Archiv

Ahmad Mansour vs. Julia Ley
Diskutieren wir fair über Muslime in Deutschland?

Ist die Diskussion über Muslime in Deutschland fair? Bedienen die Medien zu oft Klischees und Halbwahrheiten über den Islam und Muslime? Oder vertragen manche Muslime nur keine Kritik? Kaum ein Thema weckt in Deutschland so viele Emotionen und sorgt für so viel Zündstoff wie das Thema Islam.

Moderation: Michael Watzke |
DITIB-Zentralmoschee in Köln
Die meisten Deutschen kennen den Islam nicht aus der Nähe (imago / Jan Tepass)
Ahmad Mansour ist liberaler Muslim. Der Berliner Psychologe ist Autor des gerade erschienenen Buches "Klartext zur Integration - gegen falsche Toleranz und Panikmache". Er sagt:
"Wir müssen offen miteinander über die Probleme und Herausforderung in der Gesellschaft reden, sonst spielen wir den Rechten in die Hände. Kurz vor dem Sommer forderte der Geschäftsführer des Kulturrats ein Jahr Pause für Talkshows im deutschen Fernsehen. Begründung: die Themenwahl sei einseitig, zu viel Islam.
Dunja Ramadan sprang ihm zur Seite mit einem Kommentar in der 'Süddeutschen Zeitung': 'Es ist kein Wunder, dass die Angst vor dem Islam so hoch ist, wenn gefühlt jeden zweiten Abend über 'den Islam' diskutiert wird.' Das erscheint als befremdliche Logik: Steigt denn tatsächlich die Angst vor einem Thema mit dessen Präsenz in der Öffentlichkeit? Gibt es jetzt mehr Angst vor Dieselautos, weil viel über sie berichtet wurde? Und würde sich das Dieselproblem lösen lassen, wenn darüber geschwiegen wird? Wohl kaum.
Was beide, der Kulturrat und die Kommentatorin, bei ihrem Wunsch, den Islam aus der öffentlichen Debatte auszuklammern, außer Acht lassen, ist die Realität. Zu ihr gehören die Ereignisse und Entwicklungen der letzten Jahre, zunehmende Radikalisierung junger Leute, deren Ablehnung von Demokratie in vielen Schulen sichtbarer geworden, Salafismus, Terror, antisemitische Angriffe auf Juden und Parallelgesellschaften mitten in Deutschland."
Julia Ley ist freie Journalistin in München. Sie hat die Organisation "The Muslim Story" mitgegründet. Diese Gruppe aus rund 800 Unterstützern setzt sich dafür ein, den aus ihrer Sicht unfairen Diskurs über Muslime in Deutschland zu reformieren. Ley fragt:
"Woran denken Sie, wenn Sie das Wort Islam' hören? Vielleicht an Terror, Kriminalität, die Benachteiligung der Frau? Das sind die Begriffe, die 60 Prozent der Deutschen beim Stichwort Islam einfallen.
Aber: Die meisten von ihnen kennen den Islam nicht aus der Nähe. Nur einer von drei Deutschen hat Muslime in seinem Bekanntenkreis. Trotzdem fühlt sich jeder Zweite vom Islam bedroht. Wir müssen uns also fragen: Woher kommt diese Angst?
Als Journalistin muss ich sagen: Leider auch aus den Medien. Nicht weil Journalisten einen islamfeindlichen Block bilden, ganz und gar nicht. Doch die Negativthemen dominieren alles andere. Bis zu 80 Prozent der Beiträge thematisieren den Islam im Kontext körperlicher Gewalt.
Dabei gäbe es mindestens so viele Geschichten über Muslime zu erzählen, wie es Muslime selbst gibt: viereinhalb Millionen. Dass fast alle von ihnen, sogar die hochreligiösen, sich für die Demokratie aussprechen, dass sie sich in Deutschland zu Hause fühlen, dass die Integration immer besser gelingt - all das kommt in der Debatte kaum vor. Daran, finde ich, muss sich etwas ändern. Wir brauchen mehr unterschiedliche Menschen, die mitreden. Und mehr unterschiedliche Geschichten."