Sandra Schulz: Mit mehreren hundert Traktoren sind die Proteste am Morgen angelaufen - die Proteste von Bäuerinnen und Bauern, die unter anderem mehr Rückendeckung aus der Politik einfordern und die vielfach zu niedrigen Preise kritisieren.
Die Proteste flankieren den Start der Grünen Woche heute in Berlin. In den Hallen sind aber ganz andere Töne zu hören.
Vorhin konnte ich darüber mit dem CSU-Politiker Max Straubinger sprechen, im Bundestag Mitglied im Ausschuss Ernährung und Landwirtschaft. Und ich habe ihn gefragt, wie es passieren konnte, dass die CSU jetzt die Bauern gegen sich hat.
Max Straubinger: Wir haben nicht die Bauern gegen uns, sondern wir sind verstärkt in der Diskussion mit den Bäuerinnen und Bauern, und es geht hier in besonderer Weise zuvorderst um die Umsetzung der Düngeverordnung, die erhebliche Einschränkungen -zumindest der Referentenentwurf - mit sich bringen würde, die auch an der guten fachlichen Praxis nicht orientiert sind, und über diesen Inhalt müssen wir diskutieren.
Schulz: Verstärkt im Gespräch sein - meinen Sie das mit dem Protest, der auf den Straßen ist, den wir auch in Seeon gesehen haben, und der Wut, die da ja auch artikuliert wird?
Straubinger: Ja, sicherlich. Wir haben die Bewegung "Landschaft verbindet" und genauso natürlich auch die Diskussion mit dem bayerischen und mit dem deutschen Bauernverband. Ich bin überzeugt, dass wir sachpolitisch orientierte Lösungen bringen können, und zwar im Sinne des Gewässerschutzes, der zuvorderst steht, aber gleichzeitig, dass es auch den Landwirten möglich ist, hier ihre Anbautechniken besonders mit einzusetzen, aber auch eine zielorientierte Düngung für die Pflanzen zu ermöglichen.
"Leistungserhöhung hat auch etwas Positives"
Schulz: Das ist ein Thema, das jetzt ganz wichtig ist. Wir haben im vergangenen Jahr auch die ganz interessante Positionierung von Markus Söder gesehen, der sich beim Insektenreferendum an die Spitze der Bewegung gesetzt hat. Verstehen Sie die Nervosität der Bäuerinnen und Bauern, die die CSU möglicherweise nicht mehr als ihre natürliche Verbündete sehen?
Straubinger: Das sehe ich nicht so, sondern es geht darum, den Bäuerinnen und Bauern auch eine Zukunftsorientiertheit zu geben. Manche Bewegungen beziehungsweise auch diese Insekten-Volksabstimmung, nicht Volksabstimmung, sondern die, die sich hier eingesetzt hat und was dann die bayerische Staatsregierung übernommen hat, da sind Inhalte dabei, die in der Praxis nicht so umsetzbar sind, die von den Aktivisten, die es betrieben haben, in keinster Weise mit landwirtschaftlicher Praxis etwas in Einklang zu bringen sind, und um das ärgern sich die Bäuerinnen und Bauern, und vor allen Dingen, dass sie in diesen Bewegungen ständig als die dargestellt werden, die die Landschaft beziehungsweise insgesamt die Umwelt belasten würden. Das ist ja nicht der Fall. Es ist ja so, dass gute landwirtschaftliche Praxis im Einklang mit der Natur letztendlich erfolgt.
Schulz: Es wird ja ein ganzes Bündel von Argumenten gebracht. Es geht ums Tierwohl, es geht um die CO2-Emissionen, es geht um den Klimaschutz und es geht letzten Endes auch um Praktiken, die seit Jahrzehnten vielleicht normal waren, an denen sich jetzt aber mehr und mehr Bürger offensichtlich stören. Wir haben über die Jahrzehnte die Logik gesehen, derjenige, der der Größere ist, der der Effizientere ist, der setzt sich durch. Viele Kleine wurden verdrängt. Ist diese Logik jetzt falsch?
Straubinger: Diese Logik ist nicht falsch, sondern die ist eine Entwicklung auch der technischen Möglichkeiten. Ich bin schon der Meinung, dass man dies auch hier mit gelten lassen sollte in einer freien Wirtschaftsordnung. Es gibt ja viele Umstrukturierungen. Heute gibt es keinen Tante-Emma-Laden mehr, weil sich die Einkaufssituation für die Bürgerinnen und Bürger verändert hat, und genauso hat die Technik und zukünftig bietet auch die Digitalisierung mehr Möglichkeiten, mit weniger Arbeitskräften das Land zu bewirtschaften.
Es wird jeder Quadratmeter Land bewirtschaftet. Es ist ja nicht so, dass aufgrund dessen, dass wir weniger Betriebe haben, die Bewirtschaftung nicht erfolgen würde, und die Bewirtschaftung erfolgt sogar mit modernen Maschinen und unter besseren Bedingungen, wie es vielleicht in der Vergangenheit war. Es gibt keinen Qualitätsverlust für die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber dieser Umstrukturierungsprozess, der muss immer begleitet werden. Den hat auch die Gesellschaft und die Politik über die vergangenen zehn, 20, 30, 40 Jahre ständig begleitet, nämlich in dem Sinn, dass dann ausreichend außerlandwirtschaftliche Arbeitsplätze für die Menschen zur Verfügung standen.
Schulz: Ich habe es bei der Vorbereitung noch mal gefunden. Sie haben Anfang der 70er-Jahre eine landwirtschaftliche Lehre gemacht. Da hat die Durchschnittskuh im Schnitt 3.600 Liter Milch gegeben. Jetzt, viele Jahrzehnte später, ist es im Schnitt ungefähr dreimal so viel - um den Preis, dass die Kühe teils viel früher sterben oder viel früher geschlachtet werden, um den Preis, dass Kälbchen quasi nichts mehr wert sind. Wir haben auch Konsequenzen, die viele Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn wir auch über den Milchpreis sprechen, sicherlich als Irrweg sehen. Welchen Weg wollen Sie denn da rausnehmen?
Straubinger: Die Leistungsbereitschaft und die Leistungserhöhung hat da auch etwas Positives, insbesondere unter Umweltgeschichtspunkten. Ich brauche dann weniger Tiere und habe damit weniger Methanausstoß. Das muss man auch mit einfügen und mit betrachten. Leistungssteigerung ist meines Erachtens nicht negativ zu betrachten.
Avocados statt Apfel
Schulz: Ein Dilemma sehen Sie da nicht?
Straubinger: Nein. Dass sich Märkte verändern, das liegt in der Natur der Sache. Möglicherweise gibt es neue Anbieter. Wir haben auch einen gemeinsamen Agrarmarkt innerhalb der EU. Darüber hinaus öffnen wir unseren Agrarmarkt innerhalb der EU für Außer-EU-Anbieter, die hier letztendlich auch mit Einfluss nehmen und wo der Verbraucher zusätzlich auch differenzierter mittlerweile einkauft, Avocados aus überseeischen Ländern und dergleichen mehr möglicherweise stärker bevorzugt, statt er einen einheimischen Apfel kauft. Das muss man einfach mit sehen.
Schulz: Das finde ich interessant, dass Sie da kein Dilemma sehen. Wir müssen zwangsläufig natürlich, auch weil Julia Klöckner, die Landwirtschaftsministerin, diese Diskussion angestoßen hat, über den Preis von Fleisch reden. Aktuelles Beispiel, habe ich vorhin bei der Recherche, bei der Vorbereitung auf unser Interview gefunden: Ein Kilo Hähnchenschenkel für zwei Euro. Ist das ein guter Preis?
Straubinger: Das kann ich nicht beurteilen. Preise bilden sich mit in der Wirtschaft. Ich glaube nicht, dass wir mit einer gelenkten Wirtschaft bessere Preissituationen erzielen würden. Preise bilden sich nach Angebot und nach Nachfrage. Ich bedauere den Preisdruck, der auf die landwirtschaftlichen Erzeuger ausgeübt wird. Ich sehe aber eigentlich wenig Lösungsmöglichkeiten in einer freien Marktwirtschaft.
Schulz: Aber die Landwirtinnen und die Landwirte selbst sagen ja, nein, das ist kein guter Preis, damit können wir nicht leben.
Straubinger: Das ist schade.
Schulz: Das heißt, dieses Argument nehmen Sie dann auch nicht ernst, sondern sagen, das ist jetzt hier Marktwirtschaft?
Straubinger: Doch, das nehme ich sehr ernst, aber insgesamt möchte ich durchaus hier auch den Gedanken der Marktwirtschaft nicht vernachlässigen.
Jeder Marktteilnehmer gefordert
Schulz: Und die Marktwirtschaft ist in der Landwirtschaft auch weiterhin auf gutem Weg, oder hat sie möglicherweise einen Punkt erreicht, an dem man das eine oder andere hinterfragen muss, frage ich Sie, weil es Ihre Unions-Kollegin, weil es die CDU-Politikerin Julia Klöckner ja so formuliert hat?
Straubinger: Ich glaube nicht, dass man die Marktwirtschaft vollends hinterfragen muss. Es ist die Frage, gibt es Marktpraktiken. Daran muss man möglicherweise ansetzen. Und wir haben vor allen Dingen auch ein Gesetz dagegen gemacht, Unter-Preis-Verkäufe zu tätigen. Aber letztendlich sind wir auch Lockvogel-Angeboten und sonstigem ausgesetzt. Dem muss man unter Umständen stärkere Beachtung schenken. Aber in einer freien Wirtschaft ist das nicht ganz auszuschließen.
Schulz: Wie wollen Sie das denn machen?
Straubinger: Das ist die große Frage, die bisher niemand konkret richtig beantwortet hat.
Schulz: Dann skizzieren Sie uns, welchen Weg Sie gehen wollen, auf dem Weg hin zu einer Antwort.
Straubinger: Ich glaube, wir müssen schon alle immer wieder, die am Markt teilnehmen, daran erinnern, dass wir eine freie Preisbildung haben und dass jeder natürlich als Anbieter am Marktgeschehen dementsprechend mit teilzunehmen hat. Da gilt es nicht, die Augen davor zu verschließen, sondern im Gegenteil die Chancen, aber auch die Risiken der Märkte gut einzuschätzen. Da ist jeder mit gefordert als Marktteilnehmer.
Schulz: Sie sagen, das ist schon okay, wenn Hähnchenschenkel für zwei Euro angeboten werden, aber die Verbraucher sollten das dann nicht kaufen. Oder wie verstehe ich Sie?
Straubinger: Ich mache den Verbrauchern keine Vorschriften. Der Verbraucher entscheidet letztendlich an der Theke über die Marktpreise und über das Geschehen. Das ist mit sicherlich hier die Grundlage dann dafür.
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