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Afrika-Cup 2019
Wie Ägyptens Machthaber den Fußball nutzt

Der 32. Afrika-Cup in Ägypten steht an. Dort regiert seit 2014 ein Militärregime unter dem Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi. Seit mehr als hundert Jahren wirken Autokraten in Ägypten auch durch den Fußball auf die Bevölkerung ein - der Afrika-Cup spielt dabei eine gewichtige Rolle.

Von Ronny Blaschke |
Fußball, Afrika Cup Quali, Ägypten - Tunesien: Mohamed Salah aus dem ägyptischen Team feiert sein Tor im Qualifikationsspiel gegen Tuniesien.
Seit mehr als hundert Jahren wirken Autokraten in Ägypten auch durch den Fußball auf die Bevölkerung ein (imago sportfotodienst)
Im Oktober 2017 qualifizierte sich das ägyptische Nationalteam gegen die Republik Kongo erstmals nach 28 Jahren wieder für eine Weltmeisterschaft. Den Siegtreffer schoss Mohamed Salah, die nationale Fußballikone des FC Liverpool. Tage später empfing Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi die Mannschaft in einem Messezentrum. In seiner Rede verknüpfte er Sport, Wirtschaft und Politik, berichtet Amr Magdi von Human Rights Watch.
"Wir wissen, dass die ägyptische Regierung Gelegenheiten wie diese als PR-Kampagne nutzt, um sich reinzuwaschen. Und so war es dann auch bei der WM 2018 in Russland. Ägypten wählte für das Teamquartier die Teilrepublik Tschetschenien. Deren Präsident Ramsan Kadyrow regiert mit vergleichbarer Härte wie Sisi. Kadyrow besuchte eine Trainingseinheit der Ägypter und ernannte Mo Salah zum Ehrenbürger. Die gemeinsamen Fotos machten international Schlagzeilen. Salah soll wegen dieser Propaganda enttäuscht gewesen sein."
Solidarität mit den Muslimbrüdern
Mohamed Salah ist gern gesehen auf den roten Teppichen der Fußballbranche. Seine Bilder zieren Werbebanner, Häuserwände, Fanartikel und vor kurzem das Cover des Time Magazine. Immer wieder führen ägyptische Regierungsmitglieder den Aufstieg Salahs auf die historische Bedeutung ihrer Heimat zurück.
So war es vor gut zehn Jahren in abgeschwächter Form auch bei einem anderen Spieler: Mohamed Aboutrika war einer der wichtigsten Nationalspieler der ägyptischen Geschichte: mit 38 Toren in 100 Länderspielen, mit etlichen Titeln für den großer Kairoer Klub Al Ahly. Doch Aboutrika äußerte sich politisch. Er kritisierte das Gehaltsgefälle im Fußball, sammelte Spenden für benachteiligte Menschen, sympathisierte mit der Bevölkerung im Gaza-Streifen. Der Islamwissenschaftler Philip Malzahn erforscht den Fußball in Ägypten seit Jahren.
"Aboutrika war ein Fußballspieler, der einen Skandal ausgelöst hat, dadurch, dass er nach einem Tor oder nach mehreren Toren immer eine Vier mit der Hand hochgehalten hat. Diese Vier ist das Zeichen für einen Platz, auf dem nach dem Putsch Sisis gegen die Muslimbrüder ein weiterführendes Protestcamp der Muslimbrüder gewaltsam niedergeschlagen worden ist. Aboutrika hat sich damit solidarisiert, öffentlich. Und bei Spielen von Al Ahly natürlich auch im Fernsehen vor Millionen. Im Gegenzug dazu hat man dann Sachen gemacht, wie seine gesamten finanziellen Mittel und sein Eigentum ihm zu nehmen und seine Bankkonten einzufrieren."
Kairoer Ultra-Gruppen haben sich offiziell aufgelöst
Mohamed Aboutrika wurde von der Regierung als Terrorist eingestuft. So wie hunderte andere prominente Landsleute. Neben der Muslimbruderschaft sind vor allem die Ultras der großen Kairoer Klubs von der Repression betroffen. Über Jahre hatten sie in den Stadien eine euphorische Stimmung erzeugt.
Die Ultras haben beim Sturz von Hosni Mubarak 2011 eine wichtige Rolle gespielt. Auch danach kam es zu Verhaftungen, Demonstrationen und Konflikten mit der Polizei. Dabei starben mehr als 100 Fußballfans. Bis heute sind bei ausgewählten Ligaspielen nur wenige tausend Zuschauer zugelassen. Auch aus Sorge der Regierung vor Protesten, sagt der Politikwissenschaftler Jan Busse von der Universität der Bundeswehr in München.
"Das hat sogar dazu geführt, dass die Ultras von Al Ahly und auch von Zamalek, die White Knights, 2018 ihre Auflösung offiziell erklärt haben. Da ist jetzt die Frage: Ist das sozusagen ein Aufgeben gewesen? Haben die Ultras gesehen: ok, wir haben verloren gegen al-Sisi und sein Regime und wir müssen diese Niederlage anerkennen? Oder ist es vielleicht ein vorübergehender taktischer Rückzug, um die eigenen Mitglieder zu schützen. Damit die nicht weiter diesen massiven Repressionen ausgesetzt sind."
Eine Million Stimmen für Salah
Als Reaktion gehen frühere Ultras inzwischen zum Basketball oder Handball. Oder sie reisen mit ihren Fußballklubs zu Auswärtsspielen der afrikanischen Champions League. Ob sie nun den Afrika-Cup als Bühne nutzen? Das Turnier wird in sechs Stadien ausgetragen, drei davon in Kairo.
Die ägyptische Regierung wird Wert auf gute Presse legen – sie ist auf Investitionen und Militärhilfen aus den USA und Europa angewiesen. Es ist wahrscheinlich, dass sich Abdel Fattah al-Sisi mit Mo Salah zeigen wird. Bei den Präsidentschaftswahlen 2018 sollen eine Million Menschen für Salah gestimmt haben, obwohl dieser nicht kandidierte. Sie machten ihre Stimmen ungültig, auch als Protest gegen das Regime.