"White Noise - weißes Rauschen" ist ein undifferenzierter Tonteppich, den manche Menschen nachts hören, um schlafen zu können. Er überdeckt Umgebungsgeräusche und wird nach einer Weile selbst nicht mehr wahrgenommen. In Suzy Lori-Parks klugem neuen Stück gleichen Namens bekommt der unter Schlaflosigkeit leidende schwarze Künstler Leo genau so einen Klangteppich als App von seinem weißen Freund Ralph geschenkt. Der lässt Leo zwar schlafen, stumpft aber gleichzeitig seine Sinne ab. Als Polizisten ihn auf einem nächtlichen Spaziergang filzen, führt das zu katastrophalen Folgen für Leo und alle, die ihn kennen.
Viele Uraufführungen in New York in dieser Spielzeit thematisieren dieses "weißen Rauschen" – etwas, das unhörbar im Hintergrund der amerikanischen Gesellschaft läuft. Gemeint ist "White Privilege". Das politische Klima in den USA ist einer der Hauptgründe, warum die Theater so viele dieser neuen Stücke schwarzer Dramatikerinnen und Dramatiker produzieren, meint Mark Russell, Intendant des wichtigen Under The Radar-Festivals am Public Theater:
"Der Druck, den Trump macht, war sicher ein Auslöser. Er greift diese Leute ja an, der ganze Rassismus ist so offenkundig. Also: Sagen wir etwas dazu oder was? Alle Theater versuchen diese Stimmen zu finden, um ihnen die Gelegenheit zu geben, etwas dazu zu sagen".
"Das Hintergrundgeräusch meines Lebens"
Doch Dr. Renee Blake, Linguistik-Professorin an der New Yorker Universität, traut dem neuen Enthusiasmus nicht:
"Es gibt immer diese Einzelfälle, die plötzlich aufpoppen und derentwegen Weiße sagen: 'Oh mein Gott, wir müssen uns darum kümmern.' Dann verebben sie aber wieder. Trump, Charlottesville, Weiße für Amerika, und so weiter: Alle reden davon; dann wächst Gras darüber, bis wieder etwas passiert. Aber für mich ist es immer da. 'White privilege' ist das Hintergrundgeräusch meines Lebens."
Dass so viele talentierte neue Autoren auf den Markt drängen, ist für Mark Russell auch das Ergebnis einer längeren Entwicklung: "In den letzten 20, 25 Jahren haben wir uns im Theater wirklich auf Autoren konzentriert. Und jetzt haben wir eine neue starke Generation. Besonders afroamerikanische und schwule Autoren finden, dass die Bühne für sie der richtige Ort ist. Und das ist toll."
Doch auch hier widerspricht Renee Blake:
"Es ist ja nicht so, als hätten schwarze Künstler vorher nichts produziert. Diese Stücke konnte man auf lokaler Ebene immer sehen - zum Beispiel in Harlem. Jetzt erst, weil weißes Geld dahintersteckt, denkt man, es gebe so viele schwarze Stücke. Dabei war das immer so. Das gehört eben auch zum 'White privilege'."
Wer darf wann über Rassismus sprechen?
Für Blake bestimmt "White Privilege" nämlich auch, wer wann wie in Amerika über Rassismus sprechen darf. Das gelte insbesondere für die Produktion von Kunst und Theater.
Trotzdem bleibt positiv festzuhalten, dass in dieser Zeit der erhöhten öffentlichen Aufmerksamkeit viele wichtige neue Dramatikerinnen und Dramatiker Gehör finden. Und natürlich ihr Publikum mit in die Debatte ziehen. Darin sieht auch Renee Blake eine Chance:
"Es muss eine kritische Masse von weißen Menschen entstehen, die bereit sind, das anzugehen. Anzuerkennen, dass es "White privilege" überhaupt gibt. Zuzugeben, dass sie keine Ahnung haben. Zuzugeben, dass etwas nicht stimmt. Und das wahrzunehmen, bedeutet anzuerkennen, dass man damit Menschen in ihrer Existenz verletzt."
Das bedeutet: Man muss das weiße Rauschen, das alle so betäubt, wieder hören lernen. Das ist sicher ganz im Sinne von Dramatikerin Suzy Lori-Parks, die ein Zitat ihres Lehrers James Baldwin im Programmheft zitiert: "Not everything can be changed, but nothing can be changed until it's faced." - "Nicht alles kann verändert werden, aber nichts kann verändert werden, wenn man sich ihm nicht stellt?"