadeh fing an, regelmäßig, Tag für Tag 20 deutsche Vokabeln zu lernen:
"Wenn man 20 Wörter jeden Tag lernt, wie viele sind das dann in einem Monat, in einem Jahr! In fünf Jahren! Und das habe ich alles geschafft."
Der Schlüssel zum Ankommen ist die Sprache
Die Sprache ist der Schlüssel zum Ankommen, ist er sich sicher. Aber einer neuen Sprache zu vertrauen, das gelingt eben nicht so schnell, erzählt Esmailzadeh. Vor einem Jahr hat er seinen Betrieb gewechselt. Der Anfahrtsweg zur alten Arbeitsstelle war ihm zu weit. Jetzt liegt das Zahntechnik-Labor gleich um die Ecke. Fünf Minuten zu Fuß.
"Zwei Sachen waren für mich wichtig: Der Arbeitgeber und die Kollegen gehören auch dazu. Und auch das mit dem Verkehr. Hinfahren und zurück. – Dann spare ich pro Tag zwei Stunden. Zwei Stunden kann ich ein bisschen ausschlafen und dann kann ich auch da länger arbeiten."
Neben der Arbeit gibt Esmailzadeh nun Neuankömmlingen die Nachhilfe, die er früher selbst bekommen hat. Er lotst sie durchs deutsche Behördendickicht, das ihm noch vor wenigen Jahren undurchdringlich, oft genug einfach absurd vorkam.
Wählen? Na klar!
Na klar, sagt Esmailzadeh, er geht zur Bundestagswahl. Politik findet er spannend. Und ganz früh, gleich, wenn die Wahlbüros aufmachen, will Esmailzadeh vor Ort sein.
"Ich versuche, um acht vor der Tür zu stehen. Vielleicht bin ich auch der Zehnte. Aber ich versuche, an dem Tag hundertprozentig bis neun Uhr da zu sein."
Angela Merkel ist seine Favoritin. Sie hätte viel für Flüchtlinge wie ihn getan. Während ihrer Kanzlerschaft, allerdings zusammen mit der SPD, wurde entschieden: Auch geduldete Flüchtlinge dürfen eine Ausbildung beginnen. Und nur auf diese Weise können diese Menschen hier Fuß fassen, so Esmailzadeh. Den rechtspopulistischen Anwurf: "Die nehmen uns unsere Arbeitsplätze weg!", diesen Anwurf kann Esmailzadeh nicht verstehen:
"Keine Ahnung. Wenn die sagen, die nehmen unsere Arbeit weg ... Wer sollte denn sonst arbeiten? 2020 gehen zehn Prozent der Deutschen in Rente. Wer soll denn noch arbeiten und die Rente von anderen Leuten bezahlen? Ich arbeite zurzeit, zurzeit zahle ich die Rente von anderen Leuten. Die in Rente sind."
Das nächste Ziel ist schon gesteckt
Peyman Esmailzadeh nimmt einen Schluck vom fast schon kalten Kaffee. Er will sich Zeit nehmen, erstmal in Ruhe weiter arbeiten und irgendwann vielleicht auch seinen Meister machen.
"Aber die Meisterschule kostet knapp 9.000 Euro. Aber die Meister-Materialien, diese Materialien zu kaufen, das ist ein bisschen viel. Ich kann nicht alles leisten. Aber ich habe es im Hinterkopf. Ich will im Beruf ein bisschen weiter machen, ein bisschen mehr Berufserfahrung haben. Kann sein, dass ich 2025 gerne vielleicht meinen Meister mache. Oder ich studiere Zahnmedizin. Eins von beiden würde ich gerne machen."