Heute lebt er in der Anonymität der Großstadt Istanbul. Doch die Flucht vor dem Bürgerkrieg hierher war für den jungen Syrer, der Mahmut genannt werden will, ein Höllentrip. Den größten Teil der Grenze hat die Türkei mittlerweile mit einer hohen Mauer gesichert. Mahmut schaffte es trotzdem auf die andere Seite und wurde dann mit anderen Flüchtlingen zusammen von türkischen Soldaten verschleppt und bedroht:
"Einer der Soldaten hielt mir sein Gewehr an die Schläfe und forderte mich auf, mein letztes Gebet zu sprechen. Dann ging er zu den anderen und sagte dasselbe. Wir weinten, einer bekam eine Panikattacke und schrie um Vergebung. Nach zehn Minuten zog der Soldat seine Waffe zurück und sagte, das sei bloß ein Scherz gewesen."
Der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch liegen dutzende ähnliche Aussagen von Misshandlungen und Bedrohungen von Flüchtlingen an der türkisch-syrischen Grenze vor. In einem Bericht spricht sie sogar von Schüssen auf Fliehende – während gleichzeitig durch das Vorrücken der türkischen Armee auf die Stadt Afrin erneut Menschen zur Flucht aus Syrien Richtung Türkei gezwungen werden. Die türkische Regierung versprach eine Prüfung des Berichts, bezeichnete es gleichzeitig als "höchst unwahrscheinlich", dass ihre Soldaten auf syrische Flüchtlinge schießen.
"Einer der Soldaten hielt mir sein Gewehr an die Schläfe und forderte mich auf, mein letztes Gebet zu sprechen. Dann ging er zu den anderen und sagte dasselbe. Wir weinten, einer bekam eine Panikattacke und schrie um Vergebung. Nach zehn Minuten zog der Soldat seine Waffe zurück und sagte, das sei bloß ein Scherz gewesen."
Der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch liegen dutzende ähnliche Aussagen von Misshandlungen und Bedrohungen von Flüchtlingen an der türkisch-syrischen Grenze vor. In einem Bericht spricht sie sogar von Schüssen auf Fliehende – während gleichzeitig durch das Vorrücken der türkischen Armee auf die Stadt Afrin erneut Menschen zur Flucht aus Syrien Richtung Türkei gezwungen werden. Die türkische Regierung versprach eine Prüfung des Berichts, bezeichnete es gleichzeitig als "höchst unwahrscheinlich", dass ihre Soldaten auf syrische Flüchtlinge schießen.
Stimmung gegenüber Flüchtlingen ist aufgeheizt
Doch auch die schon im Land lebenden rund 3,4 Millionen – hauptsächlich syrischen – Flüchtlinge sind Berichten von "Crisis Group" zufolge mehr und mehr Übergriffen ausgesetzt. Die Stimmung gegenüber Flüchtlingen in der Türkei ist zunehmend aufgeheizt. Das Konfliktforschungsinstitut hat im vergangenen Jahr dreimal mehr Ausschreitungen gezählt als im Jahr 2016.
Besonders in den Großstädten Istanbul, Izmir und Ankara brächen schnell pogromartige Stimmungen gegen Syrer aus, sagt Nigar Göksel, die Türkei-Vertreterin von "Crisis Group". Es genüge schon das Gerücht, ein Araber habe ein türkisches Mädchen belästigt, und schon würden die Scheiben syrischer Geschäfte eingeschlagen. 35 Menschen kamen bei solchen Ausschreitungen 2017 ums Leben, davon 24 Syrer.
"Besonders die Türken, die im Niedriglohnsektor arbeiten, sehen in den Flüchtlingen Konkurrenten, weil die in ihrer Not bereit sind, für noch weniger Lohn zu arbeiten. Es hält sich das Vorurteil, dass Syrer auch keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bezahlen müssten. Ihnen wird die Schuld für steigende Mieten, überfüllte Klassenzimmer und Warteschlangen in den Krankenhäusern gegeben."
Besonders in den Großstädten Istanbul, Izmir und Ankara brächen schnell pogromartige Stimmungen gegen Syrer aus, sagt Nigar Göksel, die Türkei-Vertreterin von "Crisis Group". Es genüge schon das Gerücht, ein Araber habe ein türkisches Mädchen belästigt, und schon würden die Scheiben syrischer Geschäfte eingeschlagen. 35 Menschen kamen bei solchen Ausschreitungen 2017 ums Leben, davon 24 Syrer.
"Besonders die Türken, die im Niedriglohnsektor arbeiten, sehen in den Flüchtlingen Konkurrenten, weil die in ihrer Not bereit sind, für noch weniger Lohn zu arbeiten. Es hält sich das Vorurteil, dass Syrer auch keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bezahlen müssten. Ihnen wird die Schuld für steigende Mieten, überfüllte Klassenzimmer und Warteschlangen in den Krankenhäusern gegeben."
Wind in Regierung und Parteien dreht sich
"Vor zwei Jahren waren die noch arbeitslos. Aber jetzt haben viele ein Geschäft eröffnet. Denen geht es doch besser als uns!" Solche Sätze wie von diesem Fischer hört man in der Türkei häufig. Dabei betont die Regierung immer wieder die türkische Gastfreundschaft für die muslimischen Brüder. Und bislang waren die Flüchtlinge – anders als in Westeuropa – auch kaum Gegenstand von Wahlkämpfen. Doch der Wind habe sich in Regierung und Parteien gedreht, hat Nigar Göksel beobachtet:
"In den vergangenen Monaten war von Präsident Erdogan und anderen führenden Leuten der Regierungspartei AKP immer wieder zu hören, dass die Syrer bald wieder in ihr Heimatland zurückgeschickt werden sollen. Das erzeugt große Unsicherheit, unter den Syrern und unter der türkischen Mehrheitsbevölkerung. Den Syrern nimmt es die Motivation, sich in diesem Land integrieren zu wollen. Warum sollte man die Kinder in eine türkische Schule schicken oder eine Berufsausbildung anfangen, wenn man damit rechnen muss, demnächst abgeschoben zu werden? Und für die türkischen Nachbarn fragen sich: Wenn sie eh bald zurückgehen, warum sollte ich mich dann um einen besseren Kontakt mit ihnen bemühen?"
"In den vergangenen Monaten war von Präsident Erdogan und anderen führenden Leuten der Regierungspartei AKP immer wieder zu hören, dass die Syrer bald wieder in ihr Heimatland zurückgeschickt werden sollen. Das erzeugt große Unsicherheit, unter den Syrern und unter der türkischen Mehrheitsbevölkerung. Den Syrern nimmt es die Motivation, sich in diesem Land integrieren zu wollen. Warum sollte man die Kinder in eine türkische Schule schicken oder eine Berufsausbildung anfangen, wenn man damit rechnen muss, demnächst abgeschoben zu werden? Und für die türkischen Nachbarn fragen sich: Wenn sie eh bald zurückgehen, warum sollte ich mich dann um einen besseren Kontakt mit ihnen bemühen?"
Neid zwischen Einheimischen und Flüchtlingen
Mit der Abschiebeandrohung wird die Integrationsarbeit der zahlreichen Hilfsorganisationen erschwert, die mit EU-Geldern aus dem sogenannten Flüchtlingsdeal mit der Türkei finanziert werden. Drei Milliarden Euro hat Brüssel der Türkei zur wirtschaftlichen Unterstützung und besseren Beschulung von Flüchtlingen zugesagt.
Doch ausgerechnet diese Hilfen schüren Neid zwischen Einheimischen und Flüchtlingen, hat "Crisis Group" beobachtet. Nigar Göksel fordert von den Behörden rasche Konfliktprävention in den Stadtvierteln, in denen besonders viele Flüchtlinge leben.
"Bei der Polizei dort gibt es keine Arabisch-Dolmetscher. Das muss sich ändern. Auch die Ortsvorsteher wissen nicht, wie sie mit den Syrern in der Nachbarschaft kommunizieren sollen. Auch dort sollte ein Syrer mitarbeiten. Wenn sich die Spannungen gewaltsam entladen, ist es meistens zu spät und der Polizei fällt nichts anderes ein, als die Flüchtlinge woandershin zu verlegen."
Doch ausgerechnet diese Hilfen schüren Neid zwischen Einheimischen und Flüchtlingen, hat "Crisis Group" beobachtet. Nigar Göksel fordert von den Behörden rasche Konfliktprävention in den Stadtvierteln, in denen besonders viele Flüchtlinge leben.
"Bei der Polizei dort gibt es keine Arabisch-Dolmetscher. Das muss sich ändern. Auch die Ortsvorsteher wissen nicht, wie sie mit den Syrern in der Nachbarschaft kommunizieren sollen. Auch dort sollte ein Syrer mitarbeiten. Wenn sich die Spannungen gewaltsam entladen, ist es meistens zu spät und der Polizei fällt nichts anderes ein, als die Flüchtlinge woandershin zu verlegen."