Rafael Laguna de la Vera im Gespräch mit Uli Blumenthal, mit Beiträgen von Piotr Heller
Eigentlich war er nur Mitglied der Findungskommission, die nach einer ersten Direktorin oder einem ersten Direktor für die neugegründete Bundesagentur suchen sollte, dann bekam er den Job selbst angetragen. Rafael Laguna de la Vera, bis dahin Unternehmer und Softwaretechniker, sieht sich selbst nicht als "der typische Bundesagentur-; öffentlicher-Bereich-Mensch" - nahm die überraschende Aufgabe aber gerne an. "Und sich da ein bisschen aus der Komfortzone raus zu bewegen, um was Neues zu probieren, ist ja an sich so, wie auch Innovation funktioniert."
Internet, Smartphones und mRNA
Was sind für Rafael Laguna die entscheidenden Sprunginnovationen der vergangenen Jahre? Die neueste erlebten wir gerade mit, so sieht es der SprinD-Direktor: Das mRNA-Verfahren werde hoffentlich nicht nur dazu beitragen, die Corona-Pandemie zu beenden, sondern noch zu vielen positiven Überraschungen auf dem Gebiet der Medizin beitragen. Als zweites Beispiel: "Das Smartphone, eine Kombination aus vielen existierenden Technologien, kombiniert mit der Verfügbarkeit des Internets draußen. Und davor natürlich: Ein Smartphone gäbe es nicht ohne das Internet selber. Was ja eine unserer Vorbilder, die DARPA, Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre mitentwickelt hat."
DARPA: Das Vorbild aus den Vereinigten Staaten
Sputnik, der erste Satellit in einer Umlaufbahn war 1957 ein technologischer Triumph für Russland - und ein Schock für die USA. Die Amerikaner reagierten mit der Gründung einer Forschungsbehörde des Verteidigungsministeriums. Die ersten Ziele der DARPA waren Raumfahrt, Raketenabwehr und Nukleartest-Erkennung. Auch das ARPA-Net, aus dem sich dann das Internet entwickelte, war zu Beginn als militärisches Projekt angelegt.
Ein Beitrag von Piotr Heller
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Bahnbrechende Idee? Einfach einreichen.
Die Agentur für Sprunginnovationen ist rein zivil ausgerichtet - für militärische Aspekte ist die gleichzeitig neu gegründete "Schwesterorganisation", die "Cyber-Agentur" zuständig. Die SprinD sei "sehr niederschwellig erreichbar", versichert der Direktor - nach einem kurzem Besuch der Webseite und einem kurzen Selbst-Check anhand eines Leitfadens könne jeder einen Projektvorschlag einreichen. Danach "wird erst mal vorgesichtet und strukturiert von einer Truppe von Analyst*innen der SprinD. Das geht in das System, dass wir Innovationsmanager und ich als Geschäftsführer uns jeden dieser Vorschläge, jeden ausnahmslos anschauen."
Großfinanzierung für die potentiellen Gamechanger
Erkennt die SprinD kein Innovationspotential, kommt schnell die Absage - ansonsten geht der Vorschlag in weitere Beratungs- und Vertiefungsrunden. "Wenn wir sagen, es könnte wirklich was sein, dann geben wir üblicherweise einen sogenannten Validierungsauftrag an die Innovator*innen zurück - da gibt's dann auch Geld und Unterstützung." Und nach ein paar Monaten unterstützter Projektentwicklung kann es bei einer wirklich vielversprechenden Idee dann heißen: "Das wollen wir in eine Großfinanzierung und eine langfristige Betreuung bringen."
Wer schafft den SprinD: Alzheimer-Therapie und neue Computerchips
Für vier Projekte hat die SprinD mittlerweile die Großfinanzierung beschlossen; bei einem davon geht es um eine mögliche Therapie gegen die Alzheimer-Krankheit. Der Proteinexperte Dieter Willbold hat einen Wirkstoff entwickelt und müsste diesen nun in einer sogenannten Phase-II-Studie an Patienten testen - dafür fehlten ihm bislang finanzierungsbereite Investoren. Beim Projekt "SpiNNaker" geht es hingegen um einen Computerchip, der "Künstliche Intelligenz" (KI) viel effizienter machen und damit neue Anwendungen ermöglichen könnte.
Ein Beitrag von Piotr Heller
Für vier Projekte hat die SprinD mittlerweile die Großfinanzierung beschlossen; bei einem davon geht es um eine mögliche Therapie gegen die Alzheimer-Krankheit. Der Proteinexperte Dieter Willbold hat einen Wirkstoff entwickelt und müsste diesen nun in einer sogenannten Phase-II-Studie an Patienten testen - dafür fehlten ihm bislang finanzierungsbereite Investoren. Beim Projekt "SpiNNaker" geht es hingegen um einen Computerchip, der "Künstliche Intelligenz" (KI) viel effizienter machen und damit neue Anwendungen ermöglichen könnte.
Ein Beitrag von Piotr Heller
Das "Tal des Todes" überbrücken helfen
Die SprinD sei nicht für Grundlagenforschung zuständig, betont Laguna. Auch nicht für Projekte, die schon "fertig" sind und damit reif für private Finanzierung. Aber bei wirklich großen, ambitionierten Entwicklungen drohe in späteren Phasen der Projektentwicklung das "Tal des Todes" - ein hoher Kapitalbedarf von "manchmal zehn oder manchmal hunderten Millionen", für den es in Deutschland kein Wagniskapital mehr gebe.
"Das heißt, wir übernehmen Investitionen, die sie weder aus dem Wissenschaftssystem noch aus dem privatwirtschaftlichen System finanziert kriegen, in der Hoffnung, dieses T'al des Todes' für die großen Sprung-Innovationen überbrücken zu können."
Nicht nur die Lorbeeren einfahren, sondern auch den Profit
Neben dem Automobil sieht Laguna dann doch noch ein Beispiel für eine wirkliche Sprunginnovation aus Deutschland in jüngerer Zeit: Die Entwicklung des mp3-Musikformats am Fraunhofer-Institut in Erlangen. Die habe zwar durchaus zu hohen Lizenzeinnahmen für die Entwickler geführt. "Was aber nicht hier geklappt hat, ist, dass man diese Technologie nimmt und erforscht, wie man sie in wirtschaftlichen Nutzen stiftende Kreisläufe überführen kann. Das hat dann letztlich Apple mit dem iPod getan und die Folge iPod, iPhone, iPad hat letztlich dazu geführt, dass Apple das mit Abstand wertvollste Unternehmen der Welt ist."
Optimistischer Ausblick in die eigene Zukunft
Zwei Dinge sieht der SprinD-Direktor als Hemmschuh für Innovationen in Deutschland: Bestehende Gesetze und Vorgaben. "Wir haben Vergaberecht und noch so viele andere wunderbare Dinge, die dazu führen, dass wir sehr inflexibel sind. Das haben die Amerikaner nicht, und die Chinesen schon mal gar nicht." Und den Mangel an echtem Unternehmertum, an "Entrepreneurship": "Das heißt die Bereitschaft, Abenteuer einzugehen, die Bereitschaft, wirklich zu innovieren mit dem, was man tut."
Aber Rafael Laguna ist optimistisch. Der erste Erfolg seiner Agentur, die erste Sprunginnovation "werden wir selber, sag ich immer scherzhaft. Wir müssen ja die Bürokratie überwinden und wir müssen aus uns ein Werkzeug machen, was so agil operieren kann, wie es sein muss in diesem Umfeld".