"In was für einem Land wollen wir leben?" Mit dieser Grundfrage lädt Robert Misik das Publikum in seine "Agora", die im Rahmen der Wiener Festwochen nun noch sechs Mal ihre Pforten öffnen wird. Mit Fragen, Statements oder vielleicht auch selbst gedrehten Videos von maximal 100 Sekunden sollen sich die Zuschauer an den jeweiligen Abenden zu Wort melden.
Und während er selbst moderiert, lädt sich Robert Misik wechselnde Gäste ein, die Impulsreferate halten und sowohl untereinander als auch mit dem Publikum in den Dialog treten sollen. Das taten gestern Abend ein Historiker, eine Politikwissenschaftlerin, ein Journalist von Österreichs berüchtigter "Kronenzeitung", ein Flüchtling, der es - sozusagen - geschafft hat und ein Spindoctor, der als ehemaliger Politiker nun anderen Politikern zur Macht verhilft.
Dabei begann der Abend ganz klassisch theatral mit drei Schauspielern, die im schnellen Schlagabtausch mal eben kurz ein Meinungspotpourri aus Talkshows, Parlamenten, Hinterzimmern und Chatrooms zusammenmixten:
"Das 'Volk' gibt es doch gar nicht. Ein kleiner Teil der Bevölkerung spielt sich als 'das Volk' auf und seine Fürsprecher kostümieren sich als 'die Männer' und manchmal auch als 'die Frauen' des Volkes. Aber Volks gibt’s keins, es gibt nur eine 'Bevölkerung' und die ist bunt und unterschiedlich. Volks gibt’s keins."
"Kleiner Mann."
"Kleiner Mann."
"Und ich dachte immer, Demokratie wäre Volksherrschaft."
"Und Du meinst jetzt, sie sei Bevölkerungsherrschaft?"
"Kleiner Mann."
"Kleiner Mann."
"Und ich dachte immer, Demokratie wäre Volksherrschaft."
"Und Du meinst jetzt, sie sei Bevölkerungsherrschaft?"
Szenen zum Anwärmen des Publikums
Diese kleine szenische Mixtur aus Demokratienachhilfe und Publikumsbeschimpfung, die wie ein theatrales Feigenblatt wirkte, gehörte sicherlich zu den schwächeren Teilen des Abends. Was weniger an den Schauspielern lag, als vielmehr am Text, der sich dann doch nicht traute, so richtig in den Sumpf jener Sprache zu langen, die heute durch die Chatrooms unserer virtuell verseuchten Welt schwirrt.
Wahrscheinlich sind diese Szenen zum Anwärmen des Publikums gedacht und danach wohl nur noch zur Intervention, wenn der Abend durch Nichtbeteiligung zu versanden droht. Das aber war gestern Abend ganz und gar nicht der Fall. Im Gegenteil entstand schnell eine Diskussion, die sich um Fragen drehte wie: Warum man eigentlich nicht die Stimme erhebt, warum man eigentlich immer denkt, 'na, das sollen doch die anderen machen'?
Andere wieder verwiesen darauf, dass die Utopie Europa, selbst an einem Platz wie diesem, kaum eine Erwähnung mehr findet. Oder darauf, dass der einzige Flüchtling auf dem Podium wiederum als letzter angesprochen wurde.
Klar, und auch das kam immer wieder zur Sprache: Natürlich ist so ein Festwochenpublikum ein relativ homogenes, eines, das letztlich selbst zu der ja in unserer Demokratie gerade so fokussierten und bekämpften sogenannten Elite gehört. Wohl auch deswegen lädt sich Robert Misik zumindest auf sein Podium Leute ein, die ansatzweise reizen können, wie gestern etwa den "Kronenzeitungs"-Journalisten Claus Pandi.
Dennoch geht das Konzept des Stücks auf
Der hatte naturgemäß jenen Journalismus zu vertreten, der oftmals vor Hetze nicht zurückschreckt, wenn es Schlagzeilen und Kasse zu machen gilt. Und auch der Spin-Doctor Stefan Petzner, der die Demokratie ausschließlich als ein Spiel der Macht definierte, stieß mit seinen Ansichten nicht nur auf Gegenliebe.
Und so ging Robert Misiks "Agora" letztlich in vielerlei Hinsicht auf und zeigte sich sowohl als ein - im weitesten Sinne - theatral als auch demokratisch ansprechendes Experiment. Dass sich diese Produktion in ein Festwochenprogramm einreiht, das sich ohnehin voller Projekte und Performances zeigt und ein – sagen wir – herkömmliches Schauspielprogramm ziemlich außer Acht lässt, ist vielen kritischen Köpfen unangenehm aufgefallen.
Und so ging Robert Misiks "Agora" letztlich in vielerlei Hinsicht auf und zeigte sich sowohl als ein - im weitesten Sinne - theatral als auch demokratisch ansprechendes Experiment. Dass sich diese Produktion in ein Festwochenprogramm einreiht, das sich ohnehin voller Projekte und Performances zeigt und ein – sagen wir – herkömmliches Schauspielprogramm ziemlich außer Acht lässt, ist vielen kritischen Köpfen unangenehm aufgefallen.
Doch auch die Festwochen müssen sich weiterentwickeln und tun das nun in diesem ersten Programm unter neuer Leitung auf sehr gewagte Weise. Doch gewinnt nur der, der wagt, das werden auch jene Köpfe lernen müssen, die gern an Gesehenem und Gewohntem festhalten würden.