Es geht zunächst einmal darum, ein deutliches Zeichen zu setzen. Ein Zeichen, dass die internationale Gemeinschaft Afghanistan angesichts der vielen anderen globalen Krisen nicht aus den Augen verliert; dass sie weiter bereit ist, das Land finanziell zu unterstützen. Vertreter von 70 Ländern haben sich angekündigt, mehr als 20 Organisationen werden in Brüssel mit dabei sein, darunter auch der afghanische Präsident Ashraf Ghani sowie UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon. Doch der außenpolitische Experte im Europäischen Parlament, Knut Fleckenstein, warnt vor überzogenen Erwartungen an das insgesamt zweitägige Treffen:
"Wenn sie nicht zusammen darüber nachdenken, wie man auch die finanziellen Notwendigkeiten dafür schaffen kann, den Friedensprozess dort voranzubringen und auch wirtschaftlich das Land voranzubringen, dann werden sie gar keine Lösung finden. Ich bin nur relativ pessimistisch, ob das jetzt bei dieser Besprechung wirklich nennenswert gelingen kann."
Enorme Fortschritte im Bereich Korruption und Gesundheit
Bei der EU-Kommission klingt das anders. Dort verweist man auf die enormen Fortschritte in den letzten Jahren, auch bei der Korruptionsbekämpfung unter Staatschef Ghani. Und deutlich mehr Menschen hätten heute Zugang zu einer gesundheitlichen Grundversorgung, nämlich 57 Prozent der Bevölkerung verglichen mit nur 9 Prozent im Jahr 2001. Die Lebenserwartung sei deutlich gestiegen, ebenso die Zahl der Schüler, und mittlerweile stellen Frauen 27 Prozent der Parlamentsabgeordneten. Der Schutz und die Stärkung von Frauen und ihren Rechten, das ist dann eines der Hauptthemen am ersten Sitzungstag.
Doch auch in Brüssel weiß man natürlich um die vielen Gefahren für den Friedensprozess, die prekäre Sicherheitslage und die ungelösten Probleme im Land. Afghanistan ist weiter extrem abhängig von den ausländischen Geldgebern, nicht nur wenn es um den Aufbau halbwegs funktionierender Sicherheitsstrukturen geht. Auch das Wirtschaftswachstum ist zuletzt deutlich eingebrochen, Armut und Arbeitslosigkeit sind deutlich gestiegen, auf jeweils 39 Prozent gemessen an der Gesamtbevölkerung.
Die Bilanz falle also ziemlich ernüchternd aus, meint dazu SPD-Experte Fleckenstein: "Weil die ganzen Jahre alle Bemühungen sowohl im militärischen Bereich als auch im humanitären oder wirtschaftlichen Bereich nicht sonderlich Früchte getragen haben."
Die Finanzierung des Staates weiterhin sichern
Und doch wird es auch bei dieser Afghanistan-Konferenz darum gehen, die Finanzierung des Staates weiter sicherzustellen. Mit rund 1 Milliarde Euro haben sich die EU und die Mitgliedstaaten zuletzt pro Jahr engagiert, diese Summe, so heißt es, soll auch bis 2020 Bestand haben. Allein die EU wird auf der Konferenz ihre bisherige finanzielle Hilfe von 200 Millionen Euro pro Jahr bekräftigen – dabei geht es um Unterstützung der Sicherheit, den Aufbau der demokratischen Strukturen, den Schutz der Menschenrechte, aber auch den Kampf gegen Korruption.
Aber natürlich wird es auch um das Thema Rücknahme von Flüchtlingen gehen, immerhin stellten Afghanen allein im Zeitraum zwischen April und Juni die zweigrößte Gruppe von Asylantragstellern in der EU. Erst am Wochenende gab es bei den laufenden Gesprächen eine Annäherung, erklärte eine Kommissionssprecherin gestern:
Internationale Geberländer könnten politischen Druck ausüben
"Die EU und Afghanistan haben jetzt eine wichtige politische Vereinbarung getroffen. Dabei geht es um weitere Schritte zwischen der EU und Afghanistan im Bereich der irregulären Einwanderung. Wir erwarten hier Fortschritte auch bei der Umsetzung in den nächsten Tagen."
Berichte, wonach sich Afghanistan zur Rücknahme von 80.000 Flüchtlingen bereit erklärt haben soll, wollte die Kommission jedoch nicht kommentieren. Grundsätzlich heißt es in Brüssel, eine unmittelbare Verknüpfung von Hilfsleistungen und der Rücknahme von illegalen Flüchtlingen werde es nicht geben. Doch dass die internationalen Geberländer hier über erhebliches politisches Druckpotential verfügen, liegt auf der Hand.