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Agenda 2030
"Deutschland ein Fackelträger der nachhaltigen Entwicklung"

Keine Hungersnot, Maßnahmen zum Klimaschutz, gute Gesundheitsversorgung: Deutschland sei zwar "ein Fackelträger der nachhaltigen Entwicklung", aber mit der Umsetzung dieser Agenda 2030 hapere es noch, sagte der Chef des UN-Nachhaltigkeits-Netzwerkes SDSN, Adolf Kloke-Lesch, im Dlf. Es gebe etwa "große Probleme mit der Ungleichheit und der Unzufriedenheit in unserer eigenen Gesellschaft".

Adolf Kloke-Lesch im Gespräch mit Jule Reimer |
    Umweltschützer kritisierten im November 2016 die Bundesregierung, dass sie sich nach der Verabschiedung des Klimaschutz-Abkommen von Paris nicht an Verabredungen gehalten habe.
    Bei der Formulierung der 17 Ziele der nachhaltigen Entwicklung (Agenda 2030) habe die Bundesregierung eine relativ gute Vorlage gemacht hat, aber in der Umsetzung gebe es noch große Probleme, sagt der Chef des UN-Nachhaltigkeits-Netzwerkes SDSN. (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
    Jule Reimer: Der Schutz der Meere ist eines von 17 Nachhaltigkeitszielen, die sich die Staats- und Regierungschefs der Welt bis zum Jahr 2030 gesetzt haben. Umschrieben wird der Plan deshalb auch als Agenda 2030. Zu den Zielen zählen deutliche Verbesserungen bei der Gesundheitsversorgung und Bildung, bezahlbare Energie, Arbeiten in Würde, eine deutlich bessere Ressourcen-Effizienz.
    In den zurückliegenden Tagen drehte sich in Berlin alles um diese Ziele, angefangen bei der Jahrestagung des Deutschen Nachhaltigkeitsrates bis hin zum Treffen des UN-Netzwerkes Sustainable Development Solutions Network (SDSN), einem Wissenschaftlernetz, das nach Innovation und Lösung für die Umsetzung dieser Nachhaltigkeitsziele sucht.
    Ich fragte vor dieser Sendung den deutschen Geschäftsführer von SDSN, Adolf Kloke-Lesch, wo Deutschland bei der Erfüllung dieser Nachhaltigkeitsziele steht.
    "Deutschland steht natürlich konzeptionell ziemlich gut da"
    Adolf Kloke-Lesch: Deutschland steht natürlich konzeptionell ziemlich gut da, weil die Bundesregierung ihre neue Nachhaltigkeitsstrategie, die im Januar veröffentlicht worden ist, konsequent an den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung orientiert hat, die in einem Gipfel der Staats- und Regierungschefs in 2015 beschlossen worden sind. Dies ist beispielhaft und wir hoffen, dass viele Länder in der Welt das nachmachen.
    In der Umsetzung haben wir natürlich weiterhin eine Reihe von Problemen. Wir wissen zum Beispiel, dass wir in der Ressourcen-Effizienz lange nicht so vorangekommen sind, wie wir wollen. Auch der Umstieg in die Erneuerbaren Energien geht einerseits gut, aber wir steigen nicht aus der Kohle aus. Und wir haben große Probleme mit der Ungleichheit und der Unzufriedenheit in unserer eigenen Gesellschaft.
    Reimer: Sie sind in einem Netzwerk drin. Wie wird das von außen gesehen?
    Kloke-Lesch: Ja man sieht Deutschland schon als einen Fackelträger der nachhaltigen Entwicklung. Gleichzeitig sehen wir aber auch heftige Kritik an Punkten wie Kohleausstieg, der nicht vorankommt, und man konnte neulich ja die zugegebenermaßen etwas zynische Intervention der Amerikaner sehen, die gesagt haben, Klimaabkommen ist ja nett, aber die Deutschen steigen ja auch nicht aus der Kohle aus.
    Reimer: Wir haben Bundestagswahlen. Was müsste im Grunde genommen im nächsten Koalitionsvertrag stehen?
    Kloke-Lesch: Das Problem ist in der Tat, dass die Bundesregierung eine relativ gute Vorlage gemacht hat, dass wir auch viel Bewegung in der Zivilgesellschaft und auch in der Wirtschaft sehen. Aber unsere Parteien sind im Grunde noch, ich sage mal platt, wie in den 60er-Jahren organisiert. Sie sind nach Ortsverbänden, Landesverbänden orientiert, es gibt viel Machtkämpfe im Inneren, aber die Orientierung auf eine globale Agenda ist nicht da. Was wir eigentlich jetzt brauchen ist, dass die Führer der Parteien, die ja in den Landesregierungen, in den Bundesregierungen sich für diese Agenda 2030 eingesetzt haben, nun auf ihre Parteitage gehen und dort sagen, dieses ist auch unser Programm für unsere Partei und wir streiten mit den anderen Parteien darüber, was die besten Wege sind. Und da habe ich den Eindruck, da ist im Augenblick noch sehr viel Sand im Getriebe. Die Parteien ergreifen diese SDG’s, wie man sie ja nennt, nicht als eine themenübergreifende Erzählung, die für alle Politikbereiche auch in der Innenpolitik gilt, sondern nehmen auf die Agenda hauptsächlich im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit Bezug, und das ist eindeutig zu wenig.
    "Wenn wir die Agenda 2030 ernst nehmen, kommen wir auch mit Populismus klar"
    Reimer: Aber Sie sehen ja an dem Erfolg der AfD, die unter anderem zurück zur Kohle will, an dem Erfolg, den Trump mit seinem "America first" und zurück zu nationaler Energiesicherheit gehabt hat, dass es gar nicht einfach ist, globale Sichtweisen einzubringen in politischen Prozessen. Das ist einfach ein Zielkonflikt. Muss man das hinnehmen?
    Kloke-Lesch: Ich glaube, es ist ein Konflikt in der Art der Kommunikation, und es gibt sicherlich viele, die sich für weltweite Nachhaltigkeit einsetzen, die zu sehr einen lehrerhaften pädagogischen Approach haben und den Menschen erzählen wollen, wie sie leben sollten. Aber auf der anderen Seite ist, glaube ich, keine Agenda international so stark von unten nach oben diskutiert worden wie die Agenda 2030, und ich würde mal relativ markant behaupten wollen, dass wenn wir diese Agenda 2030 und ihre Anliegen, niemanden zurückzulassen, früher ernst genommen hätten und entsprechend auch gehandelt hätten, wären die Probleme, die zu den amerikanischen Wahlergebnissen geführt haben, die zum Brexit geführt haben, vielleicht nicht so deutlich, und die auch für Deutschland zu den AfD-Erfolgen geführt haben. Die Agenda 2030 ist nicht nur über die planetaren Grenzen, die wir beachten müssen; sie ist auch darum, dass es Wohlstand für jeden in der Breite gibt, dass wir Teilhabe fordern und dass niemand zurückgelassen wird. Und wenn wir das ernst nehmen, dann kommen wir, glaube ich, auch mit dem Populismus klar.
    Reimer: Wie ernst nehmen Regierungen in Indien oder China die Agenda 2030?
    Kloke-Lesch: In den großen Schwellenländern sehen wir ein sehr großes Engagement, diese Agenda umzusetzen. Die Chinesen waren führend auch in den G20, die Agenda 2030 zu einem Kernstück ihrer chinesischen G20-Präsidentschaft zu machen. Es gibt einen nationalen Umsetzungsplan in China, der das sehr detailliert für alle Politik und Wirtschaftsfelder ausdifferenziert. Indien sieht sich ja selbst als ein sehr großes Entwicklungsland und für Indien sind die SDGs im Grunde die eigene Entwicklungsagenda, wobei wir natürlich immer auch sehen, dass die Akzentsetzung in diesen breiten Woogen der 17 Nachhaltigkeitsziele dann unterschiedlich sein kann, und Indien setzt im Augenblick sehr stark auf Wachstum und setzt manche Fragen der Umwelt, auch des Kohleausstiegs noch ein bisschen zurück. Indien investiert aber massiv in die Teilhabe seiner marginalisierten Bevölkerungsgruppen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.