Hügel, Felder, Wälder – sattes Grün: Die Biolandwirte der Hofgemeinschaft Heggelbach in Baden-Württemberg bewirtschaften ein idyllisches Fleckchen Erde. Doch auf einem ihrer Felder thront zwischen Kartoffelpflanzen, Kleegras, Weizen und Sellerie ein mächtiges Gerüst aus 50 Tonnen Stahl, bestückt mit Doppelreihen aus blau schimmernden Solarmodulen. Gesamthöhe: acht Meter. So hoch, dass die 3000 Quadratmeter darunter nach wie vor auch mit Treckern und anderen Landmaschinen beackert werden können.
Die Anlage ist das Herzstück eines vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekts zur sogenannten Agrophotovoltaik und kommt in der Region besser an als andere klimafreundliche Energieerzeuger, wie Befragungen von Anwohnern, Gemeinderäten und Touristikfachleuten ergeben haben. Das berichtet Projektleiter Stephan Schindele vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg.
"Wir haben festgestellt, dass die Akzeptanz der Agrophotovoltaik höher ist als die von herkömmlichen Photovoltaikfreiflächenanlagen. Aber auch gegenüber Windkraftanlagen oder Biogasanlagen ist die Akzeptanz von Agro-PV sehr gut."
Die größte Anlage dieser Art steht in China
Auch mit den "Stromgestehungskosten", die Investitionen, Betrieb und Instandhaltung beinhalten, ist das Team erst einmal zufrieden. Sie liegen bei neun Cent je Kilowattstunde. Damit ist Agrophotovoltaik günstiger als kleine Dachanlagen, aber teurer als Freiflächenphotovoltaik, wo die Solarmodule dichter nebeneinander und auf kleineren Stahlgerüsten stehen. In Deutschland sei Agrophotovoltaik nicht wirtschaftlich, sagt Schindele. Er wünscht sich deshalb eine staatliche Förderung, wie es sie etwa in Frankreich, Japan und China schon gibt.
"Die weltweit größte Solaranlage generell ist eine Agro-PV-Anlage in China, mit einer Leistung von ungefähr 700 Megawatt. Die ist bemerkenswert, weil sie im Randgebiet der Wüste Gobi errichtet wurde, auf einer ehemals degradierten Fläche, die nicht landwirtschaftlich genutzt wurde, aber eben heute dank Agro-PV heute wieder nutzbar ist. Darunter werden Beerensträucher angebaut, die tröpfchenbewässert werden. Das Grundwasser wird rausgepumpt mit dem Solarstrom und entsalzt. Die Beeren werden dann getrocknet und im Müsli verarbeitet. Und insgesamt muss man sagen, ist es so etwas wie eine Art 'Carbon Capture', also eine negative CO2-Bilanz und dazu noch ein Beitrag zum Klimaschutz."
Geplante Laufzeit: 25 Jahre
Auch die kleine Forschungsanlage der Hofgemeinschaft Heggelbach hilft beim Klimaschutz. Nach vier Jahren soll sie die Treibhausgase, die bei ihrer Produktion entstanden sind, kompensiert haben und dann noch mindestens 21 Jahre lang sauberen Strom liefern. Jedes Jahr etwa soviel, wie 62 Vier-Personen-Haushalte verbrauchen. Dazu trägt auch das Design der Module bei, die auf der Ober- und Unterseite Solarzellen tragen. So nutzen sie auch das vom Boden zurückgespiegelte Licht und konnten auf dem Testfeld übers Jahr 15 Prozent mehr Solarstrom ernten.
Doch unter den Modulen ist es schattig. Das heißt: weniger Licht für die Photosynthese. So fuhren die Landwirte 2017 fast ein Fünftel weniger Kartoffeln und Weizen ein als auf photovoltaikfreien Vergleichsflächen. Im Hitzesommer 2018 gab es dank Schatten ein Plus von mehreren Prozent. Die Kleegraserträge litten in beiden Jahren. Das Ziel der Hofgemeinschaft, 80 Prozent der Ernte zu erhalten, hat sich aber erfüllt. Und die Projektbeteiligten rechnen für Agrophotovoltaik in besonders trockenen Regionen, etwa in Indien, mit deutlich positiveren Erntebilanzen, besonders wenn die Module auch als Regensammler genutzt werden. In Deutschland wollen sie als Nächstes vor allem die Wirtschaftlichkeit des Konzepts noch verbessern.
"Demnächst planen wir die Umsetzung einer Agro-Photovoltaik-Obstbauanlage, in Kombination mit Hagelschutznetzen und einem elektrischen Traktor, sodass wirklich in den vorgelagerten Prozesse der Ernteerzeugung der Strom schon verwendet werden kann und nachgelagert in der Kühlung – bei Äpfeln ist es ja bekannt, dass sie sehr lange gelagert werden – sich die Agro-Photovoltaik voll entfalten kann."