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Agrarexporte in schwache Märkte
Ungleiche Geschäftsbeziehungen

Deutschland ist der drittgrößte Exporteur von Agrarprodukten weltweit. Zwar geht nur ein geringer Anteil in sogenannte schwache Märkte, aber die Exporte haben in einigen Ländern schon nachhaltig die dortige Landwirtschaft verändert. Auch in China ist das Potenzial für europäische Waren riesig. Exportiert wird alles, was die Deutschen nicht so gerne essen.

Von Stefan Maas und Alexander Göbel |
    Hühner in einem Geflügelschlachthof
    Hühner in einem Geflügelschlachthof (dpa / picture alliance)
    "Riesige Halle, Platz für 10.000 Schweine, die wir hier lagern können, die kommen aus der Schlachtung, werden dann anschließend circa vier Stunden runtergekühlt, um dann dementsprechend hier im Hälften-Kühlhaus noch weiter zu kühlen. Und innerhalb von 24 Stunden nach Schlachtung beginnt dann der Zerlege-Prozess."
    Egbert Klokkers steht in einer spärlich beleuchteten Halle. Der Leiter Export der Westfleisch-Gruppe trägt Weiß. Weiße Spezialschuhe, die er vor Betreten des Produktionsbereichs desinfiziert hat, einen weißen Kittel, darunter eine wattierte weiße Jacke, denn es ist kalt in der Halle. In zwei langen Reihen hängen kopfüber halbe Schweine. Noch ist die Halle fast leer, etwas weiter hinten werden über ein automatisches Schienensystem an der Decke weitere Schweinehälften in die Halle gefahren. "Aktuell schlachten wir etwa 7000. Sieben bis achttausend."
    Am Tag, sechs Tage die Woche. Allein im Werk in Oer-Erkenschwick. Insgesamt wurden in allen Westfleischwerken im ersten Halbjahr 2015 gut vier Millionen Schweine geschlachtet – ein Plus von 7,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Außerdem: gut 200.000 Rinder. Auch das: ein Plus von fast zehn Prozent.
    Mehr Fleisch als je zuvor produziert
    Laut Statistischem Bundesamt wurden im vergangenen Jahr in deutschen Schlachtbetrieben etwa 8,2 Millionen Tonnen Fleisch produziert. Rind, Schwein und Geflügel. Mehr als jemals zuvor.
    Nach Frankreich ist Deutschland der zweitgrößte Rindfleischproduzent in Europa, bei Geflügel die Nummer drei. Nach Polen und Frankreich. Spitzenreiter ist Deutschland beim Schweinefleisch. Europas größter Produzent und Absatzmarkt zugleich. Dabei übersteigt die Produktion in vielen Bereichen bei weitem den heimischen Verbrauch. Dieses Mehr geht in den Export.
    Fleischtheke
    Fleischtheke (Jan-Martin Altgeld)
    "Wir sind stark im Export von Fleischwaren, von Milchprodukten, von Süßwaren, von alkoholischen Getränken", erklärt Stefanie Lehmann. Sie ist Referentin für Wirtschaftspolitik bei der BVE, der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie. Letztere ist mit rund 560.000 Beschäftigten der viertgrößte deutsche Industriezweig. "Man kann sagen, dass in Deutschland durch die gesamte Produktpalette hinweg exportiert wird. Branchenübergreifend liegt der Exportanteil bei etwa 33 Prozent. Das heißt, jeder dritte Euro wird im Ausland umgesetzt."
    Drittgrößte Exporteur von Agrarprodukten
    Schaut man allerdings auf die Agrarhandelsbilanz, das heißt rechnet man Agrarrohstoffe und verarbeitete Produkte zusammen, importiert Deutschland mehr als es exportiert, ist also Nettoimporteur. Das liegt vor allem daran, dass Deutschland viele Rohstoffe einführt, aus Europa, aus Asien, Amerika und Afrika, die die Lebensmittelindustrie dann weiterverarbeitet. Betrachtet man die Bilanz bei den verarbeiteten Lebensmitteln, sieht das Bild gleich anders aus: "In konkreten Zahlen: An verarbeiteten Lebensmitteln exportieren wir 54 Milliarden Euro im Jahr. Und wir sind ein Netto-Exporteur, das heißt, verarbeitete Lebensmittel werden nur im Rahmen von 47 Milliarden Euro importiert."
    Mit diesen Werten ist Deutschland unter dem Strich nach den USA und den Niederlanden der drittgrößte Exporteur von Agrarprodukten weltweit. Rund 80 Prozent der deutschen Lebensmittelexporte gehen nach wie vor in die EU-Mitgliedsstaaten. Vor allem in die Niederlande. Von dort kommen auch die meisten Lebensmittel, die importiert werden. Natürlich denkt man dabei sofort an Milchprodukte und Gemüse. An Käse, Tomaten und Gurken. Doch auch bei Fleisch spielen die Niederländer für Deutschland eine wichtige Rolle, sagt Egbert Klokkers von der Westfleisch-Gruppe. Und auch andere Länder liefern fleißig. Mengenmäßig sei Deutschland zwar Fleischexporteur, aber: "Wir würden leere Regale haben, würden unsere Nachbarländer wie, ich sag mal, allen voran Dänemark, Holland, Spanien uns im Sommer nicht mit Grillnacken versorgen. Wir könnten das Mengensegment, das der Deutsche im Sommer an Grillnacken braucht, könnten wir durch eigene Produktion hier in Deutschland nicht darstellen."
    Export in Drittstaaten eher gering
    Andere Teile der Tiere essen die Deutschen weniger gern. Eigentlich alles, was nicht reines Muskelfleisch ist. Das gilt für Geflügel, Rind und Schwein. Was übrig bleibt, geht überwiegend in den Export.
    Insgesamt spielt der Export in sogenannte Drittstaaten - Nicht-EU-Staaten - bislang eher eine vergleichsweise kleine Rolle, er macht rund 20 Prozent aus. Etwa die Hälfte davon geht an europäische Nicht-EU-Länder wie die Schweiz oder Norwegen oder nach Amerika: in die USA, nach Kanada oder Brasilien. Russland ist im vergangenen Jahr wegen gegenseitig verhängter Sanktionen für EU-Exporte weitgehend ausgefallen, Asien aber, vor allem China spielt eine große Rolle. Das Potenzial für europäische Waren ist riesig. Deshalb reist Landwirtschaftsminister Christian Schmidt von der CSU regelmäßig in diese Länder, um sich mit heimischen Politikern und Beamten zu treffen. "Meine Aufgabe ist, dass ich den Marktzugang in entwickelten Märkten, wie das der chinesische Markt ist, aufrecht erhalte oder schaffe, und das hohe Qualitätsimage, das deutsche Produkte zu recht haben, dann dort sich auch entfalten kann."
    Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt am 16.März 2015 bei einem Treffen der EU-Agrarminister bei der EU in Brüssel. Photo: Thierry Monasse/dpa
    Wirbt im Ausland für deutsche Agrarprodukte: Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt (picture alliance / dpa / Thierry Monasse)
    Dazu nimmt Schmidt auf seine Reisen auch deutsche Agrar- und Ernährungs-Unternehmer mit. 22 solcher Reisen zur "Markterkundung und Geschäftsanbahnung" stehen für dieses Jahr im Kalender. Wenn es jedoch um Handelsschranken wie etwa Einfuhrzölle für deutsche Produkte geht, kann der deutsche Minister alleine nicht viel ausrichten. Hier kommt die EU ins Spiel.
    EU schützt sich mit Zöllen
    Früher hätten Deutschland und die Europäische Union ihren Firmen und Bauern mit Export-Subventionen unter die Arme gegriffen, sagt CSU-Politiker Schmidt, inzwischen gebe es dieses Instrument jedoch längst nicht mehr. Gut, sagt Schmidt, der sich erst Anfang des Jahres gegen eine geforderte Wiedereinführung ausgesprochen hat. "Ich kann nicht Überschüsse, die ich im eigenen Markt produziere, verbilligt abgeben und das noch staatlich subventionieren und damit in der Tat schwache Märkte stark beeinflussen."
    Schwache Märkte, das sind vor allem afrikanische. Auch manche südamerikanische. In China sind die Produktionsbedingungen besser, die Infrastruktur stärker entwickelt und die Regierung kontrolliert den Marktzugang genau.
    Doch nicht nur andere Wirtschaftsräume schützen ihre Waren und ihre Produzenten und Händler, etwa mit Einfuhrzöllen. Auch Europa tut das, erklärt Francisco Mari von Brot für die Welt. "Wir könnten uns ja eigentlich selber nicht gegen große Schwellenländer, die auch Agrarprodukte produzieren, wie Brasilien, überhaupt unsere landwirtschaftliche Produktion aufrechterhalten, wenn wir nicht selbst Außenzölle hätten."
    Eine Frau sitzt vor einem Kleinwarenladen.
    Eine Frau sitzt vor einem Kleinwarenladen. (AFP / Chris Stein)
    Denn trotz der Intensivlandwirtschaft und der riesigen produzierten Mengen wären europäische Produkte oft noch immer teurer als die importierten. Zollausnahmen gewährt die EU nur für die ärmsten Länder – und sie sichert sich zugleich freien Marktzugang.
    Importhähnchen sind billiger
    Auf dem großen Madina-Markt in Ghanas Hauptstadt Accra: Stände mit bunten Sonnenschirmen und kleine überdachte Holzbuden bilden ein Labyrinth von endlos langen Gassen. Ein Freiluft-Lebensmittelparadies. Frisches Gemüse wird hier verkauft, Obst, Fisch, vor allem aber Fleisch. Metzger mit langen Beilen zerteilen Lammschultern, Rinderhüften und Schweinefüße. Fleisch made in Ghana, die Kunden schwören darauf. Beim Geflügel sei das anders, sagt Gladys Klu vom Metzgerladen "Goodness and Mercy". "Das importierte Hähnchen verkauft sich besser. Denn die Importhähnchen sind einfach schöner verpackt, das sieht ansprechender aus. Und: Sie sind auch noch billiger als die einheimischen."
    Pro Woche verkauft Gladys Klu alles an Importgeflügel, was ihr die Zwischenhändler anliefern – mehr als einhundert Kartons mit insgesamt rund fünfhundert Kilo tief gekühlten Hühnerbeinen, Hühnerfüßen und Hühnerflügeln.
    Dass sie Reste verkauft – Reste einer Geflügelindustrie, die sich in den USA, in Europa und anderswo auf die Produktion von Hühnerbrust spezialisiert hat - ist Gladys egal. Das Geschäft brummt, auf den heimischen Hähnchen aus Ghanas Geflügelfarmen bleibt Gladys hingegen oft sitzen. Und deswegen will sie die bald gar nicht mehr anbieten.
    Früher wurden auf dem Madina-Markt in Accra pro Tag noch mehr als 3.000 lebende Hühner aus ghanaischer Züchtung verkauft - doch das ist lange her. Das einheimische Huhn ist mittlerweile vom Markt fast ganz verschwunden - das Lebendfleisch sowieso.
    Menschen auf einem Gemüsemarkt in Lagos, Nigeria
    Menschen auf einem Gemüsemarkt in Lagos, Nigeria (afp / Pascal Guyot)
    "Die Importe haben alles durcheinandergebracht"
    "Mit dem Import von Geflügel ging es nach der großen Dürre von 1983 los. Erst waren es nur Hühnerbeine und –füße, dann kamen bald die ersten verarbeiteten und tiefgefrorenen Produkte auf den Markt. In den Neunzigern kam es dann zu einem Boom von US-amerikanischen Importen, besonders Hähnchenschenkel und –flügel sind seitdem sehr beliebt. Das sind die Produkte, die man mittlerweile überall auf unseren Märkten findet und die alles andere fast verdrängt haben", erklärt Henry Anim-Somuah. Er ist Professor für Agrobusiness an der Landwirtschaftlichen Fakultät der University of Ghana. Er beklagt, dass Ghana es nach den ersten Importen versäumt hat, die eigene Geflügelwirtschaft zu stärken, die Verarbeitung zu modernisieren, um die Überschwemmung des Markts mit ausländischem Geflügel wieder regulieren zu können. In den 1990er-Jahren hätte Ghana rund 80 Prozent seines Geflügelbedarfs wieder selbst decken können - aber da sei es schon zu spät gewesen: Die von Subventionen gestärkte ausländische Fleisch-Industrie hätte Westafrikas schwache Märkte da längst entdeckt gehabt, so Anim-Somuah. Nach und nach hätten sie mit ihrem flexibleren Angebot außerdem das Verhalten der Konsumenten in Ghana nachhaltig verändert. "Eine dreiköpfige Familie will Hähnchenkeulen zu Abend essen – das bekommt diese Familie günstiger, wenn sie die importierten tiefgefrorenen Teile kauft, denn ein Huhn hat nun mal nur zwei Beine. Also: Die Importe haben alles durcheinandergebracht - die Märkte und die Produktion."
    Mittlerweile importiert Ghana im Jahr rund 165.000 Tonnen Fleisch – aus den USA, aus Brasilien, aus der Europäischen Union. Allein 90.000 Tonnen davon sind Geflügelteile. Was am Beispiel von Ghana einmal als Notimport-Programm begonnen hat, dient heute vor allem den Interessen der weltweiten Nahrungsmittel-Exporteure. Die Europäische Union verhandelt seit über zehn Jahren mit afrikanischen Ländern mühsam über eine Wirtschaftspartnerschaft: Das sogenannte EPA legt fest, dass diese Länder ihre Märkte bis zu 83 Prozent für europäische Importe öffnen und schrittweise Zölle und Gebühren abschaffen müssen. Im Gegenzug sollen sie – wie bereits seit Jahrzehnten - weiterhin zollfreien Zugang zu europäischen Märkten erhalten. Zumindest versprechen das die Brüsseler Behörden. Ihr Credo: Nur ein freier Markt mache Afrika wettbewerbsfähig. Dabei zeigen mehrere Studien, dass Afrikas Märkte für einen solchen Wettbewerb zu schwach sind.
    Nur wenige können sich gegen EU-Importe wehren
    Doch die Europäische Union hält an EPA unbeirrt fest. Ja, in manchen der betroffenen Staaten ist sogar von "Erpressung" die Rede. Beispiel Kenia: Das ostafrikanische Land wollte EPA zunächst nicht unterschreiben - aus Angst, die heimische Wirtschaft könnte als wichtigster Wirtschaftszweig unter dem Preiskampf mit subventionierten EU-Agrarprodukten leiden. Dann machte die EU Druck und verhängte Zölle von acht bis über dreißig Prozent – auf wichtige kenianische Exportgüter wie Schnittblumen, Kaffee, Tee oder Zuckerschoten. Wenige Wochen später unterschrieb die kenianische Regierung das Freihandelsabkommen.
    Nur wenige Länder wie Senegal, Nigeria oder Kamerun können sich seit Jahren erfolgreich gegen die Geflügelimporte wehren: Weil ihre internationalen Handelspartner auf sie angewiesen sind - als Verbündete in der Terrorbekämpfung, oder als Lieferant von Erdöl.
    Ein Erfolg ist die Handelspartnerschaft EPA vor allem für die EU. Seit 2009 haben sich die Hähnchen-Exporte aus Europa in Richtung Afrika verdreifacht. Allein vom Geflügel, das Deutschland in die EU ausführte, landeten im vergangenen Jahr mehr als 48.000 Tonnen auf dem afrikanischen Kontinent: Hälse, Flügel, Innereien. Reste, die in Europa, wo sich alle auf das fettarme Hähnchenbrustfilet stürzen, niemand essen will – die aber in Ghana begehrt sind.
    Geflügelzüchter in Ghana gehen pleite
    Geflügelfarmer Augustine Amankwaah steht mitten in einem riesigen Stall. Tausende Hühner picken Futter aus großen Trögen. Amankwaah ist Geschäftsführer der AMAS Farm in der Nähe von Accra - einer der wenigen Geflügelfarmen, die noch nicht aufgegeben haben. Nach acht Wochen Zucht und Verarbeitung auf der AMAS Farm kostet ein Huhn umgerechnet zwischen 3,30 und 3,60 Euro. Die ausländischen Produzenten können das gleiche Huhn im Schnitt für weniger als die Hälfte des Preises anbieten, manchmal für fast zwei Euro weniger. Solche Dumpingpreise haben dazu geführt, dass Ghanas Bauern nur noch einen Marktanteil von zehn Prozent haben – im eigenen Land. Mittlerweile haben die ausländischen Produzenten den Geflügelpreis sogar deutlich anheben können – nachdem Ghanas Geflügelbauern vom Markt verdrängt sind, droht ihnen keine Konkurrenz mehr.
    "Viele Kollegen gehen Pleite. Die Kosten sind zu hoch. Wer nicht genug Kapital hat, muss früher oder später einpacken. Viele Farmer finanzieren sich mit Geld aus der Familie, und wenn es da irgendwo hakt, sind die Reserven schnell aufgebraucht. Lange kann sich da niemand über Wasser halten, und dann ist es bald vorbei mit dem Geschäft."
    Auch Augustine Amankwaah steht das Wasser bis zum Hals. Einige Angestellte hat er schon entlassen müssen. Der Farmer beklagt, dass er kaum noch Kredite bekommt und dafür horrende Zinsen zahlen muss. Die Geflügelproduktion sei nicht mehr rentabel, sagt Amankwaah. "Es ist ein gnadenloser Wettbewerb. Die internationalen Produzenten wollen ihr Geflügel hier günstig verkaufen – und wir müssten unsere Kosten reduzieren, damit wir mithalten können. Aber unser Geflügel ist einfach zu teuer."
    "Wir exportieren keine Abfälle"
    Seit einigen Jahren zahlten viele Entwicklungsländer mehr Geld für Importe von Nahrung als sie aus den Exporten der Agrargüter erhalten, sagt Francisco Mari von Brot für die Welt. Auch wenn europäische Märkte für ihre Produkte geöffnet wurden. "Aber dieses Geld kommt postwendend wieder zurück, weil diese Länder dann auch gezwungen sind, Nahrungsmittel bei uns zu kaufen. Also letztlich verdienen wir doppelt an den billigen und manchmal noch nicht verarbeiteten Agrargütern, z.B Soja, die wir dann noch veredeln und dann noch mehr Geld damit machen. Und an den Exporten unserer Überschüsse. Und das ist natürlich kein sehr faires Verhältnis. Und auch wirtschaftlich ist das für diese Länder perspektivlos."
    "Wir exportieren keine Abfälle", weist jedoch Export-Chef Egbert Klokkers von der deutschen Firma Westfleisch einen immer wiederkehrenden Vorwurf zurück. Auch sein Unternehmen exportiert in afrikanische Märkte. "Solange die politischen Voraussetzungen nicht gegeben sind – erst mal muss Frieden da sein -, ist es für uns in der ersten Linie eine Verpflichtung, dass wir Artikel, die wir gar nicht mehr essen wollen, im Prinzip der Welternährung zur Verfügung stellen, da wo es benötigt wird."
    Ein Mülltonne ist bis zum Rand mit teilweise noch verpackten Lebensmitteln gefüllt. Jeder Bundesbürger  wirft im Schnitt 82 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg.Oftmals ist der Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums der Grund. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner hat am Montag, 19.03.2012 eine Kampagne gegen Lebensmittelverschwendung gestartet.
    Ist Export besser als wegwerfen? ( imago/epd)
    Sonst würde auch in Europa ziemlich schnell eine Debatte über die ethische Vertretbarkeit von Lebensmittelvernichtung geführt, ist Klokkers überzeugt. Denn das genau wäre seiner Meinung nach das Resultat. Die westlichen Verbraucher wollten eben nur das Muskelfleisch, also würde der Rest von Millionen von Tieren weggeworfen und verbrannt. Warum also nicht andere Teile in Länder liefern, in denen sie geschätzt würden. Nicht nur nach Afrika. Rippen- und Bauch in die USA, Schweinefüße oder Ohren nach China.
    Gülle belastet das Trinkwasser
    "Was wir kritisch sehen ist, ist die Frage, in welchem Bereich wird denn da produziert und wie werden diese Exporte realisiert", sagt Peter Röhrig. Er ist Geschäftsführer beim Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Ihm geht es dabei um alle Agrarprodukte, die aus Deutschland exportiert werden. "Deutschland profiliert sich dort im Grunde im Billigbereich und nicht im Qualitätsbereich. Wir versuchen, dort über den Preis auf dem Weltmarkt zu bestehen."
    Dieser Wettbewerb hat Folgen auch für die Preise in Europa. Er treibt nicht nur französische Bauern auf die Straße, er hat auch Auswirkungen auf die Natur: Das Fleisch geht in den Export. Die Gülle aus der Tiermast geht auf die heimischen Äcker und belastet vor allem in Teilen Nordrhein-Westfalens und Niedersachsens, wo es eine besonders intensive Tierhaltung gibt, das Trinkwasser. Ändern ließe sich das wohl nur, wenn sich auch die hiesigen Essgewohnheiten ändern würden, wenn also weniger Fleisch gegessen würde. Und mehr Landwirte auf ökologische Produktion umschwenken würden. Weniger Chemie auf den Äckern, weniger Tiere in Mastställen. Der Markt dafür ist in Deutschland zumindest theoretisch vorhanden. Aber, sagt Peter Röhrig, während deutsches Fleisch in alle Welt exportiert wird, ist der Biomarkt in Deutschland nach wie vor ein Importmarkt.