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Afrikanisches Kulturerbe
Geraubte Kunst wieder zum Leben erwecken

In Namibia diskutierten Kuratoren, Wissenschaftler und Künstler aus ganz Afrika die Zukunft ihres Kulturerbes, das teilweise bis heute in Europa lagert. Radikale Stimmen und Rückgabe-Forderungen waren auf der Konferenz selten zu hören. Stattdessen überwog der Wunsch nach einem Dialog auf Augenhöhe.

Von Leonie March |
Zuhörer bei den Museumsgesprächen, sitzen auf Stühlen und hören aufmerksam zu.
Abschlusskonferenz der "Museumsgespräche": Wissenschaftler, Kuratoren und Künstler aus ganz Afrika folgten der Einladung des Goethe Instituts (CreativeLab for Goethe Institut Namibia)
Von Objekten ist oft die Rede, wenn es um afrikanische Kunst- und Kulturgüter in anthropologischen und ethnologischen Sammlungen geht. Dabei werden viele dieser Objekte in ihren Herkunftsländern bis heute als Subjekte betrachtet. Zum Beispiel die Vigango: auf den ersten Blick nur schlanke Holzstatuen. In ihrer Heimatregion in Kenia gelten sie jedoch als Älteste, als Teil der Gemeinschaft, geschnitzt nach dem Tod eines Angehörigen.
"Wie viele Älteste braucht man, um ein Museum zu füllen?" fragt Professor George Abungu mit Blick auf Vigango-Sammlungen in den USA. "Ich habe dabei mitgewirkt, dass sie nach vielen Jahren nach Hause zurückkehren konnten. Ihre Familien erzählten mir, dass sie in der Abwesenheit der Vigango gelitten hätten, unter Dürre und Hunger, aber dass die Dinge nun wieder besser würden. So mächtig sind Teile dieses Kulturerbes, die wir Sammlungen nennen."
In manchen Fällen sind Rückgaben alternativlos
Eine Rückgabe ist in Fällen wie diesen alternativlos, so der Tenor bei den Museumsgesprächen in Windhoek. Dabei steht nicht nur die Frage im Mittelpunkt, ob sie gewaltsam entwendet wurden, sondern auch ihre kulturelle Relevanz. Längst nicht alle Ausstellungsstücke aus der Kolonialzeit haben eine solche Bedeutung. Leere Museen müsse Europa also nicht fürchten, betont Winani Thebele, Chefkuratorin des Nationalmuseums in Botswana:
"Repatriierung muss nicht immer physisch sein. Wichtig ist erstmal, dass wir wissen, wo sich unsere Objekte überhaupt befinden. Leihgaben sind ebenso denkbar wie der dauerhafte Verbleib im Ausland. Wir wehren uns nur gegen Sammlungen, die weiterhin koloniale oder rassistische Stereotype bedienen. Wenn wir jedoch einbezogen werden, der Kontext und das Narrativ stimmen, dann ist nicht immer entscheidend, wo die Objekte ausgestellt werden. Solange sie uns wahrheitsgemäß repräsentieren."
Natürlich gibt es auch radikalere Stimmen, aber bei der Konferenz des Goethe Instituts waren sie in der Minderheit. Für viele der Museumsmacher eröffnet das schwierige Kapitel der Restitution und die Auseinandersetzung mit der Kolonialzeit die Chance für eine neue Ära des kulturellen Austauschs. Einen Dialog auf Augenhöhe, ein Ende der paternalistischen Bevormundung durch den Westen, Wissenstransfer.
"Wir diskutieren hier momentan auch über langfristige Kooperationen mit der ehemaligen Kolonialmacht Deutschland", erzählt die Chefkuratorin des Nationalen Museums in Namibia, Nzila Mubusisi. "Unsere Objekte hatten ihre eigene Geschichte, bevor sie außer Landes gebracht wurden. Wir wollen wissen, wie ihre Geschichte dort weiterging, was etwa Forschungen ergeben haben. Diese Informationen müssen der namibischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden."
Europa nicht als Lehrmeister
Kooperationsangebote sind angesichts der weltweiten Debatte nicht gerade rar. Dabei dürfe jedoch nicht der Fehler gemacht werden, dass Europa wieder als eine Art Lehrmeister für Afrika auftrete, warnt der südafrikanische Geschichts-Professor Ciraj Rassool:
"Das Problem ist, dass diese Entwicklungen, bis auf ein paar Ausnahmen, nicht von den Forderungen afrikanischer Gesellschaften angetrieben werden. Stellen sie sich vor, wie diese Debatte verlaufen würde, wenn es stimmig präsentierte Forderungen in unser aller Interesse geben würde. Ein Gremium aus Aktivisten und Wissenschaftlern müsste unsere Regierungen in Fragen der Restitution beraten, darüber wie man Forderungen stellt und Druck aufbaut."
Denn Druck wird es brauchen, um nicht über den Tisch gezogen zu werden, ebenso wie einen langen Atem. Restitution und Dekolonisierung sind keine Eintagsfliegen, sondern lange, mühsame und aufwändige Prozesse. Nicht nur in Europa, sondern auch in vielen Museen Afrikas - Relikte aus der Kolonialzeit, teils mit ebenfalls problematischen Sammlungen. Eine bislang in Europa wenig diskutierte Tatsache, die bei den Museumsgesprächen offen angesprochen wurde. Konzepte wurden vorgestellt, von postkolonialen, afrikanischen Museen, die offen sind für die Bevölkerung, in denen sie sich wiedererkennt und die sie aktiv mitgestaltet. In denen auch geraubte Objekte wieder zum Leben erweckt und zu Subjekten werden.