Die Wuppertalsperre war am Abend des 14. Juni 2021 bereits übergelaufen, als die Behörden die ersten Warnmeldungen absetzten. Da hatte Radio Wuppertal schon berichtet. Sechs Stunden später wurden auch die Redaktionsräume direkt an der Wupper vom Hochwasser erwischt.
„Radio Wuppertal hier, guten Morgen. Gerade ist hier der Strom ausgegangen, auch bei unserem Sendestudio. Wir laufen gerade auf Notstrom. Wir hoffen, Ihr hört uns noch eine Weile.“
Als drei Stunden später auch das Notstromaggregat leer war, musste das Team seine Sondersendung einstellen. Damit künftig sowohl die Notstromversorgung, als auch die rechtzeitige Information durch Behörden gesichert ist, arbeitet Radio Wuppertal künftig enger mit der Stadt zusammen, erklärt Chefredakteur Georg Rose.
Radio Wuppertal arbeitet enger mit Stadt zusammen
„Wir haben zum einen gemeinsam mit dem Krisenstab der Stadt und mit der Feuerwehr neue Kommunikationswege vereinbart und eine klare Warnkette definiert. Außerdem hat der Rat der Stadt beschlossen, für Radio Wuppertal eine komplette Notstromversorgung zu finanzieren. Dazu gehört auch, dass sich die Feuerwehr direkt aus der Leitstelle ins Programm einwählen kann.“
Denn nachts sind die Redaktionen der Lokalradios in Nordrhein-Westfalen in der Regel nicht besetzt und übernehmen ein Mantelprogramm, das von Radio NRW zugeliefert wird. Normalerweise bekommen die Radios Meldungen über das sogenannte Modulare Warnsystem und geben sie selbst weiter. Zum Zeitpunkt der Flutkatastrophe waren nur zehn der 45 NRW-Lokalradios direkt angeschlossen. Und obwohl das zuständige Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe noch vor einem halben Jahr weitere Sender dafür gewinnen wollte, sind es den jüngsten Angaben zufolge weiterhin nur zehn.
Welle Niederrhein schult Feuerwehr-Teams
Dass die Feuerwehr sich per Telefon und Geheimzahl direkt ins Programm schalten kann, um zu warnen, war auch früher schon bei vielen NRW-Lokalradios möglich, wurde aber fast nie genutzt – aus Unkenntnis oder aus Angst, sich zu blamieren, sagen die Radiomacher. Bei Welle Niederrhein, die für Krefeld und den Kreis Viersen sendet, sollen die Feuerwehr-Teams jetzt geschult werden, sagt Chefredakteurin Anouk van der Vliet. Dabei sagte sie den Beamtinnen und Beamten:
„Es ist gar nicht schlimm. Ich könnte eigentlich gar keinen Fehler machen, denn eigentlich ist nur der Fehler, nichts zu sagen. Da gehen wir dann auch in die Leitstellen und sagen denen: Wie funktioniert das? Wie arbeiten wir? Wie funktioniert diese Technik? Wann solltet ihr die nutzen?“
NRW-Innenminister Reul wünscht sich Zugriff aufs Radioprogramm
Die Vereinbarungen mit der Feuerwehr sind freiwillig. Ebenso wie die der ARD-Sender mit dem Bundesamt, eingehende Warnmeldungen je nach Dringlichkeit unverzüglich zu senden. Denn sonst würde es sich um einen staatlichen Eingriff in die Rundfunkfreiheit handeln. So etwas schwebte offenbar Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul vor, als er im Februar ankündigte, die Privatradios genauso wie den WDR zu verpflichten, Behörden eigenmächtigen Zugriff aufs Programm zu gewähren.
„Das würde ich als problematisch beurteilen, weil grundsätzlich eine Trennung gilt zwischen Medien und dem Staat“, sagt der Medienrechtler Tobias Gostomzyk von der Technischen Universität Dortmund.
„Das begründet sich auch über den Grundsatz der Staatsferne. Wenn man einen direkten Zugriff auf das Programm hat, könnte das natürlich auch mit der Programmfreiheit kollidieren.“
Kritik an SWR und WDR
Inzwischen formuliert das Ministerium vorsichtiger. Auf Deutschlandfunk-Anfrage ist nur noch davon die Rede, zu prüfen, inwiefern ein solcher Eingriff die Redaktionsautonomie und das Gebot der Staatsferne einschränkt.
Die Politik war unzufrieden mit dem WDR. Der stand ebenso wie der SWR in der Kritik, nicht ausreichend gewarnt zu haben, was im Detail nicht mehr nachzuprüfen ist. Tatsächlich hatten beide Sender die Unwetterwarnungen weitergegeben, räumten aber Versäumnisse ein. Der WDR etwa, keine weiteren durchgehenden Sondersendungen gefahren zu haben. Der SWR, dass nicht alles reibungslos gelaufen sei – mittlerweile sei aber nachts ein Redakteur im Einsatz, der die aktuelle Lage permanent im Blick habe und sich mit dem zuständigen ARD-Redakteur beim NDR austausche.
Versagen in Flutnacht zunächst vor allem auf Behördenseite
Zwischen Behörden, Sendern und Medienverbänden wird in verschiedenen Arbeitsgruppen über Verbesserungen nachgedacht. Denn das Versagen in der Flutnacht lag zunächst vor allem auf Behördenseite. Warnen können Medien nur, wenn sie im Vorfeld von Katastrophenschutzbehörden und Wetterdienst mit entsprechenden Informationen versorgt werden. Der Deutsche Wetterdienst kündigte gestern an, seine Warnmeldungen zu verbessern und zum Beispiel klarer auf konkret drohende Auswirkungen hinzuweisen.
Nach der Flut hatte sich gezeigt, dass viele Warnmeldungen fehlerhaft oder missverständlich waren. Teilweise waren dort Dringlichkeitsstufen missverständlich angegeben. Einige Meldungen enthielten keine konkreten Anweisungen, was zu tun ist. Im Ahrtal setzten die Behörden gar keine Meldungen ab – warum, ist immer noch Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen. Lokalradios, das die Meldungen hätten senden können, gibt es im Ahrtal aber ohnehin nicht. In Trier spielten die Behörden Warnungen nur an ortsfremde Medien aus.
Bei Unwetter im Februar erneut keine Warnmeldungen
In Krefeld kam Ende Februar dieses Jahres ein schweres Unwetter herunter. Auch dort wurden entsprechende Warnmeldungen vermisst, beklagt Welle-Niederrhein-Chefredakteurin Anouk van der Vliet:
„Da war das Problem, dass wir einfach nicht informiert wurden, und ich glaube, das liegt aber tatsächlich auch daran, dass die Feuerwehr sehr überrascht davon war, dass dieses Unwetter hier örtlich so viel Schaden angerichtet hat. Und da wurden wir vom Deutschen Wetterdienst informiert, aber auch sehr, sehr kurzfristig und von der Feuerwehr kam nichts.“
Katastrophensimulation im Dezember geplant
Eigentlich wollte das Bundesamt schon im September mit allen Beteiligten noch mal einen Katastrophenfall im Warnsystem simulieren. Auch, weil am letzten Warntag 2020 einiges schiefgelaufen war.
Erstmals soll das sogenannte Cell Broadcasting getestet werden. Damit bekämen alle Handynutzer eine Art SMS auf ihr Gerät – unabhängig davon, ob sie ins Handynetz oder Internet eingewählt sind. Doch weil die Technik noch nicht ausreichend vorbereitet ist, wurde der Warntag in den Dezember verschoben. Die eigentliche Bewährungsprobe kommt aber wohl ohnehin erst mit der nächsten tatsächlichen Katastrophe.