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Afghanische Bundeswehr-Helfer
In Sicherheit, aber nicht am Ziel

Tausende ehemalige afghanische Bundeswehr-Helfer müssen wegen ihres Einsatzes in ihrer Heimat um ihr Leben fürchten. 364 von ihnen haben deswegen nun eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland erhalten. Hier sind sie in Sicherheit, von einem normalen Leben aber noch weit entfernt.

Von Klaus Remme |
    Afghanischer Helfer im Gespräch mit Bundeswehrangehörigem.
    Afghanischer Helfer im Gespräch mit Bundeswehrangehörigem: Viele ehemalige Ortskräfte werden in Afghanistan bedroht. (dpa/picture alliance/Can Merey)
    Ali und Tarek, so wollen sie genannt werden, stehen im Innenhof eines Notaufnahmelagers im Süden von Berlin. Ali ist 25 Jahre alt und seit fast einem Jahr hier, Tarek ist zwei Jahre älter, er kam vor fünf Monaten zusammen mit seiner schwangeren Frau. Beide haben Sie im Krieg für die Deutschen in Afghanistan als Dolmetscher gearbeitet, Ali für die Bundeswehr, Tarek für die Polizei. Zwei von 364 ehemaligen afghanischen Ortskräften, die nach Abzug der ISAF-Truppen in der Heimat bedroht wurden, um ihr Leben fürchten mussten und deshalb in Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen haben. Frieden, Sicherheit, keine Angst mehr haben müssen, das fällt beiden zuerst ein, wenn man sie fragt, was sie an Deutschland schätzen:
    "We are not scared to go out, here we are safe."
    "Peace, and also what I like here in this country: security."
    Englisch sprechen sie gut, Deutsch wird gerade gelernt:
    "Ein bisschen die Sprache gelernt und einen anderen Kurs besucht, über Politik und das Grundgesetz."
    "Seit zwei Monaten gehe ich in die Schule, ich kann sagen: Ich komme aus Afghanistan, ich bin 27 Jahre alt, nicht viel."
    Wir gehen hinein, mit dabei ist Oberleutnant Marcus Grotian. 2011 war er in Afghanistan, schon damals hat er sich gefragt, was nach dem Abzug mit denen geschehen würde, die über Jahre den Deutschen geholfen haben und im Mai vergangenen Jahres stieß er auf einen offenen Brief, in dem sich die ehemaligen Helfer über mangelnde Wertschätzung beklagten:
    "Da habe ich mir natürlich gedacht, mit mangelnder Wertschätzung kennt man sich als Soldat aus, ja und dann habe ich auch gleich involviert."
    Der Wohnraum in Berlin ist knapp
    Inzwischen ist Grotian Teil eines Patenschaftsprogramms der Bundeswehr. Soldaten, Reservisten, Zivilisten kümmern sich die Belange von Menschen wie Tarek und Ali. In Afghanistan waren sie hochgeschätzte, gut bezahlte Arbeitskräfte, hier sind sie trotz Arbeitserlaubnis oft ohne Job, ohne Landessprache, ohne Wohnung. Zusammen mit Flüchtlingen und Asylbewerbern leben sie im Notaufnahmelager. Gäste dürfen nur bis 22 Uhr bleiben, Internet Fehlanzeige, eigenes Mobiliar verboten. Die Berliner Behörden versagen total, meint Tarek. Ob die überhaupt wissen, dass es uns gibt, fragt er und zuckt mit den Achseln:
    "I don't know if they know that we are here, even that I don't know."
    Marcus Grotian schaut dabei wenig glücklich, kann aber nicht viel zur Verteidigung der Behörden sagen. Es gebe nun mal kaum Wohnraum in Berlin:
    "Wer Berlin sagt, so wie einige hier, der ist sich vielleicht nicht bewusst, dass er dann die nächsten zwei Jahre in der Notunterkunft wohnt, während jemand in einer anderen Stadt vom Flughafen abgeholt und ins Hotel gebracht wird."
    Und von dort in eine eigene Wohnung, ergänzen Ali und Tarek aus Erfahrungen anderer ehemaliger afghanischer Ortskräfte in anderen Bundesländern. Außerhalb von Ballungsräumen ist der Wohnungsmarkt entspannter, vielleicht sind dort sogar zukünftige Paten zu finden, die helfen können, doch Ali und Tarek zusammen mit ihren Angehörigen woanders unterzubringen, ist schwierig, in dieser Republik sehr schwierig, sagt Marcus Grotian:
    "Das ist sehr problematisch, denn die Jobcenter, die aufgrund der erstmaligen Registrierung zuständig sind, sind auch für die Transfergelder verantwortlich, die die Afghanen erhalten, das ist schon ein Problem aus Berlin zehn Kilometer raus nach Brandenburg, da kriegt man einfach ein freundliches "Tut uns leid, wir haben eigene, das geht nicht". Selbst der Wechsel von ein paar Kilometern kann da zum Problem werden."
    "Jeder Bürger kann Pate werden"
    Dabei haben diejenigen, die es nach Deutschland geschafft haben, noch Glück. Insgesamt zeigten über 1.500 afghanische Ortskräfte eine Gefährdung an, weniger als 600 wurden anerkannt. Wer vermissen unsere Heimat beteuern beide, Ali und Tarek, natürlich wolle man beim Aufbau Afghanistans helfen, doch Tarek sagt, wer helfen will, muss überleben. Und auch Ali bekräftigt, er habe sein Leben gegen seine Heimat abwägen müsse. Seine Bitte an die Deutschen: Schaut nach uns, bis wir auf eigenen Füßen stehen können:
    "Keep an eye on us, until we stand on our own leg."
    127 afghanische Ortskräfte haben den Wunsch nach einem Paten geäußert, dem stehen 190 Angebote gegenüber, doch Oberstleutnant Thomas Kolatzki vom Einsatzführungskommando in Potsdam sieht auf der Suche nach Paten auch weiße Flecken auf der Deutschlandkarte. Und Oberleutnant Marcus Grotian meint, Pate kann jeder werden:
    "In Niedersachsen, in Bremen, in Neustand am Rübenberge, in Augsburg, wir haben verschiedene Orte, wo wir noch dringend Paten benötigen."
    "Jeder Zivilist kann das werden, jeder Bürger, jeder Afghane, der seit 20 Jahren hier lebt, dazu habe ich jetzt vor, einen Verein zu gründen, um all diese Leute an einen Tisch zu bringen, um den Afghanen hier in Deutschland zu helfen. Wenn sich da jemand interessiert - immer gern."