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Afrika-Arbeit des DAAD
"Viele südafrikanische Universitäten sind Weltspitze"

Der Wissenssektor in Afrika müsse differenziert betrachtet werden, sagte Stefan Bienefeld vom Deutschen Akademischen Austauschdienst im Dlf. Das Niveau und die Schwerpunkte unterschieden sich stark von Land zu Land. Dem "Brain Drain" in dem Kontinent begegne der DAAD gezielt mit entsprechenden Förderprogrammen.

Stefan Bienefeld im Gespräch mit der Gastmoderatorin Veye Tatah |
    Studentin bei der Absolventenfeier der Uni Bonn.
    Studentin bei einer Absschlussfeier an der Uni Bonn: Der DAAD will dem Weggang von Student*innen aus Afrika mit attraktiven Förderprogrammen entgegenwirken (imago stock&people)
    Veye Tatah: Ich begrüße Herrn Stefan Bienefeld, Bereichsleiter Entwicklungszusammenarbeit und überregionale Programme beim Deutschen Akademischen Austauschdienst, DAAD.
    Stefan Bienefeld: Hallo!
    Tatah: Herr Bienefeld, Sie haben die Umfrageergebnisse gehört. Was halten Sie davon?
    Bienefeld: Das ist schon relativ klischeebeladen, vieles davon. Auf der anderen Seite sind auch ein paar Körnchen Wahrheit natürlich drin: Es gibt zu wenige Lehrer. Der Lehrerberuf wird schlecht bezahlt in vielen Ländern. Und was auch richtig ist, dass es sehr unterschiedlich ist. Es gibt leider immer so eine Tendenz in Deutschland, auf Afrika als ein großes chaotisches Land zu gucken. Die Unterschiede sind halt doch riesig zwischen den unterschiedlichen Ländern und Regionen. Von daher kann man das nicht alles so über einen Kamm scheren.
    Tatah: Was machen Sie im Rahmen Ihrer Arbeit beim DAAD, um eine andere Perspektive zu vermitteln?
    Bienefeld: Wir machen auf der einen Seite relativ viele Programme für und mit afrikanischen Partnern. Und da sieht man dann eben auch schon die großen Unterschiede zwischen den Ländern. Wir versuchen aber auch, ein differenzierteres Bild hier in Deutschland zu vermitteln, indem wir Informationen über afrikanische Länder aufbereiten, zur Verfügung stellen, sowohl auf unserer Homepage, über die Bildungssysteme, über die Länder an sich, als auch teilweise über Besuchsmöglichkeiten dann für deutsche Hochschulen. Dass Leute dahin fahren können um sich das wirklich vor Ort anzugucken, wie es da ausschaut. Und da sieht man dann eben, dass die Unterschiede sehr groß sind.
    Einige Universitäten gehören zu den besten der Welt
    Viele südafrikanische Universitäten zum Beispiel sind Weltspitze. Die gehören mit zu den besten Universitäten auf der Welt. Das sieht in der Zentralafrikanischen Republik anders aus. Das Land ist auch an einem anderen Punkt seiner Entwicklung. Aber insgesamt ist der Trend, glaube ich, in den letzten Jahren relativ positiv.
    Es gibt ein großes Interesse deutscher Hochschulen für bestimmte Schwerpunktländer. Es läuft sehr viel mit Ghana, es läuft sehr viel mit Südafrika, sehr viel mit Kenia und Tansania. Mit den französischsprachigen Ländern ist es leider noch ein bisschen wenig. Das ist oft auch die Sprachbarriere, die da eine Rolle spielt, und die Tatsache, dass die Bildungssystem einfach sehr unterschiedlich sind im frankophonen Teil des Kontinents. Aber wir arbeiten daran, auch das zu verbessern.
    Wir haben letztes Jahr zum Beispiel ein Projekt angefangen mit dem Senegal, Mali und Niger. Zumindest die beiden letztgenannten Länder sind ja nun eher negativ in den Schlagzeilen gewesen die letzten Jahre über. Und da versuchen wir, mit der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung in Kehl Verwaltungswissenschaftler auszubilden, um die öffentliche Verwaltung in dem Land zu modernisieren, oder den Modernisierungsprozess, der im Prinzip schon läuft, zu unterstützen dadurch, dass qualifiziertes Personal eben geschult wird.
    Programm gegen Brain Drain
    Tatah: Heutzutage hört man immer sehr viel über Brain Drain aus den afrikanischen Ländern, indem die hoch ausgebildeten jungen Menschen den Kontinent verlassen, um nach Europa zu kommen. Fördert denn der DAAD vielleicht nicht auch indirekt diesen Brain Drain, oder hat irgendwo in Ihrem Programm auch die Forderung nach Brain Gain Raum?
    Bienefeld: Wir fördern auf der einen Seite die Mobilität in beide Richtungen. Es ist schon so, dass wir auch die Möglichkeit schaffen für Deutsche, nach Afrika zu gehen. Man muss zugeben, dass das im Moment sehr unausgeglichen ist, auch in unserer Förderung. Es kommen dreimal so viele Afrikaner nach Deutschland, wie Deutsche nach Afrika gehen zum Studieren und zum Forschen. Trotzdem ist es so, dass unter den Stipendiaten und Stipendiatinnen, die wir fördern, ein wirklich großer Teil dann auch zurückgeht anschließend, entweder in ihre Heimatländer oder in ihre Heimatregionen. Die werden da dann berufstätig.
    Was wir auch machen, um dem Brain Drain entgegenzuwirken und auch stärker benachteiligte Gruppen in die Förderung zu bekommen, ist, dass wir Stipendien direkt vor Ort vergeben. Das heißt, wir geben ein Stipendium an jemanden aus dem Tschad, der dann im Senegal studiert. Oder an jemanden aus Namibia, der dann in Südafrika promoviert, weil man in Namibia eben keine Doktorarbeiten in bestimmten Disziplinen machen kann. Das fördert natürlich schon auf der einen Seite die innerafrikanische Vernetzung, schafft auf der anderen Seite stärkere Strukturen in den afrikanischen Universitäten, die dann wiederum für deutsche Partner als Anknüpfungspunkte für gemeinsame Kooperationen interessant werden.
    Ich glaube, dass wir so schon versuchen, die Leute zur Rückkehr zu ermutigen, ohne das natürlich erzwingen zu können. Es gibt eine Gesetzessituation, die in Deutschland relativ, im Moment zumindest, relativ komfortabel ist für Hochqualifizierte, nach einem Universitätsabschluss hierzubleiben. Allerdings ist es trotzdem so, dass wir Rückkehrquoten von über 70 Prozent in den Stipendienprogrammen haben. Es ist so, dass der Großteil der Leute wirklich zurückkehrt. Und es gibt Länder, also in Kenia zum Beispiel ist es so, dass an vielen von den jungen, neuen Universitäten ein Großteil der Lehrenden irgendwann mal ein DAAD-Stipendium hatte, eben über diese Programme, die wir vor Ort betreiben.
    Stärken afrikanischer Universitäten
    Tatah: Sie haben jetzt sehr schön erzählt, was Sie im Rahmen von DAAD in diesem Austausch mit afrikanischen Ländern machen. In welchen Feldern sind die afrikanischen Ländern besonders stark in der Wissenschaften? Ich habe zum Beispiel vor Kurzem einen Artikel gelesen – "Der nächste Einstein kommt aus Afrika" – was halten Sie davon?
    Bienefeld: Das ist eine Initiative, die damals von kanadischen Wissenschaftlern gepuscht wurde, das Next-Einstein-Forum. Das ist die Idee gewesen, Forschung zu fördern in Afrika, vor allen Dingen in den Naturwissenschaften mit einem Schwerpunkt noch mal in Mathematik, um zu sagen, es müsste eigentlich mal einen afrikanischen Nobelpreisträger geben in einer echten Naturwissenschaft. Es gibt afrikanische Literaturnobelpreisträger, Friedensnobelpreisträger, aber es gab noch nie einen Afrikaner oder eine Afrikanerin, die einen Nobelpreis in der Wissenschaft gewonnen hat. Und das will diese Initiative fördern, die im Übrigen auch von deutscher Seite durchaus mit unterstützt wird, intensiv.
    Es gibt natürlich eine ganze Reihe von Dingen an afrikanischen Universitäten in verschiedenen Ländern, die stark sind. Die Klassiker sind so Sachen wir Agrarwissenschaften, weil das auch wichtig ist, ökonomisch wichtig ist für viele Länder. Das ist was, wo viele Universitäten stark drin sind. Ähnlich gilt das für Tropenmedizin. Aber auch das betrifft dann typisch afrikanische Probleme, in Anführungszeichen.
    Es gibt aber auch andere Bereiche, in denen die Hochschulen gut sind. Man kann zum Beispiel kaum in anderen Städten wie in Johannesburg oder Lagos oder Kinshasa so gut erforschen, was eigentlich Urbanisierung bedeutet. Weil innerhalb von sehr kurzer Zeit ein sehr massiver Entwicklungsschub in einem Land passiert, und die Landbevölkerung in die Städte zieht. Was passiert dann in diesen Mega-Städten? Das kann man in diesen Städten wunderbar erforschen. Das kann man natürlich auch wunderbar gemeinsam mit afrikanischen Forschern und Forscherinnen tun, die wir oft nicht kennen, die aber da sind. Man muss dann einfach sich auch mal die Mühe machen, dahin zu fahren, die Unis zu besuchen und mit den Leuten über diese Themen zu reden. Weil natürlich haben die auch ein eigenes Interesse daran, sich damit zu befassen, weil es einfach große Herausforderungen auch für die Länder selbst sind.
    Anpassung an den Klimawandel
    Ein Bereich, in dem Deutschland die letzten Jahre über relativ stark unterstützt hat, ist dieser ganze Bereich Anpassung an den Klimawandel. Da gibt es große Projekte, WASCAL und SASSCAL, die vom deutschen Bildungs- und Forschungsministerium finanziert wurden, in Westafrika und im südlichen Afrika, wo man eben auch Exzellenzzentren geschaffen hat, die sich ganz besonders stark mit den Anpassungen an den Klimawandel auseinandersetzen, aber dann länderspezifisch, also spezifische Probleme in Burkina Faso oder in Nigeria oder in Côte d'Ivoire angehen. Und das ist, glaube ich, auch der Weg nach vorn. Die Exzellenzen, die da sind, in Afrika weiter zu stärken.
    Wir haben ein eigenes Programm, mit dem wir versuchen, das zu tun, aber es gibt wie gesagt auch diese vielen anderen Initiativen wie das Next-Einstein-Forum. Auch die Weltbank, die ja aus meiner Sicht durchaus zu Recht kritisiert wurde für vieles, was sie in Afrika gemacht hat in den letzten 30 Jahren, hat in den letzten zehn Jahren ihre Politik stark umgeschwenkt, und fördert jetzt auch Exzellenzzentren in vielen afrikanischen Ländern im Hochschulbereich. Das ist aus meiner Sicht eine sehr positive Trendwende, zu sagen, auch Universitäten sind wichtig für die Entwicklung Afrikas. Weil wenn man gute Bildung haben will, wenn man ein gutes Gesundheitssystem haben will, ein funktionierendes Wirtschaftssystem, dann braucht man dafür eben Fachleute, und die fallen nicht vom Himmel. Die müssen irgendwo ausgebildet werden, und wo soll das passieren, wenn nicht an Universitäten?
    Tatah: Vielen Dank, Herr Bienefeld, für diesen differenzierten Blick in die Wissenschaft.
    Bienefeld: Ich danke auch, vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.