Ein Honigsammler vom Volk der Yao streift durch die Savanne im Norden Mosambiks. Seine Rufe gelten einem Vogel, der ihm mit einem speziellen Gesang antwortet. Der sogenannte Große Honiganzeiger wird ihm den Weg zu Bienennestern zeigen.
"Der Honiganzeiger nähert sich den Menschen und lockt sie mit einem besonderen Ruf. Dann fliegt er von Baum zu Baum in die Richtung des Bienennestes und zeigt den Menschen so, wo das Nest zu finden ist. Der Honiganzeiger macht das, weil er sich selbst am liebsten von Bienenwachs ernährt. Er kommt aber wegen der wütend stechenden Bienen allein nur schwer an das Wachs heran. Die Menschen wiederum mögen den Honig und wissen, wie sie die Bienen mit Feuer und Rauch beruhigen können. Dann können sie mit Äxten die Baumlöcher öffnen und die Honigwaben herausholen. Am Ende überlassen sie dem Honiganzeiger das Wachs, und die Menschen bekommen den Honig."
Mutualismus nennen Biologen das Verhalten, wenn Lebewesen zweier Arten in einer Weise miteinander kooperieren, dass beide einen Nutzen daraus ziehen. Die Zoologin Claire Spottiswoode von der Universität Kapstadt in Südafrika erforscht, wie Menschen und Vögel bei ihrer Jagd nach Honig und Wachs miteinander interagieren. Dass die Honiganzeiger-Vögel tatsächlich gelernt haben, zum eigenen Nutzen die Menschen in den Savannen Afrikas zu leiten, ist schon lange bekannt. Claire Spottiswoode konnte jetzt in einer Studie zeigen, wie effektiv dabei die beidseitige Kommunikation ist.
"Honigjäger auf der Suche nach Bienennestern verwenden besondere Rufe, um den Honiganzeiger-Vögeln zu signalisieren, dass sie bereit sind, ihnen zu folgen. Die Vögel können daran erkennen, wer ihnen ein guter Partner sein wird. Es findet also eine wechselseitige Kommunikation zwischen den Menschen und dem Wildtier statt, von der beide Seiten profitieren."
Der Ruf der Yao-Honigjäger zu den Vögeln klingt so:
"Brrr-hm, Brrr-hm."
Claire Spottiswoode machte gemeinsam mit den Yaos Versuche. Sie ließ die Männer wiederholt auf verschiedene Weise nach Bienennestern suchen. Mal sollten sie bei ihrem Gang durch die Savanne nur einen Namen rufen, wie zum Beispiel:
"Segu Uchi."
Mal nutzten die Honigjäger gezielt den Honiganzeiger-Lockruf:
"Brrr-hm."
Im Ergebnis zeigte sich, dass bei rund zwei Drittel der Versuche mit den speziellen Lockrufen sich ein Honiganzeiger zu den Yao gesellte. Das war doppelt so häufig wie mit den anderen Lauten. Die Wahrscheinlichkeit, am Ende auch ein Bienennest zu finden, lag im Vergleich sogar drei Mal so hoch. Das Brrr-hm erfüllt also nachweislich eine wichtige Rolle in der Kommunikation mit den Vögeln. Es bleibt auch für Claire Spottiswoode die Frage, warum die Yao gerade diesen Ruf nutzen?
"Ich habe die Männer das viele Male gefragt. Alle haben mir geantwortet, dass sie den Ruf von ihren Vätern gelernt hätten. Und die hätten das von ihren Großvätern gelernt. Jeder mache das so. Es lohnt sich auch nicht, einen anderen Ruf einzusetzen, weil man dann weniger Bienennester findet. Wie es ursprünglich dazu kam, wissen wir nicht. Es ist eine alte Tradition und tief in der Kultur der Yao verwurzelt."
Große Honiganzeiger gibt es nicht nur in Mosambik. Sie kommen in vielen Savannenlandschaften des subsaharischen Afrikas vor. Auch andere Naturvölker wie zum Beispiel die Hadza in Tansania nutzen die Hilfe der Vögel bei der Suche nach Wildhonig. Sie locken sie aber nicht mit einem "Brrr-hm", sondern einem charakteristischen Pfeifen.
Claire Spottiswoode will in weiteren Studien der Frage nachgehen, wie sich solche kulturellen Unterschiede entwickelt haben und wie die Honiganzeiger-Vögel jeweils lernen, auf welche Signale der Menschen sie achten müssen.