Dass dieser Punkt neben Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und dem Völkermord nun als vierter Anklagepunkt hinzugekommen sei, sei etwas Besonderes, sagte Kreß. Denn jahrzehntelang, trotz mehrerer Anläufe, habe sich das Völkerrecht hier nicht weiterentwickelt. Erstmals sei die Frage nach dem Ersten Weltkrieg aufgekommen, als die Engländer den deutschen Kaiser vor ein internationales Gericht stellen wollten.
Die rechtlichen Voraussetzungen für ein Verfahren seien allerdings enorm hoch, sagte Kreß. "Sie dürfen nicht damit rechnen, dass es nun im Wochentakt internationale Strafverfahren wegen Angriffskriegen gibt."
Ein stumpfes Schwert?
Auch wenn dieses Instrument nur für Fälle in der Zukunft genutzt werden könne, sei der Schritt in einem so hoch sensiblen politischen Bereich richtig, sagte der Völkerrechtler. Dieser könne "nicht auch noch mit übergroßen Erwartungen nach rückwirkender Anwendung" überfrachtet werden.
Die Großmächte gehören auch weiterhin nicht dem Internationalen Strafgerichtshof an. Dementsprechend hoch seien die Hürden, Angehöriger dieser Großmächte etwa wegen eines Angriffskriegs anzuklagen. "Aber aus dem Umstand, dass diese Nichtvertragsstaaten, obwohl sie formal nicht betroffen sind, diese Verhandlungen mit dem allergrößten Interesse verfolgt haben, auch versucht haben, Einfluss zu nehmen: Daraus können Sie ersehen (...), die völkerrechtliche Landschaft hat sich geändert, die Frage der Strafbarkeit steht nun im Raum, der Rechtfertigungszwang, auch der zählt in der großen Völkerrechtspolitik, ist ein ganz anderer geworden."
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