Sie galten damals als Wilde, die bei der Verteilung von Gebieten und Rohstoffen nichts zu sagen hatten. Im Berliner Ballhaus Naunynstraße wird nun an diese Konferenz erinnert - mit Theaterstücken, Filmen, Ausstellungen, Diskussionen und mit einem Konzert mit dem Pan-African Groove Collective.
Was wären Jazz und Pop ohne ihre afrikanischen Wurzeln? Das Pan-African Groove Collective wurde vor fünf Jahren gegründet, um an den 125. Jahrestag der Berliner Afrika-Konferenz zu erinnern. "So haben wir auch die CD 1884 genannt und danach die Band Pan African All Stars, weil Beteiligte aus allen afrikanischen Ländern stammen", sagt Jonas Bibi Hammond, der Gründer der Gruppe. Er stammt aus Ghana. Ihm ist wichtig, dass die Afrikaner nicht nur über die Vergangenheit klagen, sondern selbstbewusst in die Zukunft blicken: "Wir wollen sagen: OK, das ist unser Hintergrund, aber wir sind jetzt hier, was machen wir damit? Wie sind wir jetzt? Wie denken wir musikalisch? Wie denken wir kulturell, wie beeinflusst das die westliche Kultur, in der wir leben?"
Ein Mix aus traditionellen afrikanischen Klängen
Die Band mixt traditionelle afrikanische Gesänge mit R&B, Jazz und Reggae. Überall wo afrikanische Sklaven hin verschleppt wurden, beeinflussten sie die Musik. Jonas Bibi Hammond hat darüber einen Song geschrieben. Und auch Erfahrungen heutiger Flüchtlinge spielen in seinen Liedern eine Rolle: "Ich habe einmal einen Afrikaner auf der Straße getroffen. Er war gerade aus dem Souk gekommen oder sonstwas mit einer Tüte und er fragte mich: Bruder, parlez vous francais?. Ich sagte: Nein. Ich spreche auch kein Französisch. Dann hat er gesagt in schlechtem Englisch: I look for a disco. Warum? a disco, where I can find a woman to mary for visa. Natürlich, was soll er machen. Er will hier normal herkommen, aber die Wege werden blockiert."
Und genau darum geht es im Song "No visa, bye bye". Er erzählt von Afrikanern, die europäische Frauen heiraten, nur um ein Visum zu bekommen. Mit dem Konzert des Pan-African Groove Collective wurde am Wochenende die Reihe "We Are Tomorrow" eröffnet, mit der an die Folgen der Berliner Afrikakonferenz erinnert werden soll. Drei Monate lang - also genau so lange, wie 1884/85 Diplomaten aus Europa, den USA und aus dem Osmanischen Reich über die Aufteilung Afrikas berieten – wird es Konzerte, Filme und Theaterperformances geben. Der Titel "We Are Tomorrow – Wir sind das Morgen" soll darauf hinweisen, dass es nicht nur um die Vergangenheit, sondern auch um die Zukunft geht. "Die Zukunft kann besser aussehen in dem Moment, wo wir Bestandteil der Gesellschaft sind", sagt Wagner Carvalho, künstlerischer Leiter des Ballhauses Naunynstraße. "Wir schwarzen Menschen in Deutschland haben es nicht einfach, wenn wir auf die Straße gehen. Viele, die hier geboren wurden, werden nicht als Bestandteil dieser Gesellschaft wahrgenommen."
Deutsche Gesellschaft noch nicht offen
So offen ist die deutsche Gesellschaft noch nicht. Dabei ist im Zeitalter der Globalisierung die Vermischung verschiedener kultureller Einflüsse längst nicht mehr die Ausnahme sondern die Regel. Eine Ausstellung der gebürtigen Angolanerin Manuela Sambo, die im Foyer des Ballhauses Naunynstraße gezeigt wird, soll darauf hinweisen. Zu sehen sind zwei Gemälde, auf denen eine nackte Frau dargestellt ist. Die Verzierungen auf ihrer hellen Haut erinnern an die Körperbemalung der afrikanischen Ureinwohner. Man kann auch an die Südseebilder des französischen Malers Paul Gauguin denken. Sambo: "Ohne den bewussten Rückgriff auf afrikanische Formsprache, auf afrikanische kompositorische Freiheiten, wäre die westliche Moderne nicht das, was sie heute ist. Das ist undenkbar. Meine Herangehensweise war die, wie ist es, wenn ein afrikanischer Künstler, wie ich beispielsweise, wenn so ein Künstler sich der Urkunst Europas bedient und das in die eigene Formensprache hereinbringt."
Manuela Sambo zitiert in ihren Bildern nicht nur Gauguin, sondern auch viele andere Stilrichtungen - was in der Kunst eine ganz normale Praxis ist. Im gesellschaftlichen Leben ist die Sache komplizierter. Europa wird mehr und mehr zur Festung ausgebaut. Auch daran wird im Ballhaus Naunynstraße erinnert: Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit einem abwechslungsreichen Kulturprogramm.