An den schneebedeckten Berghängen am Stadtrand von Kabul üben ein paar junge Leute die Abfahrt mit einem Snowboard. Die meisten der Männer und Frauen, alle um die 20, sind blutige Anfänger und liegen häufig im Schnee, wie auf Filmmaterial der Nachrichtenagentur AP zu sehen ist. Ihr Trainer Ahmad Romal Hayat zeigt, wie es geht.
"Snowboarding ist ganz neu in Afghanistan. Wir wollen der Welt zeigen, dass in diesem Land, in dem es viele Kämpfe gibt und ethnische Probleme, nicht nur Krieg herrscht. Wir machen auch Sport und die Jugend von Afghanistan, Jungen und Mädchen, sind dabei."
Einen Lift gibt es keinen
Ein Board müssen sie sich teilen und einen Lift gibt es auch nicht. Nach jeder Abfahrt folgt ein mühsamer Aufstieg. In den Bergen rund um Kabul, die bis zu 1.800 Meter hoch sind, hatten sich während des Bürgerkriegs in den 90er-Jahren die Mudschaheddin versteckt und die afghanische Hauptstadt mit Granaten beschossen. Später auch die Taliban. Sollten die an die Macht zurückkehren, wäre es vorbei mit Spaß, befürchtet der 24-jährige Karim Faizi.
"Wenn die Taliban zurückkommen, müssen wir mit dem Snowboarding wohl aufhören. Die haben was gegen Sport."
Unter der Taliban-Herrschaft war Sport verboten
Dabei sieht es gerade so aus, als könnten die Taliban schon bald ein gewaltiges Wort mitreden, bei der Gestaltung der Zukunft Afghanistans. Die USA sind offenbar bereit, noch in diesem Monat ein Abkommen zu unterzeichnen, das auch einen Abzug der US-Truppen aus Afghanistan umfasst. Der junge Snowboard-Lehrer, Ahmad Romal Hayat, kann sich nicht vorstellen, dass die Zeit dann wieder zurückgedreht werden könnte, wie während der Taliban-Herrschaft, Ende der 90er-Jahre, als Sport und andere Freizeit-Aktivitäten verboten waren, insbesondere für Mädchen und junge Frauen.
"Die junge Generation in Afghanistan hat eine andere Vision von der Zukunft des Landes. Die jungen Leute wollen Fortschritt in jedem Aspekt des Lebens. Wir sind optimistisch, dass auch die Taliban das erkennen. Und dass sie, wenn sie zurückkommen, auch mehr Fortschritt zulassen."
Auch die 16 Jahre alte Zahra Hakimi ist zusammen mit ihren Freundinnen zur Piste gekommen, um das erste Mal in ihrem Leben ein Snowboard auszuprobieren. Nach ein paar Versuchen klappte es schon ganz gut.
"Wenn man sieht, wie begeistert die hier alle sind für diesen Sport, dann bekommt man sofort Lust, mitzumachen. Jungs und Mädchen sind dabei, fallen hin und stehen wieder auf. Ich finde das toll."
Afghanistan zählt zu den zehn gefährlichsten Ländern
Dabei ist die Umgebung von Kabul nicht gerade ein Wintersportgebiet. Obwohl zur Zeit die Sicherheitslage in den Bergen außerhalb der Hauptstadt, ebenso wie in der zentralafghanischen Provinz Bamiyan, gut genug zu sein scheint für Freizeitaktivitäten wie Snowboarding. In den meisten anderen Teilen des Landes gibt es Kämpfe zwischen den Taliban und den afghanischen Streitkräften, die von den US-Truppen unterstützt werden. Afghanistan zählt zu den 10 gefährlichsten Ländern, gerade für Kinder und Jugendliche. Nach einer Studie der Hilfsorganisation Save the Children, wachsen in Afghanistan, sowie im Irak und in Syrien und mehreren afrikanischen Ländern, fast 150 Millionen Kinder unter gefährlichsten Lebensumständen auf. Weltweit lebten mehr als 415 Millionen Mädchen und Jungen in Konfliktgebieten und würden Opfer von Kampfhandlungen, sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung.
Trump will US-Truppen nach Hause holen
Dass sich die Lage der Kinder und Jugendlichen in Afghanistan verbessert, wenn die USA ihre Truppen abziehen, wird von vielen bezweifelt. Zurzeit sind noch rund 13.000 US-Soldaten am Hindukusch stationiert, doch US-Präsident Donald Trump will die Truppen möglichst bald nach Hause holen, auch, um im Wahlkampf für seine Wiederwahl Punkte zu machen.
Was dann aus den Afghanen wird, ist unklar. Vor allem die Frauen und Mädchen befürchten, dass ihre Rechte und Freiheiten dann wieder beschnitten werden könnten. Auch die Freiheit, im Winter Snowboard zu fahren und im Sommer Skateboard.
Oscar-Trophäe für Doku über Skateboard-Schule in Kabul
Ein Dokumentarfilm über eine Skateboard-Schule für Mädchen in Kabul, hat bei der diesjährigen Oscar-Verleihung eine der begehrten Trophäen erhalten. "Learing to Skateboard in a Warzone, if you´re a Girl" – so der Titel des Films – handelt von einem Projekt, bei dem junge Mädchen an einem der gefährlichsten Orte der Welt lernen, mit Skateboards über die Curbs und Pipes eines Skateparks flitzen.
In unserem Land gilt man schon als mutig, wenn man als Mädchen zur Schule geht, sagte eines der Mädchen im Trailer für den Film. Der Skatepark in einer Halle gehört einer Schule, die von einer internationalen Nichtregierungsorganisation geführt wird. Fast 400 Jungen und Mädchen werden hier unterrichtet. Was aus ihnen wird, nach einer Friedensvereinbarung mit den Taliban, ist unklar.
Rechte der Frauen gehen manchem zu weit
Auch das Ergebnis des geplanten innerafghanischen Dialogs über die Zukunft des Landes steht in den Sternen. Die Taliban lehnen Freiheitsrechte nach westlichem Vorbild ab. Und auch in Teilen der afghanischen Bevölkerung scheint das Interesse an einer offenen demokratischen Gesellschaft zu schwinden. Sogar einigen Delegierten der Großen Ratsversammlung, die im vergangenen Jahr zusammengekommen war, gingen die Freiheiten, die sich die afghanischen Frauen in den vergangenen Jahren erkämpft hatten, zu weit. Im Schlussdokument der Loja Dschirga hieß es, man müsse in Zukunft auch die berechtigten Interessen der Taliban berücksichtigen.