Es gibt kaum jemanden in Afghanistan, der sie nicht kennt. Wenn es um Menschenrechte, Korruption oder Gewalt gegen Frauen geht: Shakila Ebrahimkhil mischt sich ein und berichtet darüber.
"Der Grund dafür, dass ich unbedingt Journalistin werden wollte, ist die Tatsache, dass ich zu der Kriegsgeneration in Afghanistan gehöre. Während des schrecklichen und diktatorischen Regimes der Taliban konnte man nur einen BBC-Sender empfangen und das heimlich. Diejenigen, die die Möglichkeit hatten, versammelten sich um das Radio und lauschten jeder Nachricht. Das gab ihnen Hoffnung. Damals habe ich den Wert von Nachrichten und Informationen erkannt und mich entschieden, die Stimme meines Volkes zu sein und Journalistin zu werden."
Vielen passt die kritische Berichterstattung nicht
Die Star-Reporterin Ebrahimkhil war eine der ersten Frauen, die nach der Ära der Taliban an der Kabuler Universität Journalismus studierten. Nach ihrem Studium arbeitete die dreifache Mutter für den größten afghanischen Privatsender TOLO News. Wegen der Brisanz ihrer Berichte war Shakila Ebrahimkhil ständig in Lebensgefahr. Radikal-Islamisten, Menschenrechts- und Demokratisierungsgegnern passt die kritische Berichterstattung des Senders nicht, und sie werfen ihm vor, Unwahrheiten und Verleumdungen gegen den Islam zu verbreiten.
Den zahlreichen Drohungen, denen TOLO und andere unabhängige die Medien in Afghanistan täglich ausgesetzt sind, sind sich deren Macher oft gar nicht bewusst. Erst im Ernstfall zeigt sich dann, wie gefährlich das Leben der Journalisten ist. Shakila Ebrahimkhil erinnert sich.
"Am 20. Januar 2016 haben die Taliban auf das Fahrzeug unseres Senders einen Anschlag verübt, in dem unsere Kollegen auf dem Nachhauseweg waren. Sieben von ihnen wurden getötet und andere schwer verletzt. Unter den Ermordeten waren junge, aktive und engagierte Frauen. Das war für mich sehr schwer. Auch mein Fahrer, der mich oft nach Hause gebracht oder abgeholt hat, war unter ihnen. Nach diesem Ereignis haben die Taliban über diverse Netzwerke angekündigt, dass ich ihr nächstes Ziel sei. Das alles hat mich sehr entmutigt. Ich habe in meinem Beruf schon so manche Schwierigkeiten gehabt. Jetzt bekam aber alles eine neue Dimension. Ich hatte große Angst. Vor allem wegen meiner drei Kinder. Ich wollte nicht, dass ihnen etwas passiert und dass sie Opfer meiner Arbeit würden. Wenn sie auf dem Weg zur Schule waren und etwas vorfiel…Wir waren sehr eingeschränkt. Denn aus den Drohungen hätte zu jeder Zeit Ernst werden können."
Menschen wenden sich an Medien statt an Behörden
In Afghanistan sind Medien und Journalisten vielen ein Dorn im Auge. Denn nicht selten kommen Verbrechen erst ans Licht, weil Journalisten über sie berichtet haben. In Afghanistan ist es größtenteils den Medien zu verdanken, dass es zu Fortschritten bei der Aufklärung von Verbrechen kommt. Wird jemand in einem Bericht namentlich mit einer Straftat verbunden, kommt das einem Ehr- und Gesichtsverlust gleich. Die Folgen sind für die Täter oft gravierender als eine Haft- oder Geldstrafe.
Auch Shakila Ebrahimkhil bekam zu spüren, dass sie durch ihre mutige Berichterstattung viele Gegner hat. Andere wiederum setzten große Hoffnung in sie.
"Eines Tages rief mich ein Mann aus der Provinz Takhar an. Er erzählte mir, dass ein Kommandant seine zwei Nichten entführt und eins der Mädchen auf der Flucht erschossen hätte. Ich ließ den Mann nach Kabul kommen und forderte die zuständigen Behörden auf, ihm zu helfen und machte eine Reportage zu dem Fall und die Willkür der Sicherheitsorgane. Daraufhin ließ der Kommandant das Mädchen frei. Ja, viele Menschen haben kein Vertrauen in die Behörden, sie wenden sich eher an die Medien und an uns Journalisten."
Regierung schützt Journalisten nicht ausreichend
Im Vergleich zu anderen Institutionen verzeichnet der Mediensektor in Afghanistan die größte Entwicklung der letzten Jahre und ist dadurch ein wichtiges Aushängeschild des Landes. Davon profitiert auch die afghanische Regierung. Dennoch werden die Journalisten nicht ausreichend geschützt.
"Viel Hoffnung auf die Unterstützung der Regierung gibt es nicht. Sie sagt, dass sie alles, was in ihrer Macht steht, tut und zu mehr nicht in der Lage ist. Ich habe mich auch an andere Institutionen gewandt und darum gebeten, mir zu helfen und wenigstens meine Kinder an einen sicheren Ort zu bringen, damit ich meine Arbeit fortführen kann. Aber auch das konnte mir nicht gewährt werden. Für mich ist es sehr schwierig und traurig, da ich meine Arbeit wirklich liebe und aus Überzeugung Journalistin bin. Ich stand unter enormen Druck und musste Afghanistan deshalb verlassen."