Medienschaffende in Afghanistan sind aus Sicht von Journalistenverbänden und -organisationen nach dem Siegeszug der radikalislamistischen Bewegung in Lebensgefahr. Viele trauten sich kaum noch aus ihren Häusern, wollten fliehen - ein freies Berichten sei unter diesen Umständen kaum noch möglich.
Das gilt nicht nur für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter afghanischer Medien sondern auch für die Kameraleute, Ansprechpartner und sogenannte Stringer ausländischer Medien. Ausländische Reporterinnen und Reporter selbst sind kaum noch im Land.
Sibylle Licht ist ARD-Fernsehkorrespondentin für Afghanistan, sie berichtet aber aus Neu Delhi. Sie habe versucht, ins Land zu kommen. Momentan seien aber alle Flüge ausgesetzt, ein Reinkommen über den Landweg sei zu gefährlich, eine Einreise sei daher aktuell nicht möglich.
"Wenn es wieder zu einer Situation kommt, dass man das Land möglicherweise über einen Flugzeug erreichen kann, dann möchte ich mir das auf jeden Fall auch anschauen. Aber es ist natürlich auch so, dass wir auch schauen müssen, was die deutsche Botschaft beziehungsweise das Außenministerium und sagt, und die haben ja ganz klar gesagt die Deutschen sollen das Land verlassen."
Informationen und Bilder bekomme sie in erster Linie von ausländischen Nachrichtenagenturen, beispielsweise Reuters und AP, aber auch von afghanischen Nachrichtenagenturen, mit denen sie nun in Kontakt stehe - "aus diesem ganzen Angebot wählen wir dann täglich aus", so Licht.
Daneben seien die Sozialen Medien eine Quelle. Hier werde viel von Privatpersonen auf Plattformen wie Twitter, Facebook und Instagram gepostet. "Wir kontaktieren dann auch diejenigen, um genau herauszufinden: Wer ist das? Wann wurde das postet? Wo ist das Ganze? Und können wir dieser Quelle trauen?"
Zur Analyse komme sie in der jetztigen Situaltion selbst kaum - diese stehe aber natürlich noch an. Die politische Diskussion darüber finde insbesondere in Europa und in den USA statt und würde dementsprechend von Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland oder aus dem Studio Washington übernommen. "Nichtsdestotrotz zeige ich natürlich, was in Kabul los ist und auch, wie die Amerikaner damit umgehen."
Feature-Reihe: Deutschlands Einsatz in Afghanistan -
Der verlorene Frieden
Im Moment gibt es laut ARD-Korrespondentin Licht fast ausschließlich Bilder aus Kabul. Für ausländische Journalisten sei es sehr schwer, Bilder aus dem Land zu bekommen, vor allem, weil die eigenen Producer nicht mehr reisen könnten. Hier gebe es nur sehr vereinzelt Material, wie beispielsweise von den Protesten am 18. August in Dschalalabad. "Wir sind jetzt gerade dabei, mehr Informationen einzusammeln, wie es eigentlich im Land aussieht, denn wir erwarten mehr Proteste."
Licht ist nach eigenen Aussagen gerade dabei, sich ein neues Netzwerk von Informanten aufzubauen. Vieles versuche sie auch von Neu-Delhi aus zu recherchieren. "Wir haben hier aktuell Studenten engagiert, die aus Kabul kommen, deren Familien zum Teil dort noch sind, die aber ein großes Netzwerk an Freunden und Verwandten in Afghanistan haben. Und die recherchieren jetzt für uns im Land auch und kontaktieren quasi die Leute dort, damit wir an Informationen aus dem Land kommen." Die Studenten selbst würden sich mit ihrer Arbeit von außen nicht in Gefahr bringen, erklärt Licht.
Die Taliban geben Pressekonferenzen und Interviews, inszenieren sich in sozialen Netzwerken - wie geht man damit um?
Die Taliban haben sich laut Licht in den letzten Jahren neu aufgestellt, um ihre Botschaft nicht nur über die Sozialen Medien, sondern auch über Interviews mit westlichen Medien in die Welt zu tragen. Als ARD-Korrespondentin habe sie schon seit seit ein anderthalb Jahren Kontakt zu den Taliban, habe selbst Gespräche und Interviews geführt.
Daher wisse man auch schon länger, was das Ziel der radikalislamistischen militärischen Bewegung sei: "Die Taliban haben eine ganz klare Agenda: Sie möchten eine internationale Anerkennung, nachdem eine Regierung installiert worden ist". Dazu müsse sich die internationale Gemeinschaft nun verhalten. Die Medien müssten einen Weg finden, darüber zu berichten und Aussagen zu prüfen. "Da sehen wir natürlich schon noch ein Unterschied, was die Führungsspitze sagt und was dann draußen im Land umgesetzt ist und wie damit umgegangen wird."