Jule Reimer: Nur ein paar Kilometer im Westen und ein paar Kilometer im Osten trennen derzeit noch deutsche Wildschweine von Artgenossen in Belgien oder Polen, die mit der afrikanischen Schweinepest infiziert sind. Afrikanische und europäische Schweinepest sind verschiedene Viruskrankheiten, die Wild- und Hausschweine befallen und töten können, für den Menschen jedoch ungefährlich sind.
Der Unterschied zwischen beiden Krankheiten ist bedeutend. An der afrikanischen Schweinepest verenden die Tiere binnen Tagesfrist; die europäische Schweinepest wirkt tückischer, da die Tiere den Erreger über Monate in sich und damit auch sehr lange weitertragen können. Die Seuchengefahr wird dadurch verschärft, dass sich die Zahl der Wildschweine in den letzten Jahren in Deutschland vervielfacht hat. Dazu beigetragen haben milde Winter und ein üppiges Nahrungsangebot in den Maisfeldern. Wegen der Seuchengefahr sollen mehr Wildschweine bejagt werden.
Experten weisen aber für die Übertragung auch darauf hin, dass das Zutun des Menschen das Hauptproblem im Kampf gegen die afrikanische Schweinepest ist. Im rheinland-pfälzischen Wasgau erklärte mir der Forstamtsleiter Ralf Neuheisel am Rande einer Jagd, welche Vorsorgeregeln für Jäger gelten.
In Belgien sind bereits 800 Stück Schwarzwild verendet
Ralf Neuheisel: Aktuell ist die Situation ja, dass die afrikanische Schweinepest sehr nah an die deutsche Grenze herangerückt ist – mit plus/minus 40 Kilometern in Belgien, wo ja schon etwa 800 Stück verendetes Schwarzwild gefunden wurden. Deshalb haben wir bestimmte Vorsichtsmaßnahmen, die landesweit auch beachtet werden. Dazu gehört, dass zunächst alle Jagdgäste, die eingeladen werden, entsprechend informiert werden, auch ein spezielles Schreiben dazu erhalten, wenn sie in solchen Restriktionsgebieten waren, wie das Baltikum, Belgien oder in osteuropäischen Ländern, dass sie dort besondere Vorsicht walten lassen, dass alle Jagdausrüstungsgegenstände, die dort getragen wurden, möglichst hier nicht getragen werden, oder ganz gründlich gereinigt und desinfiziert werden. Genauso für Hunde, die in solchen Restriktionsgebieten eingesetzt waren. Die müssen gründlichst gereinigt werden. Es dürfen keine Blutreste am Fell sein oder Ähnliches, so dass alles sauber ist.
Desinfektion von Jagdgerät und Hunden ist äußert wichtig
Reimer: Praktisch funktioniert das so: Im Wald, wenn das Schwarzwild, die Wildschweine geschossen werden, werden sie möglichst in einer Wanne hier zum Sammelplatz transportiert. Und dann?
Neuheisel: Genau. Die Vorgabe ist, dass das Wild in Behältnissen transportiert wird, damit unterwegs kein Schweiß und auch kein Blut verbreitet wird. Vor der Wildkammer haben wir einen Sperrbereich, wo nur das Funktionspersonal hin darf, wodurch das Risiko vermindert wird, dass Blut nach außen getragen wird. Alle Behältnisse, die für den Transport von Schwarzwild verwendet werden, werden direkt anschließend gereinigt und desinfiziert. Auch alle Geräte, die mit Schwarzwild in Kontakt gekommen sind, werden genauso behandelt.
Reimer: Funktionspersonal, speziell geschulte Jäger oder Förster, die die Tiere ausnehmen, wie desinfizieren die ihre Schuhe? Wie muss man sich das vorstellen?
Neuheisel: Beim Funktionspersonal – dazu gehören übrigens auch Metzger – werden direkt im Anschluss die Schuhe desinfiziert. Und Sie sehen ja: Die tragen diese Kunststoffschürzen, die man auch abspritzen und desinfizieren kann – ein weiterer Faktor, um das Risiko zu minimieren.
Bestände müssen reguliert werden
Reimer: Wenn ich ein Wild schieße, dann liegt das da in irgendeiner Form mehr oder weniger blutend. Ist das so minimal, dass man das vernachlässigen kann?
Neuheisel: Gefährlich wäre es dann, wenn das Stück infiziert ist. Aber man kann das nicht generell ausschließen und wir müssen ja die Bestände reduzieren, weil das größte Risiko sind überhöhte Bestände, dass die Verbreitung sich dann noch schneller auswirkt, wenn sie eintreten sollte. Deshalb ist das ein Restrisiko, das aber in Kauf genommen wird oder in Kauf genommen werden muss, weil sonst kann man die Aufgabe der Bestandsregulierung nicht erfüllen. Aber durch die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen, die beim Transport direkt nach dem Erlegen greifen, ist dieses Risiko minimiert.
Menschen sollen keine Speisereste wegwerfen
Reimer: Ein Wildschwein, das mit der afrikanischen Schweinepest infiziert ist, verendet ja dann offenbar relativ schnell. Wenn das im Wald verendet, dann ist das ein Körper, der auch als Nahrungsquelle für andere Tiere gilt. Ist das dann der Ansteckungsweg, oder ist der gar nicht so dramatisch wie zum Beispiel diese Ansteckungswege über die menschlichen Schwächen wie Wurstbrot wegwerfen an der Autobahn oder im Baltikum jagen gehen und dann nachher mit einem Messer kommen, was vielleicht infiziert ist?
Neuheisel: Das Risiko bei der afrikanischen Schweinepest mit der Verbreitung über die Wildschweine selbst ist deutlich geringer als bei der europäischen Schweinepest. Bei der europäischen Schweinepest breitet sich das ja aus über sogenannte Seuchezüge, dass das Wild sich gegenseitig ansteckt. Bei der afrikanischen Schweinepest sterben die so schnell, dass die in einem kleinen Radius verenden, aber die Ansteckung sich dann nicht so schnell ausbreitet. Das größte Risiko der Verbreitung ist der Mensch mit, wie Sie es selber angesprochen haben, Speiseresten oder Ähnliches, die infiziert sind und unachtsam weggeworfen werden.
Reimer: Muss dieses Messer dann mindestens mit 60 Grad und Spüli abgespült werden, oder muss es auf jeden Fall das Desinfektionsmittel sein?
Neuheisel: Es muss – das ist die Vorgabe vom Land – ein Desinfektionsmittel sein beziehungsweise über die 90 Grad erhitzt werden, so dass alles abstirbt. Wir haben die zweite Variante, damit man auch von der Umweltverträglichkeit her nicht das Desinfektionsmittel ausbringt, sondern wir haben ein spezielles Gerät, wo das über die thermische Behandlung dann desinfiziert wird, für die Messer.
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