Das Angebot kam überraschend, und es war überraschend weitreichend. In einer Runde internationaler Diplomaten Ende Februar in Kabul kam Afghanistans Präsident Ghani gleich zur Sache. Er wünsche sich Verhandlungen mit den Taliban und er sei bereit, die Extremistengruppe als politische Partei anzuerkennen, er werde gefangene Taliban freilassen und sogar über Verfassungsänderungen nachdenken. Das alles ohne Vorbedingung.
"Ich appelliere an die Taliban und an die Führung der Gruppe. Die Entscheidung liegt in Ihren Händen. Willigen Sie ein in einen Frieden mit Würde, lassen Sie uns gemeinsam dieses Land retten, für das wir so viel geopfert haben."
Taliban wollen verhandeln - aber nur mit den USA
Ghani hatte einen Monat zuvor noch erklärt, die Taliban ausschließlich auf dem Schlachtfeld besiegen zu wollen. Da hatten die Extremisten gerade mit einem besonders perfiden Anschlag mehr als 100 Menschen in Kabul getötet. Der Sprengsatz war in einem Krankenwagen versteckt. Doch es war wohl internationaler Druck, der den afghanischen Präsidenten zum Umdenken bewogen hat. Die große Frage also lautete: Wie würden die Taliban reagieren?
Zunächst einmal mit einer höflichen Absage. Immerhin hatten sie Ghanis Rede als "exzellent" gelobt. In der vergangenen Woche dann wurden sie etwas konkreter: Die Regierung in Kabul sei nicht legitim. Die Taliban kündigten in dieser Woche schließlich an, sie wollten zwar verhandeln, aber nur mit den USA. US-Verteidigungsminister Mattis sieht dennoch positive Signale:
"Wir haben schon vor der Konferenz in Kabul eine gewisse Verhandlungsbereitschaft bei den Taliban ausgemacht. Wir möchten, dass die Afghanen das selber regeln. Gleichzeitig aber sind wir offen für weitere Schritte. Im vergangenen Monat sind einige Taliban auf uns zugekommen, die Interesse an Gesprächen haben. Es wäre zu viel erwartet, wenn gleich alle Taliban kämen. Aber einige Elemente innerhalb der Taliban sind an Gesprächen interessiert."
Der Afghanistan-Beauftragte der Europäischen Union, Roland Kobia, forderte inzwischen alle Regierungen, die mit den Taliban in Kontakt stehen, auf, die Extremisten zu Gesprächen zu ermutigen.
"Diese Regierungen sollten den Taliban klar machen, dass es sich hier um das umfassendste Friedensangebot handelt, das bisher gemacht wurde. Wenn Regierung und Taliban wirklich das Beste für das Land wollen, dann wäre dies eine gute Gelegenheit."
US-Luftwaffe fliegt so viele Angriffe wie seit 2011 nicht mehr
Politische Analysten sehen die Taliban in der Zwickmühle. Lehnen sie Ghanis Angebot ab, liefern sie der Regierung und den USA Argumente, die Luftangriffe gegen die Taliban noch einmal auszuweiten. Schon jetzt fliegt die US-Luftwaffe so viele Angriffe wie seit 2011 nicht mehr. Aber eine Annahme des Angebots würde bei vielen Taliban-Kämpfern in den Schützengräben nicht gut ankommen, sagte Borhan Osman von der Internationalen Crisis Group, die internationale Organisationen berät.
Das renommierte Afghanistan Analysts Network schreibt, das Angebot Ghanis sei qualitativ weitreichender als bisherige Friedensinitiativen. Es sei wahrscheinlich, dass die Taliban zumindest über Verhandlungen nachdenken würden. Ähnlich formuliert es auch Präsident Ghani selbst:
"Das Angebot ändert Vieles, denn es zwingt alle Kriegsparteien, ihre bisherigen Standpunkte zu überdenken. Das kann sicher kurzfristig dazu führen, dass es heftigere Kämpfe geben wird. Aber das afghanische Volk hat jetzt 40 Jahre lang darauf gewartet, dass die Kriegsparteien ernsthaft ihre bisherigen Positionen prüfen."
Täglich Kämpfe und Anschläge
An den vielen Fronten in Afghanistan scheint sich seit dem Gesprächsangebot Ghanis wenig geändert zu haben. Täglich gibt es neue Meldungen über Kämpfe, Zwischenfälle und Anschläge. 30.000 Menschen wurden seit Jahresbeginn in die Flucht geschlagen. Jede Seite will aus einer Position der Stärke verhandeln. 2017 schienen die Taliban in der Offensive. Jetzt wollen die afghanische Regierung und die US-Streitkräfte das Blatt vor allem mit ihren intensiven Luftangriffen wenden. Und so ist der Chef des afghanischen Hohen Friedensrats, Karim Khalili, skeptisch. Eigentlich soll der Friedensrat die Gespräche koordinieren. So hatte es Präsident Ghani angekündigt. Aber Khalili betonte zuletzt, er glaube nicht, dass die Taliban jemals kapitulieren werden.