
"Celesta Aida“ ist die wohl berühmteste Arie aus Verdis Ägypten-Oper „Aida“. Wenn Francesco Meli sie singt, dann bereiten ihm die Streicher der Staatskapelle Dresden einen fein gesponnenen, silbrigen Klangteppich. Meli stellt an diesem Premierenabend in der Dresdner Semperoper einmal mehr unter Beweis, warum er derzeit einer der begehrtesten Tenöre für diese Partie ist. Er hat eine strahlende Höhe, Geschmeidigkeit und Italianitá – und er kann seine Stimme am Ende der Arie tatsächlich ins Lyrische entschweben lassen, so wie Verdi es wollte.
„Ich wusste ja immer, dass das ein sehr subtiles Stück ist, und dass die Partitur aus Pianissimi und dreifachen Piani und vierfachen Piani besteht, ich meine, dass der Schluss von Verdi so ungeheuerlich gut geschrieben ist…“, schwärmt Christian Thielemann, der an diesem Abend seine erste Aida dirigiert. Man kennt Thielemann als einen Meister des deutschen Repertoires, der nur selten Ausflüge ins italienische Fach unternimmt. Gerade bei der raffinierten Kontrastdramaturgie der „Aida“ kommt Thielemann diese Erfahrung allerdings zugute. Denn das Stück besteht aus mehr, als nur dem berühmten Triumphmarsch oder den martialischen „Guerra“-Rufen, mit denen Radamés seine Krieger auf den Sieg gegen die Äthiopier einschwört.
Keine Ausstattungsorgie mit Elefanten
“Also man hat irgendwie bei Aida immer das Gefühl, da ist ein Elefant auf der Bühne und es werden unglaubliche Ausstattungsorgien gefeiert.“ Das möchte Thielemann so nicht stehen lassen. Tatsächlich entwickelt er die Oper vom ersten Violineneinsatz des ätherischen Liebesmotivs bis zum verlöschenden Liebestod des eingemauerten Paares ganz am Ende grandios aus einem einzigen symphonischen Atem. All die effektvollen Anleihen bei der französischen Grand Opéra – die Chöre, Ballette und Tempelszenen – sind darin eingebunden. Statt einer staatstragenden Repräsentationsoper mit Elefanten und exotischem Prunk erlebt man ein aufwühlendes Drama, in dem es um die Unvereinbarkeit von individuellen Sehnsüchten und einer übermächtigen politischen Realität geht, um die Vergeblichkeit der Liebe in Zeiten eines brutalen Krieges. Welches Thema hätte derzeit mehr traurige Aktualität?
Staatskapelle Dresden spielt aufmerksam und feinsinnig
Thielemann spitzt die Dramatik am Ende des dritten und in der Gerichtsszene des vierten Akts brutal zu und löst die tableauhaften Züge der Oper in einem vorwärtsdrängenden Grundpuls auf. Das Herz dieser Musik aber schlägt für ihn in jenen zarten Momenten, in denen die Figuren jenseits des großen Opernpathos für Augenblicke zu sich kommen. Die wie auf der Stuhlkante spielende Staatskapelle Dresden bietet hier wie auch in der exotisierenden Genreszene vor dem Isistempel am Nil all ihren Klangzauber auf.
Herausragendes Sängerensemble
Vor allem aber kann sich Thielemann auch auf ein luxuriöses Sängerensemble stützen – allen voran auf eine umwerfend charismatische Aida. Krassimira Stoyanova lässt in der Titelpartie ihren weichen, immer noch ungeheuer farbenreichen und sinnlichen Sopran in allen nur erdenklichen Facetten schimmern und leuchten. Das leichte, irisierende Flirren ihres Timbres und ihre schwebenden Piani beglaubigen die Verlorenheit der äthiopischen Königstocher, deren Liebe zu Radamés aussichtslos ist.

„Ich hab das ja jetzt erst entdecken dürfen, wie zart das alles ist, wie verletzlich die Figuren alle sind“, erklärt Katharina Thalbach. Die Berliner Schauspiellegende hat bereits zahlreiche Opern auf die Bühne gebracht. Erfolgreich war sie dabei vor allem immer dann, wenn sie ihren drastischen Humor oder ihre kindlich-überbordende Fantasie einbringen konnte – etwa in ihrer bezaubernden Inszenierung von Janaceks Oper „Das schlaue Füchslein“ an der Deutschen Oper Berlin. Beide Talente lassen sie nun an der Semperoper leider im Stich.
„Ich hab versucht mit sehr einfachen Bildern eigentlich diese Geschichte zu erzählen. Ich hatte nie die Absicht mich mit irgendwelchen Interpretationen da regielich in den Vordergrund zu drängen“, sagt Thalbach.
Parodiereife Ballette und Rampengesang
Ein bisschen mehr Theaterinstinkt, als es das statuarische Arrangement von Sängern, Balletten und Chören erfordert, hätte man sich freilich selbst in einem bewusst nur nacherzählenden Regieansatz erhofft. Denn es ist ein Irrtum, dass eine gänzlich ideenfrei inszenierte „Aida“ in einem goldfarben angemalten Holzkasten -- mit parodiereifen Balletten in altägyptischen Kostümen und Sängern, die in Lichtkegeln an der Rampe singen -- „werktreu“ sei. Doch auch wenn die hölzerne Klobigkeit des Bühnengeschehens das Raffinement der Musik an diesem Abend Lügen strafte: am Ende gab es Ovationen. Thielemann, der Dresdner Wunderharfe, sprich der Staatskapelle, und den fabelhaften Sängern sei es gedankt.