Ahmet Davutoglu gilt als loyaler Gefolgsmann von Erdogan. Als neuer Parteichef und neuer Ministerpräsident wird Davutoglu das umsetzen, was Erdogan vorgibt. Davutoglu wird dazu beitragen, die Türkei in eine Präsidialrepublik umzuformen, in der der Präsident die wichtigste gestaltende Kraft ist. So stellt sich der neu gewählte Präsident Erdogan die Rollenverteilung vor, mit Davutoglu wird das funktionieren.
Ahmet Davutoglu ist 55 Jahre alt; Politikprofessor aus Konya in Zentralanatolien, fünf Jahre lang war er Außenminister.
In einer Rede vor Funktionären seiner Partei, der AKP, der Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung, unterstrich Davutoglu, dass die AKP ihren Kurs unbeirrt fortsetzen werde, zum Wohle der gesamten Türkei:
"Ein Land, das noch vor zwölf Jahren als "kranker Mann" gesehen wurde, hat sich erhoben und steht nun fest auf eigenen Füßen", sagte der künftige Parteichef - und drohte: Wer immer versuchen sollte, diesen Kurs zu behindern - sei es unter dem Namen paralelle Struktur oder was auch immer - der wird einer felsenfest entschlossenen AKP begegnen."
"Parallele Struktur" - mit diesen Worten umschreibt die gesamte AKP-Führung die Bewegung des islamisch-konservativen Predigers Fetullah Gülen. Einst verfolgte Gülen ähnliche Ziele wie die ebenfalls islamisch-konservative AKP. Jetzt aber wirft Erdogan dem Prediger Gülen vor, er habe die Justiz und die Polizei in der Türkei unterwandert mit dem Ziel, die AKP-Regierung zu stürzen.
Davutoglu sei ein Mann, der entschlossen diese "parallelen Strukturen" bekämpfen werde, lobte Erdogan, deshalb eigne sich Davutoglu besonders als neuer Partei- und Regierungschef.
In seinen knapp fünf Jahren als türkischer Außenminister hat Ahmet Davutoglu seine Ziele allerdings verfehlt. Bei Amtsantritt hatte er die sogenannte Null-Probleme-Strategie verkündet. Davutoglu wollte mit allen Nachbarstaaten der Türkei gute Beziehungen aufbauen, aber dieser Plan scheiterte.
Im südlichen Nachbarland Syrien herrscht seit dreieinhalb Jahren Krieg; auch der Nachbarstaat Irak zerbricht und die Türkei ist nicht in der Lage, als Vermittler zwischen den Konfliktparteien aufzutreten. Ebenso scheiterte die Aussöhnung mit dem Nachbarland Armenien. Und schließlich: die Beitrittsverhandlungen zur EU kommen nicht von der Stelle.
Wenn Davutoglus deutscher Amtskollege Frank-Walter Steinmeier Istanbul besuchte, wie zuletzt vor zwei Monaten, dann bekräftigte Davutoglu das alte Ziel:
"Für die Türkei ist und bleibt die Mitgliedschaft ein strategisches Ziel. Das hat für die Türkei absolute Priorität. Von Deutschland als starkem Mitglied der Europäischen Union erwarten wir Unterstützung zum Beitrittsprozess der Türkei. Die Türkei selbst ist bereit zu tun, was sie dafür tun muss."
Im politischen Alltag aber geht die Türkei eigene Wege. So trägt sie die Sanktionen der EU gegen Russland nicht mit; sie unterläuft sie sogar und will jetzt mehr Lebensmittel nach Russland exportieren.
Davutoglu steht als künftiger Parteichef und Ministerpräsident vor einer sehr schweren Aufgabe. Er muss nämlich sofort in den Wahlkampf einsteigen. In weniger als zehn Monaten wird in der Türkei ein neues Parlament gewählt. Die Regierungspartei AKP will unbedingt ihre absolute Mehrheit im Parlament noch weiter ausbauen, aber Davutoglu ist kein Wahlkämpfer wie Erdogan, der von Stadt zu Stadt zieht und mit seiner Rhetorik Millionen Wählerstimmen ködert. Da sind die Fußstapfen von Erdogan doch eine Nummer zu groß.