Forschen oder Handeln? Dieser scheinbare Gegensatz erzeugt auch beim Insektenschutz Spannungen. Und zwar durchaus quer zu Parteigrenzen: Zum Beispiel sagt Heinrich Bottermann, der Staatssekretär im Umwelt- und Landwirtschaftsministerium von Nordrhein-Westfalen, CDU, wir wüssten genug, um Maßnahmen zum Artenschutz zu ergreifen. Seine Parteifreundin Julia Klöckner, die Bundeslandwirtschaftsministerin, fordert dagegen erst weitere Erkenntnisse. Sebastian Strumann, beim Naturschutzbund Deutschland – kurz Nabu – im Bundesverband Campaigner für Agrarpolitik und Landwirtschaft, bewertet das so:
"Forschungsbedarf wird es immer geben, das ist ja in jedem wissenschaftlichen Feld so, dass Forschungen nie vollständig abgeschlossen sind. Aber wir haben mittlerweile eine echt große und gute Datengrundlage dazu, wie Landbewirtschaftung und Rückgang von Insekten eben auch zusammenhängen."
Die Forderung nach mehr Forschung aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium hält Sebastian Strumann deshalb für eine Nebelkerze:
"Wenn man sich hinstellt und wie Agrarministerin Julia Klöckner immer wieder sagt: "Wir wissen noch gar nicht eindeutig, ob Landbewirtschaftung und Insektensterben so zusammenhängen", der hat – würde ich mal sagen – noch eine zweite Agenda neben der Forschung, nämlich weiter hinauszögern, bis es zu spät ist."
"Direktzahlungen fördern eine Intensivierung der Landwirtschaft"
Umweltschützer und Experten für Artenvielfalt kritisieren unter anderem, wie die EU ihre Agrarsubventionen vergibt. Die Zahlungen lassen sich zwei Säulen zuordnen: Die zweite Säule finanziert Programme unter anderem zum Klima- und Artenschutz. Über die erste Säule bekommen Landwirte pauschal Geld pro Hektar Fläche, den sie bewirtschaften – per Direktzahlung:
"Das Problem an den Direktzahlungen ist, da fließt das allermeiste Fördergeld rein, und leider sind daran nur ganz, ganz geringe Umweltauflagen geknüpft, so dass im Prinzip eigentlich eine Intensivierung der Landwirtschaft damit gefördert wird. Man hat einen ganz starken Anreiz als Landwirtin oder als Landwirt, eben sehr intensiv auf seinen Flächen zu arbeiten, weil es für die Fläche immer das gleiche Geld gibt."
Subvention müsse grundsätzlich verändert werden
Umweltschützer – aber auch viele Agrarwissenschaftler – fordern deshalb, die Subventionspolitik grundsätzlich umzukrempeln und die Landwirte auch dafür ordentlich zu entlohnen, dass sie die Natur schützen. Die EU-Kommission hat im Juni 2018 einen ersten Entwurf der Gemeinsamen Agrarpolitik in der Europäischen Union – kurz GAP – für die Jahre 2020 bis 2027 vorgelegt. Seitdem haben die EU-Parlamentarier in den Ausschüssen für Landwirtschaft und für Umwelt Änderungsvorschläge ausgearbeitet. Eine ganze Reihe bewertet Sebastian Strumann positiv. Einer davon sieht vor, die Hälfte der Agrarausgaben künftig an Umwelt- und Klimaschutzleistungen zu knüpfen.
"Das heißt also, dass da eine Zweckbindung der Gelder besteht und dass dieses Geld nur für wirkliche Umwelt- und Klimaleistungen ausgegeben werden muss."
Lebensraum für Insekten durch ökologische Vorrangflächen
Ein zweiter Antrag, der nach Ansicht des Nabu-Experten in die richtige Richtung geht, enthält die Forderung, auf sieben Prozent der landwirtschaftlichen Flächen sogenannte ökologische Vorrangflächen einzurichten.
"Wir haben zwar jetzt schon in der derzeitigen GAP-Architektur sowas, was sich ökologische Vorrangflächen nennt, aber das hat aus unserer Sicht diesen Namen nicht wirklich verdient. Mit der neuen Reform würde das dem Namen wirklich gerecht, ökologische Vorrangfläche, da geht es vor allen Dingen eben um Flächenstilllegungen, Brachen und so weiter, da wird dann Lebensraum geschaffen für Insekten, aber auch andere Tiere der Agrarlandschaft, den wir ganz, ganz dringend brauchen."
Bis über die Gemeinsame Agrarpolitik des kommenden Jahrzehnts endgültig abgestimmt wird, dauert es voraussichtlich noch bis Mitte 2020. An den neuen Initiativen dürfte sich bis dahin noch einiges verändern, denn dann werden das neu gewählte Europaparlament und die neue EU-Kommission darüber entscheiden.