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Afrika und Mittlerer Osten
Kampf gegen homophobe Propaganda im Netz

Wer sich in Afrika oder dem Mittleren Osten als homo- oder bisexuell outet, dem drohen Zwangsheirat, Vergewaltigung, Isolation oder gar die Todesstrafe. Trotzdem gibt es lebendige Communities, zu denen vor allem digitale Medien beitragen. Das geht nicht immer ohne Lebensgefahr.

Von Annika Schneider |
    Schwule und lesbische Aktivisten im August 2012 tanzen bei der Gay-Pride-Parade im Botanischen Garten von Ugandas Hauptstadt Entebbe.
    Gay-Pride-Parade in Uganda im Jahr 2012 (picture alliance / dpa / Rachel Adams)
    Es war 2011, als in Uganda der Aktivist David Kato ermordet wurde. Kurz vorher hatte eine ugandische Zeitung ihn auf ihrer Titelseite als schwul geoutet. Ruth Muganzi erinnert sich noch gut daran. Trotzdem setzt sich die 29-Jährige heute in Uganda für die LSBTI-Community ein – also für Lesben, Schwule, bi-, trans- und intersexuelle Menschen.
    "Wir sind natürlich mit Gewalt konfrontiert, aber es gibt auch eine andere Seite der Community. Wir sind eine lebendige LSBTI-Bewegung. Wir sind Teil des Bildungssystems, wir arbeiten hier. Wir sind auch Menschen in Uganda. Wir tragen viel zu dieser Gesellschaft bei."
    Uganda: Internetportal für Schwule und Lesben
    Gemeinsam mit Freunden hat Ruth Muganzi 2014 das Internetportal "Kuchu Times" gegründet. Dort schreiben sie ehrenamtlich über den Alltag von Schwulen, Lesben und Trans-Menschen in Uganda.
    "Für homosexuelle Menschen in Uganda und ganz Afrika ist es wichtig, Geschichten zu haben, in denen sie sich wiederfinden. Als ich ein Teenager war, habe ich versucht, meine eigene Sexualität zu verstehen. Es gab damals keine Geschichten, die meine eigenen Probleme als schwarze, queere Uganderin wiedergespiegelt haben. Mit 'Kuchu Times' wollen wir dazu beitragen, dass die jüngeren Generationen ihre sexuelle Orientierung und Identität besser verstehen, weil unsere Geschichten etwas mit ihrem Leben zu tun haben."
    Das Portal richtet sich aber nicht nur an die Betroffenen, sondern auch an Journalisten. Noch vor wenigen Jahren war in den ugandischen Mainstream-Medien vor allem schwulenfeindliche Propaganda zu lesen. Mit "Kuchu Times" haben die Schwulen und Lesben nun eine eigene Plattform, um dagegen zu protestieren. Mit Erfolg: Die meisten ugandischen Journalisten sind inzwischen deutlich zurückhaltender.
    Propaganda im Internet gegen homosexuelle Menschen
    Kuchu Times ist nur ein Beispiel, wie Aktivisten digitale Medien für sich nutzen. Aber auch ihre Gegner rüsten auf. Der ukrainische Journalist Maxim Eristavi engagiert sich seit Jahren für die Rechte sexueller Minderheiten. Er warnt, dass konservative und religiöse Organisationen derzeit viel Geld in die Hand nehmen, um im Internet Propaganda gegen homosexuelle Menschen zu verbreiten.
    "Die Frage ist, wer mehr Einfluss gewinnt. Entweder es sind internationalisierte Hassgruppen, die die Vorteile der Globalisierung nutzen, um sich besser aufzustellen und stärker zu werden. Oder es sind Bürgerrechtskämpfer, die inzwischen auch mehr zusammenarbeiten, um dem internationalen Druck zu begegnen."
    Kairo: Polizei nutzt Dating Apps zum Ausspionieren
    Finanzstarke Interessengruppen sind nicht die einzige Herausforderung für die LSBTI-Community. Auch Regierungen haben den Kampf gegen die digitale Vernetzung aufgenommen. Zum Beispiel in Ägypten. Dort nutzen viele Schwule und Lesben inzwischen Dating-Apps. Dass das riskant ist, weiß die iranische Aktivistin Afsaneh Rigot:
    "Es gibt in mehreren Ländern spezielle Polizeistationen, vor allem in Kairo. Dort werden Polizeibeamte dafür ausgebildet, sich bei diesen Apps als schwule Nutzer auszugeben, in Chats zu schreiben, sexuelle Nachrichten auszutauschen, sich schließlich zu treffen und die schwulen Männer festzunehmen. Und dann nutzen sie den Chatverlauf als Beweis vor Gericht."
    Afsaneh Rigot arbeitet in der britischen Bürgerrechtsorganisation "Article 19" daran, das Dating sicherer zu machen. Dafür redet sie vor allem mit den Tech-Firmen, die die Apps entwickeln. Erste Erfolge gibt es bereits, zum Beispiel bei der Dating-App "Grindr". Noch bis vor kurzem drohte schwulen Männern eine Verhaftung, wenn sie mit ihrem Smartphone in eine Straßensperre gerieten und Polizisten die "Grindr"-Chats entdeckten. Inzwischen lässt sich das App-Logo verändern. "Grindr" sieht dann aus wie ein ganz gewöhnlicher Taschenrechner oder Kalender.